Leider auch Gourmand gehe ich mittags regelmäßig allein oder mit Kollegen essen. Abendessen zu zweit waren in der Vergangenheit rar gesät, das wird jetzt nachgeholt! Auf Dienstreisen vertreibe ich mir die Zeit stets mit abendlichen Restaurantbesuchen, möglichst in den Highlights. So war ich auf Restaurantkritik gekommen und hatte den inneren Schweinehund, der zu bequem zum Kritiken schreiben war, überwunden.
Nach etwa 100 Bewertungen hat mich der Verkauf an Yelp ausgebremst, da ich aussagekräftige Kritiken schreiben möchte, für Menschen, die gutes Essen schätzen. In einem Portal, bei dem man auch seine Wertschätzung für die Heiße Hexe an der Tankstelle veröffentlicht, fühle ich mich nicht mehr wohl und suche eine neue Kritikerheimat.
Nachdem mittlerweile (fast) alle geschätzten Kritikerinnen und Kritiker aus dem Verschwundenen Portal hierher gewechselt und ein paar mehr dazu gekommen sind, fühle ich mich wieder wohl. Ein bißchen wie im Stammlokal, man kennt/schätzt/neckt sich, tauscht Neuigkeiten aus... Eben lesen, schlemmen, schreiben.
Leider auch Gourmand gehe ich mittags regelmäßig allein oder mit Kollegen essen. Abendessen zu zweit waren in der Vergangenheit rar gesät, das wird jetzt nachgeholt! Auf Dienstreisen vertreibe ich mir die Zeit stets mit abendlichen Restaurantbesuchen, möglichst in den Highlights. So war ich auf Restaurantkritik gekommen und hatte den inneren... mehr lesen
Bewertungs-Statistik
Insgesamt 288 Bewertungen 368975x gelesen 10231x "Hilfreich" 9175x "Gut geschrieben"
Geschrieben am 08.02.2022 2022-02-08| Aktualisiert am
10.02.2022
Besucht am 31.01.2022Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 38 EUR
Nachdem die beiden ersten Abendessen in Heidelberg mit unserem Sohn und seiner neuen, sehr sympathischen Freundin etwas üppiger ausgefallen waren, sollte es am Vortag der Heimreise in trauter Zweisamkeit einfacher zugehen. Dies sowie mein Wunsch nach „etwas Asiatischem“, die räumliche Nähe zum Hotel und nicht zuletzt eine der sehr gern gelesenen Kritiken der Kollegin Maja88 ließ die Wahl schnell auf das Chatuchak fallen. Nun ja, die Namensgleichheit mit dem riesigen Wochenendmarkt in Bangkok muss angesichts des angeschlossenen, sehr übersichtlichen Asia-Marktes wohl ironisch gemeint sein. Oder Klappern gehört eben zum Handwerk. Den einstöckigen Zweckbau - die Bezeichnung Baracke wäre zu hart - teilt sich thailändisches Streetfood schiedlich-friedlich mit Mandy’s amerikanischem Diner. Das Gebäude ist erfreulicherweise ebenerdig zu betreten, wenn auch die Türdurchgänge teils verwinkelt sind. Es gibt einen von beiden Seiten zugänglichen kurzen Mittelgang mit einem Schild unter der Decke, auf dem zwei Pfeile die Verhältnisse klären: „Bitte hier bestellen“ bzw. „Serviert wird dann hier.“ Casis Foto zeigt‘s in der Galerie.
Also hinein in den schmucklosen Küchen-, Bestell- und Verkaufsraum. Ein junger Mann ist für die Bestellannahme, auch per Telefon zuständig und die Herausgabe an die zahlreichen Abholer. Später serviert er auch mit; hat gut zu tun, der Junge. Vielleicht hängt deshalb die Maske unter der Nase (immerhin nicht mehr, als er an den Tisch kommt). Als er hört, dass wir bleiben wollen, lässt er sich den Impfstatus zeigen, allerdings ohne dazu unsere Ausweise zu verlangen. Ansonsten war das in vier Tagen Heidelberg überall, ob Gastro, Einzelhandel oder Museum, völlige Selbstverständlichkeit.
Hinter ihm wuseln an den Woks insgesamt vier Menschen, darunter auch die Mitinhaberin, wie ein Blick auf die vorbildliche Homepage verrät, deren Angebot dem Realitäts-Check locker stand hält.
Denn wir hielten uns nicht zurück!
Vegetarische Frühlingsrollen für die Dame und solche mit Hühnerfleisch für den Herrn, eine Hühnersuppe in Vorspeisengröße mit Wan Tan aber ohne zusätzliches Fleisch, ein Gurkensalat mit Erdnüssen und Reisbeilage, als Hauptspeisen würziges Chili mit Tintenfisch natürlich auch mit Reisbeilage sowie Bratreis mit Gemüse und Ei. Die Schärfegrade von Null (auf Wunsch der Dame) bis zu zwei von drei. Mit eins konnte ich gut umgehen, bei zwei lief nicht nur der Kreislauf so richtig... Die Schärfe für mich noch gerade erträglich, letztlich auch gut, da noch alles wunderbar zu schmecken war. Dazu ein Chang-Bier und eine Bionade - dafür durften wir per Karte 38,50 Euro plus Pfand berappen. Ich greife vor: Angesichts des Gebotenen sind 5 Sterne noch zu wenig.
Frohgemut wechselten wir schon mit unseren Getränken in der Hand die Räume in die von Maja angedeutete eigentümliche Melange aus Hafenkantine, Wohnzimmer, Bar und Billardhalle.
Meine Liebste enterte einen der blanken Holztische (nebst ebensolchen Sitzmöbeln, immerhin mit Alibi-Polstern) am Fenster, aber wir rückten angesichts der empfindlich gefallenen Temperaturen schnell von der Glasscheibe ab. Zumal das von der Vorkritikerin beschriebene fröhliche Treiben auf dem Parkplatz nicht zu entdecken war; vielleicht verbarg es die hereingebrochene Dunkelheit;-)
Auf dem Tisch gab es dagegen im Abstand von jeweils einigen Minuten die von verschiedenen Angestellten eher schweigsam servierten Leckereien zu entdecken. Dabei regierte das Streetfood-Prinzip: Was fertig ist, wird geschickt! Auf diese Weise kamen erst die beiden Hauptspeisen, dann die zweierlei Rollen, sodann die Suppe und schließlich der Salat.
Was für ein Glück(sfall), denn so war alles frisch, sehr lecker und (bis auf den Salat natürlich) heiß!
Mein Tintenfisch war zart-fleischig gegart und in einer würzigen Sauce auf Sojabasis nicht nur von auf den Punkt gerührtem Gemüse begleitet, sondern eben auch von Kräutern, besonders Thai-Basilikum sowie grünem Pfeffer. So gab es bei aller (natürlichen) umami-Schmackigkeit eben immer wieder würzige und blumige Geschmacksmomente. Ein Zitronenachtel lässt auch auf eine anderes Küchenphilosophie schließen, als ein Tütchen Saft... Das Gericht sieht viel profaner aus, als es schmeckte. Ein deutlicher Unterschied zum Allerwelts-Asiaten mit Glutamat-Einheitsgeschmack. Pla Muek Khi Mau
Meine Frau war mit ihrem vegetarischen Teller ebenfalls zufrieden, für sie hätte das Gemüse einen Tick weicher sein dürfen. Khao Phad Phak
Umgekehrt war’s beim Reis, keine Kritik auf der anderen Tischseite. Bei mir war es wohl der Rest aus dem Kocher - nicht mehr heiß und zumindest ein Teil war schon angetrocknet. Mit dem Salat kam später auch für mich ein dampfender Nachschlag.
Die folgenden Frühlingsrollen - beide Arten frittiert - unterschieden sich nicht nur von der Füllung, sondern auch äußerlich. Die drei vegetarischen meiner Frau klein, meine beiden mit Hühnerfleisch eine Kategorie größer. Alle zweifelsohne selbstgemacht, was nicht nur die unterschiedlichen Formen verrieten, sondern vor allem die nicht ganz gleichmäßige Teigdicke. Bei einer meiner Rollen war wohl ein Endstück eingeschlagen, da kam‘s etwas dicke. Ansonsten aber purer knuspriger Genuss und die Füllung nicht nur optisch vorhanden, sondern eben auch nach Fleisch, Pilzen und Gemüsen schmeckend mit einer leicht duftigen Note. Po Pia Tord Jee Po Pia Tord
Die Sauce war eher süß als scharf und kam sicher aus der Flasche. Aber bei 3,7€ für handgemachte Rollen haben wir auch keine Eigenkreation erwartet.
