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Wir näherten uns andächtig dem traditionsreichen Gasthaus, dessen leuchtende Fenster vom charmanten Ambiente der heimeligen Stube kündeten. Drinnen erwarteten uns ein beruhigend unaufgeregtes Interieur und ein Publikum, das hier scheinbar sein kulinarisches Zuhause gefunden hatte. Das Servicepersonal im zünftigen Dirndl empfing uns mit freundlich gereifter Routine, die gänzlich ohne alberne Inszenierungen auskam. Bodenständig, aber mit Herz und Engagement – so die einfache Formel, die dem Gast das Ankommen leichtmacht.
Die Faszination, die der ländlich-elegante Gastraum bei jedem Besuch auf mich ausübt, habe ich schon bei meiner letzten Rezension zum Ausdruck gebracht. Wertiges Holz an Wand und Decke unterstrich die rustikal-gediegene Atmosphäre des Hauses. Warmes Kerzenlicht, gedimmte Deckenstrahler und nostalgische Wandleuchten setzten stimmungsvolle Lichtakzente, die sich maßgeblich für die gedämpfte Behaglichkeit im Inneren verantwortlich zeigten. Auf den in weißes Leinen gehüllten Tischen sorgten sauber gefaltete Stoffservietten, silbern glänzendes Dreifachbesteck, obligatorische Brottellerchen samt Streichmesser und auf Hochglanz polierte Gläser für eine kultivierte Ästhetik, die weder steif noch konventionell wirkte, sondern in völlig angemessener Art und Weise den äußeren Rahmen für die Preziosen aus der Küche von Altmeister Kuntz absteckte.
Was wurde nicht schon alles über Karl-Emil Kuntz, den Dauerläufer unter Deutschlands Sterneköchen, geschrieben. Seit 1984 wirkt der fast 60jährige am Herd der Haynaer Krone und sein Qualitätsanspruch an die von ihm verwendeten Produkte könnte höher gar nicht sein. Seine Kreationen basieren seit jeher auf traditionellen Rezepten, die er finessenreich mit Anleihen aus der Hochküche verfeinert. Seine Pfälzer Wurzeln leugnet er dabei nicht. Ganz im Gegenteil. Bei aller Verfeinerung bekennt er sich zu regional inspirierter Kost und das seit so vielen Jahren auf einem derart hohen Niveau, dass man vor solch einem Lebens- und Schaffenswerk nur den Hut ziehen kann.
Die Gourmet-Abteilung legte im Januar eine kreative Winterpause ein, wie in der großformatigen, in elegantem Weiß gehaltenen Speisenkarte nachzulesen war. Das bedeutete, dass Kuntz und seine Küchenkomplizen ihre komplette kulinarische Konzentration an diesem Abend auf das Zweitlokal richten konnten. Ein durchaus wohliger Gedanke, der mir beim Aufklappen der Karte durch den Kopf ging. Außerdem kündete die erste Seite von zwei äußerst verlockend klingenden Tagesempfehlungen. In geschwungener Schrift stand da als klassische Vorspeise eine hausgemachte Blätterteigpastete mit Ragout fin vom Kalbstafelspitz (15,90 Euro) sowie ein kross auf der Haut gebratener Loup de Mer auf hausgemachten Tagliolini mit sautierten Shiitakepilzen (als Vorspeise 19,80 Euro, als Hauptgang 28,50 Euro) geschrieben.
Als kulinarische Visitenkarten von Karl-Emil Kuntz gelten seit jeher die Menüs aus der Kronen-Küche. An diesem Abend wurden ein kleineres 4-Gang-Menü (48,50 Euro) sowie eine größere sechsgängige Reise durch die Köstlichkeiten der Pfälzer Regionalküche (69,80 Euro) geboten. Das große Menü wurde jedoch nur tischweise serviert. Diesen beiden Offerten folgte ein klug arrangiertes, für diese Art von Küche recht umfangreiches à-la-Carte-Programm, das neben gehobener Pfalzkost (Tafelspitzbrühe, Saumagencarpaccio, Blutwurststrudel oder Rumpsteak vom Angus-Rind) auch bestbürgerliche Klassiker (Rinderroulade, Entrecôte vom Kalbsrücken, knusprige Freilandentenbrust oder Kalbsleberscheibchen), fischige Alternativen (Filet von der Dorade Royal und Fazzoletti von Edelfischen und Gambas) sowie ein paar Veggie-Gerichte (hausgemachte Kartoffelgnocchi mit Pilzen und Kartoffelravioli mit Rucola-Ricotta-Füllung) listet. Selbst für Gäste, welche die nötige Toleranz für Laktose und Gluten vermissen lassen, steht eine Herxheimer Poulardenbrust auf Pfannengemüse bereit.