Noch 20 Cent günstiger war die Wan Tan Suppe. Eine Brühe mit feinem Huhngeschmack war mit viel Koriander und Basilikum aromatisiert. Darin Pakchoi, Mungbohnensprossen, Frühlingszwiebel und als Morcheln bezeichnete Mu-Err. Und eben Wan Tans aus phänomenal dünnem Teig. Jenem, aus dem auch Glasnudeln gemacht werden, dafür sprach dieses leicht glitschige Mundgefühl; ich mag das! In der würzigen Füllung dominierten ebenfalls die Wolkenohr-Pilze. Giow Naam Gai
Zum Abschluss gab’s dann noch ordentlich auf die Wärmerezeptoren, aber die Chilli-Schärfe im Gurken-Erdnuss-Salat wurde durch viel Zitronensäure aufgefangen - Erfrischung und „Qual“ in einem. Dam Daeng
Den Reis dazu hab ich dann tatsächlich nicht mehr ganz geschafft, verrückt.
Alles in allem verhindern ein paar Schwächen, allen voran der erste Reis, zwar die Bestnote, mehr aber auch nicht, dafür waren die positiven Geschmacks-Erlebnisse, die ich in diesem Ambiente vorurteilshaft nicht erwartet hätte, zu überzeugend.
Bemerkens- und ganz sicher empfehlenswertes thailändisches Bistro am Fuße der Montpellier-Brücke. Bravo!
Nachdem die beiden ersten Abendessen in Heidelberg mit unserem Sohn und seiner neuen, sehr sympathischen Freundin etwas üppiger ausgefallen waren, sollte es am Vortag der Heimreise in trauter Zweisamkeit einfacher zugehen. Dies sowie mein Wunsch nach „etwas Asiatischem“, die räumliche Nähe zum Hotel und nicht zuletzt eine der sehr gern gelesenen Kritiken der Kollegin Maja88 ließ die Wahl schnell auf das Chatuchak fallen. Nun ja, die Namensgleichheit mit dem riesigen Wochenendmarkt in Bangkok muss angesichts des angeschlossenen, sehr übersichtlichen Asia-Marktes... mehr lesen
Chatuchak | Thai Kitchen & Street Market
Chatuchak | Thai Kitchen & Street Market€-€€€Restaurant062217146060Speyerer Str. 1, 69115 Heidelberg
4.0 stars -
"Sehr erfreulicher „Garküchen"-Besuch" DerBorgfelderNachdem die beiden ersten Abendessen in Heidelberg mit unserem Sohn und seiner neuen, sehr sympathischen Freundin etwas üppiger ausgefallen waren, sollte es am Vortag der Heimreise in trauter Zweisamkeit einfacher zugehen. Dies sowie mein Wunsch nach „etwas Asiatischem“, die räumliche Nähe zum Hotel und nicht zuletzt eine der sehr gern gelesenen Kritiken der Kollegin Maja88 ließ die Wahl schnell auf das Chatuchak fallen. Nun ja, die Namensgleichheit mit dem riesigen Wochenendmarkt in Bangkok muss angesichts des angeschlossenen, sehr übersichtlichen Asia-Marktes
Am 12.2. erfolgt der letzte Service in den alten Räumen im Goldenen Kreuz. Am 8.3. ist Eröffnung quasi gegenüber im renovierten Stahlbad. Tische können schon gebucht werden!
Am 12.2. erfolgt der letzte Service in den alten Räumen im Goldenen Kreuz. Am 8.3. ist Eröffnung quasi gegenüber im renovierten Stahlbad. Tische können schon gebucht werden!
Le Jardin de France im Stahlbad
Le Jardin de France im Stahlbad€-€€€Restaurant, Sternerestaurant072213007860Augustaplatz 2, 76530 Baden-Baden
stars -
"Umzug an den Augustaplatz" DerBorgfelderAm 12.2. erfolgt der letzte Service in den alten Räumen im Goldenen Kreuz. Am 8.3. ist Eröffnung quasi gegenüber im renovierten Stahlbad. Tische können schon gebucht werden!
Geschrieben am 12.01.2022 2022-01-12| Aktualisiert am
12.01.2022
Besucht am 25.09.2021Besuchszeit: Mittagessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 272 EUR
Auf unserem relativ spontanen Trip nach Sachsen und Thüringen stand natürlich auch Dresden auf dem Programm. In Sachsens Landeshauptstadt darf ich ja regelmäßig beruflich reisen, aber für meine Liebste war es der erste Besuch und natürlich wirkte auch bei ihr der Zauber des Elbflorenz. Nur, dass die Schönheit dort in Masse schon etwas überwältigend und vor allem zeitraubend sein kann. Da passte es hervorragend in unsere Tagesplanung, dass das Genuss Atelier ausschließlich sonnabends seine Pforte für einen Genießer-Lunch öffnet. Denn schon länger wollte ich das jüngste Sternerestaurant Dresdens in Augenschein und Gaumengeschmack nehmen.
An- und Abreise erfolgten entspannt, kostengünstig und weinfreundlich mit der Straßenbahn; die Haltestelle liegt nur über die Kreuzung. Natürlich ließen wir es uns nicht nehmen, auch die Waldschlösschen-Brücke zu bestaunen, die ganz in der Nähe das ob ihres Baus bekanntlich nicht mehr zum UNESCO-Weltkulturerbe zählende Dresdner Elbtal überspannt. Ich fand die Bogenkonstruktion recht apart, aber ob hübsch oder häßlich, verkehrstechnisch notwendig oder Steuergrab muss ja nicht mehr diskutiert werden. Wir wendeten ihr den Rücken zu, sahen zur Linken den Fluss in der schönsten Mittagssonne glitzern, in der Ferne das Canaletto-Panorama und zur Rechten die eindrucksvolle Kaiserzeit-Villa, in deren Souterrain die Geschwister Marcus und Nicole Blonkowski laut Eigeneinschätzung „Kreative Küche vom Feinsten!“ anbieten wollen.
Vom Haupteingang führen etliche Stufen ins Restaurant hinunter. Eine Tür zum Garten könnte auf einen ebenerdigen Zugang hindeuten; leider habe ich vergessen, es mir anzuschauen.
Im Kellergewölbe angekommen, haben wir uns sofort wohl gefühlt. Die warmen Sandsteinwände, Ziegeldecken, etwas Tageslicht von schräg oben, das durch viele Lampen unterstützt wird und besonders die Durchbrüche zwischen den Räumen schaffen Gemütlichkeit, ohne dass es irgendwie „beengt“ wirkt. Dem arbeitet auch die klare Möblierung, der satte Fliederton der gemütlichen Clubsessel und moderne Kunst entgegen.
Unsere Gastgeberin agierte im Service professionell und höflich, auf unsere Wünsche wurde eingegangen, auch im eigentlich tischweise erbetenen Menü waren Wechsel in Anzahl und Zusammenstellung unproblematisch möglich. Ein unterstützender junger Mann war schon auf dem Weg zu gutem Service und gegen Ende lernten wir noch einen weiteren Herrn kennen, der uns mit freundlicher Souveränität beeindruckte. Alle Kräfte beziehe ich in die Bewertung ein.
Wir wählten beide aus den zwei Mittagsmenüs 5 Gänge für sehr günstige 64€ (!) und hatten nach dieser verantwortungsvollen Entscheidung etwas Erfrischung „verdient“. Im Genuss Atelier wird Ruinart rosé glasweise ausgeschenkt. Das ist nicht gerade die billigste Flaschengärung aus französischen Landen, aber 25€ (!) pro Glas sind in Deutschland schon eine Ansage für einen Non-vintage. Faktor 3 oder mehr dürfte die Kalkulation als Deckungsbeitrag hergeben. Mittags halt „Mischkalkulation“. Zur Ehrenrettung der Inhaber sei zudem darauf hingewiesen, dass ansonsten in der etwas speziellen Weinkarte durchweg „bezahlbare“ Preise aufrufen werden. Dazu gleich mehr.
Vorab gilt es der Vollständig- wie Wahrhaftigkeit halber ein echtes Ärgernis zu berichten, auch wenn ich dafür vermutlich wieder aufgezogen werde. Aber uns wurde ein Schaumwein serviert, der wie eingeschlafene Füße schmeckte. Annähernd keine Perlage mehr. Konnte man schmecken und sogar auf den ersten Blick sehen. Und wir waren am Sonnabend um 12.00 Uhr mit der Öffnung quasi die ersten Gäste. Was kann ich anderes annehmen, als dass die Flasche schon am Vorabend geöffnet und dann noch nicht mal optimal gelagert wurde? Klar tut es wirtschaftlich weh, eine fast volle Flasche Ruinart abschreiben zu müssen. Aber entweder sollte das in der üppigen Kalkulation drin sein oder man behilft sich am Abend mit einer kleinen Notlüge, bevor man gegen Ende etwas Neues entkorkt. Aber den Gästen am nächsten Mittag einfach mal probeweise das abgestandene Zeug andrehen? Das ist niveaulos und passte so gar nicht zu diesem ansonsten überzeugenden Sterne-Restaurant.
Frischen Ersatz gab es nach unauffällig mitgeteilter Kritik zwar ohne Murren, aber auch ohne Einsicht. Das empörte selbst den Süßen Fan, ansonsten ja die Mutter Teresa der Restaurantkritik. Damit ist die Bewertung für die ansonsten sehr gute Leistung im Service erläutert.
Thema abgehakt. Zurück zur extrem eingedampften Weinkarte, deren gerade mal 12 Positionen (plus eine Reihe offener) fast komplett auf sächsische Erzeugnisse setzt, dazu etwas Saale-Unstrut. Zumindest für mich fast nur unbekannte Namen. Das ist ein mutiges Konzept regionaler Unterstützung, dem man Respekt zollen muss. Natürlich wird so auch nicht elend viel Kapital in den Keller gelegt. Ob das der Grund für die freundlichen Preise ist, mag bezweifelt werden. Vielleicht eher eine zusätzliche Promotion der hiesigen Winzer und ihrer schönen Tropfen? So oder so, bei Aufrufen von ca. 30€ bis unter 50€ spricht einiges für eine zweite Flasche. Wir begnügten uns zur recht frühen Tagesstunde dagegen mit einem Weißburgunder aus der Steillage vom Meißener Weingut Mariaberg (38€). Ausgebaut wird der Wein übrigens von Stefan Bönsch aus Dresden-Langebrück, dessen eigene edelsüße, aber überraschend komplexe Scheurebe -S- uns auf Empfehlung von Frau Wirtin glasweise zu Dessert und Käse überzeugte. Die Flasche selbstverständlich sächsisches Mineralwasser wurde am Ende des Sommers mit 5,9€ boniert, inzwischen 50 Cent more.
Auf den blanken Tischen war übersichtlich eingedeckt. Besteck Fehlanzeige, aber eine flache Schublade im Tisch war gut sortiert…
Die Küchengrüße setzten auf Herbstliches: Unter einem Korallenchip von roter Bete versteckte sich ein süffiger Brie-Schaum mit knackigen Artischockenstückchen und deutlich akzentuiertem Liebstöckel. Kein Eukalyptus zwar, aber immerhin...
Zum anderen ein Würfel von Waldpilz und Trüffel-Sülze, die fein statt penetrant wirkte. Beides unbedingt gelungen.
Auch der lockere Oliven-Rosmarin-Muffin gefiel
und leitete mit der begleitenden Tomatenbutter zum ersten Teller über, der dem Liebesapfel in Texturen und Temperaturen nachspürte. Mit Mozzarella-Eis und verschiedenen, gut wahrnehmbaren Kräutern spielte Marcus Blonkowski mit dem Thema Caprese, dem er noch Olive hinzufügte.
Es folgte eine intensive Essenz vom Rind, klasse im Fleischgeschmack, die der Service am Tisch angoss. So hatte die Einlage, eigentlich eine Zweilage, ihren Solo-Auftritt: Ein großer Cannelono in Zopf- oder vielleicht Blattoptik, gefüllt mit Geschmortem aus der Rose. Und eine Gel-Rolle von weißem Port, die Gemüse-Brunoise und Crème von rotem Port enthielt.
Die Alkohol- und Fruchtnoten zur Fleisch-Brühe waren erneut eine handwerklich interessante Abwandlung bekannter Geschmacksmuster. Auch dieser Gang sehr schön!
Als Zwischengang hatte ich in der vegetarischen Abteilung gewildert, um mich an geschmacklich starken, leider etwas sandigen Pfifferlingen (nebst deren handwerklichen „Deklinationen“) und knackig-frischem Spargel auf einer dicken Scheibe lockeren Serviettenknödels zu laben.
Und natürlich am Pilzsößchen! Und natürlich am Schaum aus buttrigen Semmelbröseln! Beides später angegossen und aufgetropft (von Pallhuber&Söhne?). Das Gesamtwerk damit zwar auf der würzig-salzigen Seite, aber natürlich hat der gute Tischnotizen auch für solche Teller den Begriff „mollig“ geprägt.
Beim Hauptgang hatte ich geschwankt, ob ich wie meine Frau den gebratenen Adlerfisch mit Auberginen-Millefeuille nehmen sollte. Es wäre absolut kein Fehler gewesen!
Aber steht Taube auf der Karte, kann ich selten widerstehen. Hier landete eine Tranche von der Brust nebst Keule auf dem Teller und zwar genauer auf einem Ragout vom Dattelkürbis, das mit einer guten Balance aus süßen, säuerlichen und durch Ingwer auch zupackend scharfen Noten dem kräftigen Fleisch Paroli bot. Auch die weiteren Variationen alle gut; mir blieb das Gelee angenehm in Erinnerung. Beim Fleisch viel Licht und etwas Schatten: Die Keule war heiß, und sie war saftig, worin ihr das Bruststück in keiner Weise nachstand. Nur mit der Temperatur haperte es dort sehr, lauwarm wäre noch übertrieben gewesen. Erst murrte der Service etwas, aber letztlich wurde ein neues Stück gebraten und das Ergebnis war dann eben auch ein Hochgenuss. Heiß, saftig, zart, mit knisternder Haut und dem typisch metallischen Geschmack!
Ja, es ist nicht immer schön zu meckern, aber ein tolles Produkt hochklassig zubereitet ist schon den einen oder anderen genervten Blick wert. Kann man ja gerne anders sehen und für sich halten.
Der Süße Fan vertilgte (sehr elegant) mit Hochgenuss ein Dessert, das nicht in der Karte auftauchte, sah wie cremiges Buttermilcheis, saftiger Mandelcrumble und sündhafte Karamellwaffel aus. Aber wer weiß, ich musste mich schließlich auf andere Freuden konzentrieren, leistet sich das Genuss Atelier zugunsten der Gäste eine respektable Käseauswahl, bei der erfreulicherweise das Saxonia-first-Konzept nicht mehr streng durchgehalten wird: So kam unter dem Motto Deutschland - Frankreich - Spanien bei der großen Variante neben Bergkäse und Camembert aus heimischer Kuhmilch iberischer Manchego sowie ein dortiger Trüffelkäse auf den Teller. Die gastronomische Mutter aller Käseliebhaber steuerte Brie, Reblochon, eine Ziegenrolle in Asche und Fourme d‘Ambert bei.
Alle wohltemperiert und nicht zu jung. „Natürlich“ eher die üblichen Verdächtigen als exotische Neuentdeckungen, aber ich war damit glücklich. Zumal das selbstgebackene Kürbiskernbrot erwärmt worden war und neben dem erwartbaren Feigensenf ein mild-fruchtiges Tomaten-Senf-Chutney schleck-lecker war.