Soweit einmal der Querschnitt durch eine der appetitanregendsten Speisenkarten der Südpfalz, die leider nicht online einsehbar ist. Nun mussten Entscheidungen her. Bei der Flasche Mineralwasser (0,75 l für 6,50 Euro) von Gerolsteiner konnte es ja schlecht bleiben. Unser Hunger hielt sich in Grenzen, aber der kommt ja bekanntlich beim Essen. Für meine Begleitung sollten es die bei Niedrigtemperatur geschmorten Rinderbäckchen vom Angus Rind (23,90 Euro) sein. Diese wurden auf Rahmwirsing in Speckvelouté und einer kräftigen dunklen Jus serviert. Dazu gab es handgeschabte Spätzle vom Brett. Na das klang doch schon ausgezeichnet.
Der Umfang der Karte machte mir die Entscheidung nicht gerade leicht. Letztendlich wählte ich das kleine Pfälzer Stuben Menü, jedoch unter der Prämisse, die Vor- und Nachspeise gemeinsam mit meiner Begleitung zu vertilgen. Die ordentlichen Portionen des Hauses sowie den üppigen Küchengruß, der hier die Ausmaße einer Vorspeise besitzt, hatte ich dabei im Hinterkopf. Außerdem würden mit der Phantasie von Bio-Lachs und Rosa Forelle sowie der Piccata vom Flusszanderfilet die Vor- bzw. Hauptspeise nicht besonders schwer ausfallen. Den Protagonisten aus Fluss und Meer sei Dank. Für den süßen Abschluss zeichnete sich eine Nougat-Charlotte mit Birnenragout, Haselnusskrokant und Vanilleschaum verantwortlich. Da gab’s zum Finale noch einmal ordentlich was auf die Löffelbiskuits.
Ich warf noch einen Blick in die ehrwürdige Weinbibel. In diesem außerordentlichen Kompendium enzyklopädischen Umfangs war nahezu das komplette Who-is-Who der Pfälzer Weinszene versammelt. Darüber hinaus existierte eine große Auswahl an französischen Kreszenzen. Komplettiert wurde das überaus lesenswerte Nachschlagewerk, das jeden Rebsaftenthusiasten begeistern dürfte, von ein paar Weinen aus dem Süden Europas (Spanien, Italien) und der neuen Welt. Auf der letzten Seite der Speisenkarte entdeckte ich eine zusätzliche Auswahl von Flaschenweinempfehlungen, von denen der Weißburgunder von Pfaffmann für erschwingliche 21 Euro das Rennen machte. Die Weine von Markus Pfaffmann aus Walsheim (Weingut Karl Pfaffmann) sind nicht nur in der Pfalz für ihr hervorragendes Preis-Leistungs-Verhältnis bekannt. Außerdem kennt man sich ja noch aus der gemeinsamen Landauer Schulzeit, was dem Ganzen noch eine persönliche Note gab.
Eröffnet wurde der Genussreigen mit dem mittlerweile schon legendären Amuse-Teller, der ein Ensemble aus Pfälzer Gaumenfreuden im Miniaturformat bereit hielt. Wie auf einer Drehbühne waren ein halbes Dutzend kulinarische Komparsen um eine kleine Tasse mit sämig-pikanter Kartoffelschaumsuppe angeordnet. Schnittlauchhaube und etwas Speckgeröstel verliehen der perfekt abgeschmeckten Suppe ein herzhaftes Aroma. Sicherlich mit die beste Kartoffelcrème, die ich in den letzten Jahren genossen habe. So geht geschmacksintensive Pfalzküche!
Und so ging es auch auf dem weißen Porzellan weiter. Der Mini-Saumagen auf rahmigem Champagnerkraut ließ uns an den kleinen Dingen des Lebens erfreuen. Seine würzige Füllung wurde von der leichten Säure des Rahmsauerkrauts passend unterfüttert. Auch die köstlich frische Kaninchensülze verschwand viel zu schnell in meinem Magen. Auf das dazu gereichte Baguette strichen wir zart rauchige Forellenmousse und irgendetwas Gemüsiges, das sich leider nicht sonderlich fest in mein Gaumengedächtnis brannte.