Versöhnlicher Abschluss eines kulinarisch rundum überzeugenden Mittagsbesuches. So geht für mich moderne Küche auf ambitionierten Niveau. Weg von tollen Tellerbildern mit einer überbordenden Vielzahl von Komponenten. Auf die Produkte konzentriert, natürlich saisonal und regional ohne den manchmal anstrengenden „Konzeptismus“, dabei zugänglich, aber doch mit eigener Handschrift. Und einen müden Tag haben wir doch alle mal...
Auf unserem relativ spontanen Trip nach Sachsen und Thüringen stand natürlich auch Dresden auf dem Programm. In Sachsens Landeshauptstadt darf ich ja regelmäßig beruflich reisen, aber für meine Liebste war es der erste Besuch und natürlich wirkte auch bei ihr der Zauber des Elbflorenz. Nur, dass die Schönheit dort in Masse schon etwas überwältigend und vor allem zeitraubend sein kann. Da passte es hervorragend in unsere Tagesplanung, dass das Genuss Atelier ausschließlich sonnabends seine Pforte für einen Genießer-Lunch öffnet. Denn... mehr lesen
Restaurant Genuss-Atelier
Restaurant Genuss-Atelier€-€€€Sternerestaurant035125028337Bautzner Straße 149, 01099 Dresden
4.5 stars -
"Moderner Genuss mit Straßenbahnanschluss" DerBorgfelderAuf unserem relativ spontanen Trip nach Sachsen und Thüringen stand natürlich auch Dresden auf dem Programm. In Sachsens Landeshauptstadt darf ich ja regelmäßig beruflich reisen, aber für meine Liebste war es der erste Besuch und natürlich wirkte auch bei ihr der Zauber des Elbflorenz. Nur, dass die Schönheit dort in Masse schon etwas überwältigend und vor allem zeitraubend sein kann. Da passte es hervorragend in unsere Tagesplanung, dass das Genuss Atelier ausschließlich sonnabends seine Pforte für einen Genießer-Lunch öffnet. Denn
Geschrieben am 26.12.2021 2021-12-26| Aktualisiert am
31.12.2021
Besucht am 30.11.2021Besuchszeit: Mittagessen 1 Personen
Rechnungsbetrag: 76 EUR
Nach Bremerhaven, ich berichtete hier schon, komme ich seit Jahrzehnten nicht mehr so häufig wie in den seligen Kindertagen, als mein alter Herr noch Südfrüchte über den Atlantik schipperte. Damals wurden so etwa im Monatsrhythmus von der Bananenpier neben Vaddern und einem Karton halbreifer Cavendish vor allem eine Menge unverzollter Schnaps abgeholt.
Tempi passati. Für häufigere Besuche gab es auch keine gastronomisch zwingenden Gründe, wie ein Versuch beim Platzhirsch Natuschs Fischereihafenrestaurant mit Kollegen MarcO74 und seiner damaligen Verlobten vor ein paar Jahren zeigte.
Aber seit einiger Zeit tut sich was, speziell am Alten Hafen. Über die Leistungen von Phillip Probst im Mulberry St habe ich hier schon berichtet, im Atlantic Hotel lockt das STROM mit grandioser Aussicht, und das Pier6 wurde mehrfach mit 13 oder 14 Punkten ausgezeichnet, als es diese Kategorie im Gault&Millau noch gab.
Da ich in unverbesserlichem Optimismus für Januar unsere Weihnachtsnachfeier 2020 im benachbarten Liberty plane, konnte ich vor dem Besprechungstermin eine ausführliche Mittagspause beim sympathischen Franken Steffen Heumann einplanen.
Die für einen Montag gar nicht mal so spärliche Kundschaft war gemischt, Geschäftsleute, Freundinnen und auch einige Stammgäste, vermutlich aus den umliegenden neuen, „schicken“ Appartment-Kartons rund um den Alten Hafen, deren Bezug sicher eine „nicht völlige Vermögenslosigkeit“ voraussetzt, wie man in meiner Heimatstadt unverschämt reiche Leute kennzeichnet. Das Ambiente des Pier6 nennt der Guide Michelin stylisch; ich würde es zeitgemäße Bistro-Innenarchitektur nennen, mit viel dunklem Holz und klaren Linien. Der recht große Raum ist in vier Bereiche aufgeteilt, die hinteren Teile sahen etwas „unbewohnt“ aus, aber das verglaste Weingewölbe dahinter war schön anzusehen.
Und erst recht der Blick nach vorne durch die bodentief verglaste Fensterfront.
(Etwas Besonderes war für mich das Wiedersehen mit der Schulschiff Deutschland, auf der mein Vater einst einen Teil seiner seemännischen Ausbildung erhielt.) Der weiße Schwan der Unterweser
In und auf allen raumteilenden Anrichten, Tresen und Regalen standen diverse „Sachen“ rum: Große und kleine Deko, Servietten und Gewürzmühlen, ebenfalls eine Vielzahl von zu erwerbenden Produkten aus eigener Herstellung.
Auf diesen Zusatzverdienst setzen ja inzwischen viele gehobenen Restaurants; ich weiß gar nicht, ob davon tatsächlich soviel gekauft wird. Als Besonderheit Wurst und Schinken vom regional gezüchteten Duroc-Schwein, dessen Bio-Fleisch auf der Karte eine prominente Stellung einnimmt.
Mir kam der Raum insgesamt etwas unaufgeräumt vor, aber das ist Geschmacksache, 3,5 Sterne.
Das Personal war unterschiedlich drauf: Eine junge Dame, deren Schicht bald darauf endete, blieb kühl bis an den Rand der Genervtheit, was sich nicht besserte, als sie mir ein falsches Getränk brachte. Manche Gäste haben dann ja die Freundlichkeit, das nicht Bestellte trotzdem zu nehmen... Die Ablösung dann genau das Gegenteil: Fröhlich, natürlich und mit Lust am Service. Und schließlich ein Kellner alter Schule, mit Höflichkeit, professionell und auf der Höhe der Karte, der die Stammgäste mit Namen begrüßte und verabschiedete. Auch Chef Heumann fragte nach der Zufriedenheit und schien an ehrlichen Rückmeldungen durchaus interessiert. Das Positive überwog und weil die reine Leistung bis auf den vertauschten Wein fehlerfrei war, freundliche 4 Sterne von mir.
Der Gastraum und die Toiletten sind ebenerdig zugänglich. An der Sauberkeit gab es nichts zu meckern. Der Impfstatus wurde ernsthaft geprüft, Masken vom Personal vernünftig getragen. Es gibt ein Luftfilter-Gerät und die Tische werden nach jedem Gast desinfiziert.
Grund für den guten Besuch könnte zum einen das Mittagsgericht sein, das mit 0,1l Wein oder der doppelten Menge Softdrink 15 Euro kostet. Oder mit einer Vorsuppe und zwei kleinen Desserts im Glas 32,50 Euro. Beides ist angesichts von Menge und Qualität - ich greife vor - ein faires Angebot.
Aber auch meine Frage, ob ich nach Lust und Laune aus dem Speisenangebot aussuchen dürfe, wurde bejaht. Die erste Service-Fee hielt es dabei nicht für erwähnenswert, dass es sich extra um eine Tageskarte handelte. Die allerdings hatte es in sich, als Beispiel hier die letzte des Jahres 2021: https://restaurant-pier6.de/?jet_download=4388 Wo gibt es denn bitteschön mittags eine Käseplatte und gleich noch in zwei Größen?
Wegen des Nachfolgetermins musste ein Glas Riesling-Sekt brut (7,2€/0,1l) aus der Weinkarte mit dem erwartbaren Schwerpunkt auf fränkischen Gewächsen reichen, ergänzt um zwei alkoholfreie Pils (je 3,6€). Ordentlicher Deckungsbeitrag.
Für den ersten Hunger gab es zweierlei eher mittelmäßiges Baguette, serviert im Leinensäckchen mit einer Art Frankfurter Soße. Leichter als der immer seltener anzutreffende Mörtelquark und schön kräuterig.
Ich startete gesundheitsbewusst mit einem Salat, überwiegend Rauke und Ampfer und einigen weiteren Kräutlein, dazu Hornveilchen-Blüten. Ein wenig (hüstel) Beilage durch reichlich à la minute gebratene Entenleber, geschmorte Apfelspalten, die erneut eher auf der süßen Seite waren, was durch das Kürbis-Chutney schön ausbalanciert wurde. Und dann waren da vielleicht noch die klitzekleinen Streifen phantastisch knusprigen Specks... Gemüse und Obst. So wichtig...
Jedenfalls: Für 15,5€ ein erstklassiges kleines Herbstgericht am Tag vor dem Winteranfang.
Die folgende Maronensuppe holte die Kastanien aus dem Feuer bzw. an den Gaumen, trotz reichlich eingesetzter Crème fraîche. Noch eine leichte Textur der leckeren Nüsse erkennbar, so zwischen geschmeidig und erdig-sandig. Geschmacklich recht süß, weil (mir) etwas kontrastierende Säure oder nach hinten raus Schärfe fehlte. Aber das sind ja häufig meine PPP - persönlichen Papillen-Probleme. Sehr gut dagegen die drei Scheiben geräucherte Entenbrust. Zart, eindeutig und vor allem nicht zu salzig. Das ergab schon Sinn in der süßen Suppe. Nur die in der Karte ausgewiesene rote Korallen-Hippe erwies sich als neutrales, fingernagelgroßes Stück auf der Teller-Fahne. In dieser Ausführung entbehrlich. Mit 10,9€ nicht zu teuer bepreist. Später kam Herr Heumann nochmals vorbei und meinte, ein Schuss Orangensaft könnte die Suppe in der Tat vertragen. Kein Widerspruch von mir.
Als Hauptgang hatte ich mir zweierlei Schweinereien gewünscht. Da sich das etwas fett anhörte, sollte der Gaumen erst noch etwas erfrischt werden. Wofür sich die Kugel Blutorangensorbet aus dem Pacojet als ideal entpuppte. Wie der Moskowskaya mit in die Schale kam, bleibt rätselhaft (1,7€ + 3,8€). Positiv zu vermerken ist das Auge für eine hübsches Garnitur. Gerade Wünsche außer der Reihe werden in manchen Küchen eher stiefmütterlich behandelt. Hier lässt das Detail schon auf eine bestimmte Philosophie schließen.
Vom Elmloher Bio-Borstenvieh kam als Tagesangebot Bauch und Rückenstück auf den Teller, und das nicht zu knapp (30€). Letzteres schön gebraten, mit ein paar Salzflocken und leider nicht mehr rosa, aber überwiegend noch saftig. Stets eine enge Kiste, denn natürlich gibt es auch beim hiesigen Publikum die Abneigung gegen nicht durchgebratenes Schweinefleisch. Aber der Speck steuerte ja Fett bei. Bei den Beilagen sowohl Licht als auch Schatten. Mir gefiel der gut gewürzte, auf den Punkt gegarte Kartoffel-Karottenauflauf ausnehmend, auch mit seiner schon arg knusprigen Haube; anderen dürfte das schon deutlich zu keksig geworden sein. Auch die dunkle Sauce sehr schmackig. Das Pürree vom Hokkaido-Kürbis gehörte zu den besseren, weil geschmacklich eindeutigen und mutig gewürzten Vertretern seiner Art. Der wilde Brokkoli schmeckte ganz gut, nur leider war er höchstens lauwarm. Da hat das Timing beim Anrichten nicht gepasst. Aber das sind ja überschaubare Mängel.
Insgesamt ein sehr erfreulicher Abstecher an die Hafenkante, den ich gern mal wiederholen würde, z.B. in netter Gourmet-Begleitung!
Nach Bremerhaven, ich berichtete hier schon, komme ich seit Jahrzehnten nicht mehr so häufig wie in den seligen Kindertagen, als mein alter Herr noch Südfrüchte über den Atlantik schipperte. Damals wurden so etwa im Monatsrhythmus von der Bananenpier neben Vaddern und einem Karton halbreifer Cavendish vor allem eine Menge unverzollter Schnaps abgeholt.
Tempi passati. Für häufigere Besuche gab es auch keine gastronomisch zwingenden Gründe, wie ein Versuch beim Platzhirsch Natuschs Fischereihafenrestaurant mit Kollegen MarcO74 und seiner damaligen Verlobten vor ein paar... mehr lesen
Pier 6 - Meer als gutes Essen
Pier 6 - Meer als gutes Essen€-€€€Restaurant49047148364080Barkhausenstraße 6, 27568 Bremerhaven
4.0 stars -
"Ein Ausflug, der sich lohnt" DerBorgfelderNach Bremerhaven, ich berichtete hier schon, komme ich seit Jahrzehnten nicht mehr so häufig wie in den seligen Kindertagen, als mein alter Herr noch Südfrüchte über den Atlantik schipperte. Damals wurden so etwa im Monatsrhythmus von der Bananenpier neben Vaddern und einem Karton halbreifer Cavendish vor allem eine Menge unverzollter Schnaps abgeholt.
Tempi passati. Für häufigere Besuche gab es auch keine gastronomisch zwingenden Gründe, wie ein Versuch beim Platzhirsch Natuschs Fischereihafenrestaurant mit Kollegen MarcO74 und seiner damaligen Verlobten vor ein paar
Geschrieben am 05.12.2021 2021-12-05| Aktualisiert am
05.12.2021
Besucht am 06.10.2021Besuchszeit: Abendessen 1 Personen
Rechnungsbetrag: 76 EUR
An einem Mittwoch seit längerem mal wieder ohne häusliche Versorgung stellte sich die Frage nach einem angenehmen Mittagessen. Nun, „Testen“ ist ja gerade in aller ... (Warte! Warte! Warte! Gleich kommt‘s!) ... Nasen!!! und so radelte ich zur Überprüfung des sehr guten ersten Eindrucks frohgemut in Richtung Topaz, das nach wie vor nur der Wochenmitte auch den kleinen Hunger zur Mittagszeit stillt. Reserviert hatte ich nicht, aber Chefin Nina war freundlich gestimmt und bot mir nach obligatorischem Impfstatus-Check wieder einen Tisch im schönen Wintergarten an. Man gut, dass ich Punkt 12 Uhr das Lokal enterte, in der nächsten halben Stunde füllte sich das Restaurant bis auf den letzten verordnungsgerechten Platz. Der Innenraum ist inzwischen neu möbliert und auch die Bar schimmert durchaus einladend.
Als mittlerweile Trendsetter des väterlichen Solo-Essens wählte ich des besseren Überblicks wegen drei Vorspeisen und die Tagessuppe. Soviel vorweg: Alles war überlegt, handwerklich top und kreativ - käme jederzeit wieder in meine Auswahl.
Was sich trotzdem so in meinem Kopf während eines Essens abspielt, habe ich nachfolgend mehr als Gedankenprotokoll denn ausgeschriebene Kritik wiedergegeben. Ich hoffe, es gefällt trotzdem. Und eine Entschuldigung an alle, denen dieser Stil nicht zusagt. Es soll nicht zur Gewohnheit werden; ich hatte halt mal Lust es zu beschreiben.
Tatar von der gedämpften Garnele, Mayonaise, Amalfi-Zitrone, Kopfsalat, Cognac, Mandarine, Erdnuss
Gute Entwicklung der Texturen. Auch, nachdem die Erdnuss durch ist, verhindert der Salat, dass es zu matschig wird. (War das Kopfsalat? Fühlte sich eher wie Eisberg an, was hier aus den o.g. Gründen ausnahmsweise Sinn macht.)
Die Mayo verbindet gut, bleibt aber angenehm leicht.
Geschmacklich grundsätzlich ein gute Kombination. Süße/Säure/Salzigkeit. Die Bitternote des Cognacs ist genial!
Leider knockt die an sich geile Amalfi-Zitrone in der dicken Gel-Matte die Garnele völlig aus. Die Säure dominiert viel zu lange das Geschmacksbild, so dass erst nach sehr langem Kauen überhaupt Garnele - immerhin der Hauptdarsteller - erkennbar wird. Unerwünschter Nebeneffekt dabei: Am Ende wird es langweilig, weil es an einer pikanten Komponente fehlt.
Dabei wäre die Säure in dieser Menge gar nicht notwendig: Schmeckt man das Gericht ohne das Gel - frappierend, wie präsent die Garnele sofort ist.