Anleihen aus dem asiatischen Raum (Entenpraline als kross frittiertes Wan-Tan) oder aus der französischen Küche (zart schmelzende Gemüseterrine) vereinte Kuntz spielerisch bei diesem ersten kulinarischen Ausrufezeichen des Abends. Finessenreich platzierte er seine kleinen Köstlichkeiten in verschiedenen Texturen (von kross bis sämig) und Temperaturen zu einem Festival der Mund- und Gaumenfreuden. Ein deutlicher Fingerzeig, wie man mit seinen regionalen Ressourcen umgehen kann. Bravo!
Nach diesem Feuerwerk des guten Geschmacks folgte eine Vorspeise, die unter dem Titel „Phantasie von Biolachs und Rosa Forelle“ firmierte. Da ließ die Küchencrew ihrer Phantasie in der Tat freien Lauf. Denn das, was sich hier als farbenfrohes Kollektiv den Glasteller teilte, war ein wahres „Lachsfigurenkabinett“! Seine Protagonisten Lachstatar, Forellenmousse, gebackene Praline, Fischterrine und –törtchen vermählten sich mit süß-sauer angemachtem Kürbissalat und einer süßlichen Kürbiscrème zu einem superben Starter. Alles auf dem Teller wirkte geschmacklich homogen und war sehr gut ausbalanciert. Hier zeigte Kuntz, wie man mit Feingespür für Zutatenbalance ein spannendes, sich ergänzendes Ensemble komponiert. Eindrucksvoll.
Dann wurden unsere beiden Hauptgänge auf die fein gedeckten Tische gebracht. Für die stundenlang bei Niedrigtemperatur geschmorten Rinderbäckchen bedurfte es aufgrund ihrer Zartheit keines Messers. Die dazu gereichte, klassisch optimierte Jus strotzte nur so vor Kraft und Konzentration, ließ aber dem Rahmwirsing in Speckvelouté noch genug Raum zur aromatischen Entfaltung. Ein Teller von handwerklich präziser Machart, der auf kleinstem Raum eine enorme geschmackliche Vielfalt bot. Die vom Brett geschabten Spätzle komplettierten diesen Teller feinster Hausmannskost als fluffig-schmelzige Beilage.
Meine Piccata vom Zander auf hausgemachten Tagliolini und mediterranem Gemüse hatte durchaus das Zeug zur vorzeitigen Vertreibung des Winters. Die in eine schaumige Hülle aus Ei und Parmesan gepackten Zanderfilets hatten den perfekten Gargrad, der auch beim Gemüse festzustellen war. Mit etwas Pesto verfeinert, war das ein gelungener Abstecher ins kulinarische Italien, der mich mit kräuterfrischem Aroma und fruchtiger Tomatenwürze kulinarisch über den Brenner schickte. Die unter dem Fisch platzierten, hausgemachten Tagliolini kriegt man auch im Nobelristorante seines Vertrauens nicht besser in den tiefen Teller gelegt. Dass der Pfälzer Weißburgunder hervorragend mit der leichten Südlandküche harmonierte, war keine Überraschung.
An den Portionsgrößen scheiden sich seit Jahren die Geister. Für den eher auf filigranes Kleinzeug stehenden Feinesser mag das hier Aufgetischte etwas zu üppig dimensioniert erscheinen. Und in der Tat, man sollte schon mit leerem Magen den Weg in das beständig mit einem Bib Gourmand ausgezeichnete Traditionslokal der Familie Kuntz suchen, denn die Gerichte sind von ihrem Umfang her eben authentisch pfälzisch, will heißen: es liegt ordentlich was auf dem Porzellan. Aber wenn gutes Essen auch satt macht, ist daran wohl nichts auszusetzen.
Kleinere Abzüge in der kulinarischen B-Note gab es lediglich beim Dessert, einer etwas zu süß geratenen Versuchung, die in Form einer Nougat-Charlotte mit Birnenragout, Vanille-Eis und –sauce, sowie etwas Haselnusskrokant für den Crunch serviert wurde. Die feine Frucht der Birne konnte gegen die süße, mit Crème gefüllte Biskuitnachspeise nicht viel ausrichten, so dass sich ein Fehlen frischer Akzente auf dem Teller bemerkbar machte und das handwerklich tadellose Pâtisserie-Produkt ins geschmacklich Eindimensionale abdriften ließ.
In der Summe war es jedoch ein äußerst geschmackvoller Abend in der Haynaer Krone. Die Rechnung für diese gelungene Geburtstagsüberraschung (knapp 100 Euro) übernahm dankenswerter Weise meine Mutter. Die Standortnähe dieser Pfälzer Keimzelle des guten Geschmacks schreit förmlich nach Wiederholungstaten. Zumal Preis und Genuss in einem absolut fair kalkulierten Verhältnis zueinander stehen und im Sommer die idyllische Terrasse lockt.