Also weniger/dünnere Matte des Gels oder in wenigen Stücken (damit Säure nur in Spitzen) oder andere Zitrusfrucht (Yuzu?).
Blumenkohl, Trüffel, vegane Rucolacrème, Dukkah, Rote-Bete-Chip
„Kannste so schicken!“ Alle Teile geil und in Summe noch geiler.
Nur ein paar offene Fragen:
Tut dieser Trüffel wirklich was für das Gericht?
Könnte Dukkah etwas prononcierter eingesetzt werden? Die Süße und Süffigkeit des Tellers verträgt meines Erachtens nach kräftigere Würzung.
Sollte da keine kräftigere Textur sein, außer dem Chip (eher Papier), dessen Knusper ja sehr schnell durch ist? Könnte der Blumenkohl in zwei, unterschiedlich festen Texturen präsentiert werden?
Geräucherte Entenbrust,Asiatischer Gurkensalat, Miso, Sesam, Traube
Texturen o.k. Das feste Fleisch hat lange Zeit Mitspieler. Der Knack der diversen und unterschiedlich behandelten Gemüse ist „frisch“.
Erneut wird mit deutlicher Säure (im Salat und zusätzlich in den Tupfen) gearbeitet, die durch die Struktur und mangels deutlich süßer Komponente lange am Gaumen bleibt. Die geräucherte Ente verträgt das aber deutlich besser und ist schnell da und ist gekommen um zu bleiben. Also grundsätzlich ok. Kleines „Problem“: Verjus in Tupfen verteilt die Säure hier sehr unterschiedlich. (Bei der Garnele wär das o.k. gewesen, weil die flächendeckende Säure too much war, hier nicht.) Frage: Ginge ein dünner Strahl aus der Quetschflasche, um alle Stücke gleichmäßig dezent zu benetzen?
Dem Gericht fehlt - für meinen Geschmack - eindeutig eine leichte Schärfe! Das kalte Fett der Ente braucht am Ende Frische, wenn die Säure weg ist.
Hier fragt der Gast: Müssen die Gurkenstücke so grob geschnitten sein? Entweder muss man Ente und Gurke und Beihau auf der Gabel erst balancieren, dann scheitern, dann entnervt alles aufspießen. „All-in“ kann für Gäste mit einem kleineren Mund(werk) schwierig sein, auch wenn es ein „maskulines“ Gericht ist. Aber wenn man versucht zu schneiden, endet es bei der Entenbrust mit kalter Haut in einem unschönen Schlachtfeld auf dem Teller.
Ramen (ohne Foto)
Nichts zu meckern. War, was es sein sollte.
Die Weizennudeln tadellos.
Brühe gut für eine Miso (Ich fahr mehr auf Tonkotsu ab).
Seidentofu ist zwar hochwertig, aber etwas „verschenkt“. Eine gröbere Qualität, vielleicht sogar geräuchert, hätte auch gut gepasst (für mich).
Ansonsten mag ich es mehr, wenn Limette und Kräuter (und Chili) nicht schon in der Suppe schwimmen, sondern à part serviert werden. Aber das ist vielleicht zu Streetfood-style.
Endlich war Schärfe da! Dann allerdings mit drei nicht zerkleinerten Chili-Ringen schon heftig für manche. Für mich hat es gepasst.
Im Glas:
Presidential White Port, Côte du Rhône Blanc von Guigal, Störtebecker Freibier, Bad Pyrmonter
An einem Mittwoch seit längerem mal wieder ohne häusliche Versorgung stellte sich die Frage nach einem angenehmen Mittagessen. Nun, „Testen“ ist ja gerade in aller ... (Warte! Warte! Warte! Gleich kommt‘s!) ... Nasen!!! und so radelte ich zur Überprüfung des sehr guten ersten Eindrucks frohgemut in Richtung Topaz, das nach wie vor nur der Wochenmitte auch den kleinen Hunger zur Mittagszeit stillt. Reserviert hatte ich nicht, aber Chefin Nina war freundlich gestimmt und bot mir nach obligatorischem Impfstatus-Check wieder einen... mehr lesen
Restaurant Topaz
Restaurant Topaz€-€€€Restaurant042177625Horner Straße 90, 28203 Bremen
4.5 stars -
"Testergebnis: Alles bestens!" DerBorgfelderAn einem Mittwoch seit längerem mal wieder ohne häusliche Versorgung stellte sich die Frage nach einem angenehmen Mittagessen. Nun, „Testen“ ist ja gerade in aller ... (Warte! Warte! Warte! Gleich kommt‘s!) ... Nasen!!! und so radelte ich zur Überprüfung des sehr guten ersten Eindrucks frohgemut in Richtung Topaz, das nach wie vor nur der Wochenmitte auch den kleinen Hunger zur Mittagszeit stillt. Reserviert hatte ich nicht, aber Chefin Nina war freundlich gestimmt und bot mir nach obligatorischem Impfstatus-Check wieder einen
Geschrieben am 02.12.2021 2021-12-02| Aktualisiert am
05.12.2021
Kaum war der Gedanke geboren, im nächsten Sommer endlich im schönen Garten tafeln zu können, ist das Jan Tabac auch schon Geschichte. Inhaberin Ekaterina Vahlenkamp hatte sich nach eigenen Angaben von den in der ganzen Branche (und nicht nur der) bekannten Personalproblemen zermürbt, zurückgezogen, aber noch einige Wochen im Netz eine Nachfolgeregelung angekündigt. Davon ist nun keine Rede mehr; die Homepage wird „überarbeitet“ und auch der Chefkoch soll den Gerüchten nach die Stadt fluchtartig verlassen haben. Aber lassen wir die Räuberpistolen und hoffen, dass das Kleinod über dem Fluss wiederersteht. Bis dahin gilt: Leider geschlossen.
Kaum war der Gedanke geboren, im nächsten Sommer endlich im schönen Garten tafeln zu können, ist das Jan Tabac auch schon Geschichte. Inhaberin Ekaterina Vahlenkamp hatte sich nach eigenen Angaben von den in der ganzen Branche (und nicht nur der) bekannten Personalproblemen zermürbt, zurückgezogen, aber noch einige Wochen im Netz eine Nachfolgeregelung angekündigt. Davon ist nun keine Rede mehr; die Homepage wird „überarbeitet“ und auch der Chefkoch soll den Gerüchten nach die Stadt fluchtartig verlassen haben. Aber lassen wir die Räuberpistolen und hoffen, dass das Kleinod über dem Fluss wiederersteht. Bis dahin gilt: Leider geschlossen.
Jan Tabac
Jan Tabac€-€€€Restaurant0421 6989-1130Weserstraße 93, 28757 Bremen
stars -
"Wie gewonnen..." DerBorgfelderKaum war der Gedanke geboren, im nächsten Sommer endlich im schönen Garten tafeln zu können, ist das Jan Tabac auch schon Geschichte. Inhaberin Ekaterina Vahlenkamp hatte sich nach eigenen Angaben von den in der ganzen Branche (und nicht nur der) bekannten Personalproblemen zermürbt, zurückgezogen, aber noch einige Wochen im Netz eine Nachfolgeregelung angekündigt. Davon ist nun keine Rede mehr; die Homepage wird „überarbeitet“ und auch der Chefkoch soll den Gerüchten nach die Stadt fluchtartig verlassen haben. Aber lassen wir die
Geschrieben am 26.11.2021 2021-11-26| Aktualisiert am
26.11.2021
Besucht am 09.11.2021Besuchszeit: Mittagessen 1 Personen
Rechnungsbetrag: 21 EUR
Allzu gerne wäre ich schon früher wieder in dieses kleine, unkomplizierte Lokal eingekehrt, in dem Chef Mika Drouin mit nur wenig personeller Unterstützung unter der Woche nach Izakaya-Art eine ganze Reihe mehr oder weniger kleine japanische Snacks und Mahlzeiten anbietet. Aber entweder war mein Leib-Restaurant Weinhaus Uhle aus unterschiedlichen Gründen genussvolle „Pflicht“, oder ich war am Sonntag oder Montag in der Stadt. Und damit zu den Schließtagen des Cube. Meine Meinung, dass man auch ordentlichen Umsatz machen könne, wenn man als einziges gehobenes Lokal am Montag öffne, widersprach die junge Dame im Service zwar nicht. Aber dem Chef sei es eben wichtig, dass das Team zwei Tage am Stück zum Regenerieren bekomme. Das ist für den Genießer schade, aber vermutlich der genau richtige Weg, gute Leute in die Gastro zu bekommen und dort auch mit Freude und Motivation zu halten. Stichwort gute Leute: Die Servicefee erkannte mich nach der Demaskierung wieder und agierte wie schon bei meinem ersten Besuch zurückhaltend, aber sehr nett und vor allem auch kompetent, was die Gerichte der kleinen Karte anging. Ich wurde am Tresen platziert; ein Segen für den Einzelgast, da es hier interessante Einblick in die Küche gibt und ab und zu ein freundliches Wort mit dem Personal.
Ich verschmähte das Mittagsmenü - drei Gänge mit einem kleinen Rinderfilet, alles in guter Qualität und im Haus handwerklich hergestellt, was den Komplettpreis von 19,90 Euro günstig werden lässt - und wählte vielmehr wieder drei kleine, noch nicht probierte Gerichte, die allesamt überzeugten. Einzig die hohe Taktung, in der serviert wurde, empfand ich erneut als suboptimal. Am Abend mit voller Belegung kann ich das bei so einer (fast) One-man-show in der Küche völlig nachvollziehen. Aber wenn nur drei Tische besetzt sind, wäre ein entspannteres Essen sicher möglich gewesen. Indes, ein kleines Manko und auch verschmerzbar, wurde halt ein wenig gestopft. Lieber Majonäse im Gesicht, als Heißes kalt oder - Bewahre! - Krosses weich werden zu lassen!
Los ging es klassisch mit einer „Cube *Tokyo Style* Suppe“ für schmale 4,9€.
Das war eine kräftig gekochte Hühnerbrühe mit schön schmackigem Fettfilm, dazu Yakisoba, die dünnen Buchweizennudeln. Reichlich Einlage von Shitake über Gemüse (Pak Choi?) bis zu pochiertem Ei, das nach dem Verquirlen für zusätzliche leckere Bindung sorgt. Geht nicht besser.
Nächster Teller ein nur scheinbar einfaches Wok-Gemüse (5,9€), das so heiß, frisch, knackig, voller Produktgeschmack und vor allem mit Kräutern und Gewürzen raffiniert aufgepeppt war, dass ich mit wachsender Begeisterung den verschiedensten Aromen nachschmeckte! Ebenfalls sehr positiv empfand ich die Verwendung tatsächlich saisonaler Gemüse, Wurzeln und Pilze, denn am Vortag war ich doch sehr verwundert, als ich in Uhles Bistro unter gleicher Überschrift noch Tomaten erhielt.
Leider war ich erst zur Hälfte durch, als dieses Prachtstück von Katsu-Sando serviert wurde, also Schnitzel-Sandwich (6,9€).
Und ja, es war genauso lecker: Der Toast ebenso knusprig wie die Panko-Panade, die ein unglaublich saftiges Hähnchenbrustfilet umhüllte. Majonäse und eine zusätzlich Sauce hatten scharfe (Ingwer?) und fruchtig-frische (Yuzu?) Nuancen und die frittierten Zwiebeln sorgten für Crunch, so wie Lauchgrün und Radieschen für Frische.
Ein alkoholfreies Pils (3,2€) rundete diesen höchst erfreulichen Lunch ab.
Tolles Konzept, toll umgesetzt - immer wieder gern und mit wachsender Begeisterung.
Allzu gerne wäre ich schon früher wieder in dieses kleine, unkomplizierte Lokal eingekehrt, in dem Chef Mika Drouin mit nur wenig personeller Unterstützung unter der Woche nach Izakaya-Art eine ganze Reihe mehr oder weniger kleine japanische Snacks und Mahlzeiten anbietet. Aber entweder war mein Leib-Restaurant Weinhaus Uhle aus unterschiedlichen Gründen genussvolle „Pflicht“, oder ich war am Sonntag oder Montag in der Stadt. Und damit zu den Schließtagen des Cube. Meine Meinung, dass man auch ordentlichen Umsatz machen könne, wenn man... mehr lesen
Restaurant Cube by Mika
Restaurant Cube by Mika€-€€€Restaurant, Loungebar038577887706Domhof 6, 19055 Schwerin
4.5 stars -
"Den guten ersten Eindruck voll bestätigt" DerBorgfelderAllzu gerne wäre ich schon früher wieder in dieses kleine, unkomplizierte Lokal eingekehrt, in dem Chef Mika Drouin mit nur wenig personeller Unterstützung unter der Woche nach Izakaya-Art eine ganze Reihe mehr oder weniger kleine japanische Snacks und Mahlzeiten anbietet. Aber entweder war mein Leib-Restaurant Weinhaus Uhle aus unterschiedlichen Gründen genussvolle „Pflicht“, oder ich war am Sonntag oder Montag in der Stadt. Und damit zu den Schließtagen des Cube. Meine Meinung, dass man auch ordentlichen Umsatz machen könne, wenn man
Geschrieben am 24.10.2021 2021-10-24| Aktualisiert am
02.12.2021
Besucht am 26.06.2021Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 371 EUR
Jetzt auch mal von mir eine historisch-geografische Einleitung. (Kann natürlich übersprungen werden; dient nur der Erläuterung der Überschrift.)
Also:
Das kleinste Bundesland der Bundesrepublik Deutschland heißt offiziell Freie Hansestadt Bremen und besteht aus zwei Städten, Bremen und Bremerhaven. Soweit vermutlich bekannt. Als die Bremer 1827 vom Königreich Hannover Land an der Wesermündung kauften und dort in den Folgejahren ihren „Haven“ bauten, war das allerdings keine Premiere. Denn das Problem der Versandung der Unterweser, durch die keine Seeschiffe mehr bis nach Bremen kamen, gab es schon seit Jahrhunderten (und wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts durch die Begradigung und Vertiefung des Flusses mit inzwischen kritisch gesehenen Folgen für Ökologie und Deichschutz gelöst). Daher war schon ab 1618 etwa 25 Kilometer flussabwärts der Innenstadt der erste künstliche Hafen Deutschlands beim Dorf Vegesack angelegt worden. Die Namensherkunft ist nicht völlig geklärt; am hübschesten die Legende, dass sich schnell ansiedelnde Gastwirte mit ihren Angeboten sowie sonstige Dienste, die die Seeleute monatelang vermisst hatten, diesen den (Geld-)Sack wahrlich leer gefegt haben...
Über die Jahrhunderte wuchs die Einwohnerzahl in Vegesack und den benachbarten, teilweise industriell geprägten Stadtteilen auf über 100.000, so dass inzwischen die Schwelle zu einer Großstadt erreicht wäre. Das drückt sich in der Infrastruktur aus, mit eigenen Gymnasien, eigenem Amtsgericht, einer Kfz-Zulassungsstelle (mit für Eingeweihte erkennbarer eigener Kennzeichen-Kombination) und Stadtautobahn. Alles auch Ausdruck und Folge des durchaus vorhandenen Bewusstseins der Eigenständigkeit. Vermutlich gibt es ähnliche Verhältnisse in vielen Städten; von Saarbrücken werden wir sicher lesen;-)
Andererseits ist für die meisten Menschen in Bremen-„Stadt“ das Gebiet nördlich der Lesum (von der Quelle aus gemessen der drittlängste Nebenfluss der Weser) ziemliche terra incognita. Ich gestehe, dass dies bei uns nicht anders ist - Besuche waren in der Vergangenheit selten. Das gilt auch für die Gastronomie; erst recht, seit mit der Strandlust ein beliebtes Ausflugsziel am Fähranleger geschlossen ist. Ist das Angebot in der Stadt schon recht überschaubar, so schienen mir - trotz der wiederholten Berichte von Kritikerkollegen Hanseat1957 - kaum kulinarische Gründe für einen Abstecher in den Norden zu bestehen. Vielleicht mit Ausnahme des Kränholm, nachdem dort scheinbar wieder Kontinuität eingekehrt ist.
Allein das Jan Tabac war mir schon mehrfach bei Instagram durch ambitionierte Küche aufgefallen, die so gar nicht zu dem eher altbackenen Namen passen wollte. Und da wir nach dem Ende der zweiten Restaurantschließung schon die Stammlokale „durch“ hatten, machten wir uns an einem frühen Mittwochabend alkoholverzehrfreundlich per Regionalexpress ins Unbekannte auf!
Hier geht’s los:
Unser Plan war, zunächst einen ausgedehnten Bummel durch die Vegesacker Fußgängerzone und die Weserstraße zu machen. Dort hoch über dem Fluss und dem Stadtgarten und mit einer schönen Aussicht über das gegenüber liegende Oldenburger Land ist nämlich nicht nur das Jan Tabac zuhause, sondern stehen auch etliche denkmalgeschützte Häuser, die sich Reeder, Werftbesitzer und ihre erfolgreichen Kapitäne gebaut haben.
Aber wir reden vom Sommer 2021 und so stiegen wir just aus dem Zug, als es zu regnen anfing. Und auch nicht aufhörte. So mutierte unser Bummel zu einem Sprint von Markise zu Markise, bis wir endlich in einem Bekleidungsfilialist einen Regenschirm ausleihen konnten.
Kein Wunder also, dass wir pünktlich zur Öffnung die Gaststube stürmten, der man noch die ursprüngliche Bestimmung als Kneipe ansieht. Der Tresen an der einen Seite des schmalen Raumes wurde um eine offene Küche verlängert. Auf der anderen Seite des Mittelgangs schmiegen sich leicht erhöht mehrere Tische an der Wand entlang. Es dominieren dunkles Holz, rotes, schon reichlich mitgenommenes Leder und kräftig karmesinrote Wände. Rustikal, urig, aber ohne Trutschigkeit, wofür auch neue Lampen sorgen. Besonders schön das Ständerwerk des alten Hauses und die Worpsweder Stühle, deren geflochtene Sitzfläche bequemer war als erwartet.
Im hinteren Teil öffnet sich der Raum, am größten Tisch saß noch ein Küchenmitarbeiter und putzte stöhnend "die kleinsten Pfifferlinge der Welt". Später half ihm der junge Chefkoch, der uns schon beim Ankommen freundlich begrüßt hatte. Es stellte sich heraus, dass er im Canova gelernt hat.
Durch das großes Fenster geht der Blick in das "Prunkstück", den schmalen, langen Garten, der in Richtung Fluss sanft abfällt. Wir hätten auch draußen sitzen können, aber wir trauten dem Wetter nicht so recht, obwohl es aufgehört hatte zu regnen. Gute Entscheidung. Von unserem Tisch neben der Terrassentür konnten wir das Sammeln unter den großen Schirmen gut beobachten, immer wenn der nächste Schauer kam. Nach drinnen konnte niemand ausweichen, denn das Jan Tabac war ausreserviert, was die Leistung der beiden Küchenmatadore noch beeindruckender machte.
Inhaberin Ekaterina „Katja“ Vahlenkamp nahm in einem raffinierten Kleid diese Beschwerlichkeiten stoisch und mit gleichbleibender Freundlichkeit hin. Einen so engagierten, tadellosen, immer an den Wünschen der Gäste orientierten Service hat man auch nicht alle Tage. Vielen Dank! Zumal wir der kundigen Weinberatung eine wunderbare alkoholische Neuentdeckung verdanken. Tokaji Eszencia hat wenig mit dem üblichen weltbekannten ungarischen Süßwein zu tun. Deutlich sind salzig-karamellige Töne, die eher an Manzanilla erinnern. Sehr lecker, sehr teuer. Die 15€ für das großzügig eingeschenkte Gläschen des 2000er Jahrgangs waren angesichts der Flaschenpreise im Netz sogar noch ein Schnäppchen. Gern noch eine zweite Runde! Natürlich stehen solche Exoten nicht auf der kleinen, ganz klar auf Qualität ausgerichteten Weinkarte, von der wir natürlich Wasser und zunächst eine 1/2 Flasche Champagner von Drappier wählten, dann ein Großes Gewächs von Dr. Loosen und zum „Vegesack Dessert Massacre“ das eine oder andere Gläschen flüssigen Süßkram (Mosel Auslese, Sauternes, Tawny Port). Hach, das war ein lustiger Abend, perfekt orchestriert durch die leise „dramatische“ Hintergrundmusik, die zwischen Spanien und Russland, Willliams und Tschaikowsky changierte.
Bei knusprigem Olivenbaguette, Olivenöl und Fleur de Sel freuten wir uns über die Karte des Jan Tabac, die aus der personellen und räumlichen Not eine Tugend macht: 2 Vorspeisen, 2 Zwischengänge, 2 Desserts und - schön, schön - eine Käseauswahl. Als Hauptgang war ganz konsequent Sommergemüse mit Thymiankartoffeln und Pfifferlingsrahm gesetzt, das je nach Gusto solo verzehrt oder mit geräuchertem Tofu bzw. Steinbutt bzw. Rinderfilet kombiniert werden konnte.
Die Preise zwischen 13 und 46 Euro, dafür gab es Portionen für, ich sag mal, „normale“ Esser. Angesichts der sehr guten Qualitäten ist das für mich ein gutes PLV.
Die Gesamtkasse verteilten wir je zur Hälfte auf festen und flüssigen Luxus.
Zu Beginn ließen wir unisono das Rind Tatar sein und starteten ganz sommerlich mit einer mittelcremigen Burrata, die nicht mit der üblichen Tomate, sondern reifer Avocado süffig kombiniert wurde. Ein Brotchip knusperte. Rohe Gurkenstifte und Kräuter, Limette und Pepperoni verstärkten die frische „grüne“ Idee. Mir hätte das prägnanter sein können, um die relative Fettigkeit des Ganges abzupuffern, aber gegenüber wurde heftig widersprochen.
Beim Zwischengericht führte der kulinarische Weg meiner Frau vom Ganges (!) an den Guadalquivir. Ihre Gazpacho war allerdings Nebensache angesichts der wunderbaren Wildfanggarnele mit Tomaten-Basilikum-Crostini.
Für mich ging es mit dem Satee-Spieß vom Kikok-Hahn an den Kapuas - Wer kennt ihn nicht (der Google hat), den längsten Fluss Indonesiens? Die reichliche Erdnusscrème und Cashewbruch passten ebenso gut dazu wie Koriandergrün und -Honig sowie pikant eingelegte, knackige Bambussprösslinge. Hier wetteiferten süße und scharfe Noten ebenso schön miteinander wie die Texturen. Allein das wieder mal sehr durchgebratene und tatsächlich zur Trockenheit tendierende Geflügelfleisch trübte den Genuss ein wenig.
Man ahnt es - vor dem Hautgang konnte ich mir nicht verkneifen, nach einer „Erfrischung“ zu fragen. Allerdings nur, weil die Dessertkarte Sorbets versprach.
Auch diesen Wunsch erfüllte Chef Nico vorbildlich: Holundersorbet und -Schaum von selbst in der Stadt gesammelten Blüten.
Ich hatte mich beim Hauptgang für ein Rinderfilet entschieden, da ich Steinbutt - der meiner Liebsten ausgezeichnet schmeckte - erst wenige Tage vorher hatte.
Ich stimme durchaus zu, dass es hierzulande und nicht nur in Keeken und St. Arnual hervorragende Rindfleisch-Qualitäten gibt. Aber es wird halt das gegessen, was auf den Tisch kommt (oder eben etwas anderes gewählt). In diesem Fall geschmacklich überraschend starke grasgefütterte Weideland-Ware aus Neuseeland, mit kräftiger Kruste, zart im Biss und perfekt medium-rare.
Mit gleichem Niveau überraschten die Sommergemüse Erbsen, Karotten, Blumenkohl, Brokkoli, grüner Spargel und der Mais, der in Körnern und Minikölbchen serviert wurden. Das war mit Kerbel versehen, frisch - wer wollte, konnte einen Spritzer Zitrone zufügen - voll authentischem Geschmack und hatte wenig mit den TK-Mischungen zu tun, die mal besser, mal unterirdisch zubereitet viel zu oft auch im Sommer auf deutsche Teller kommen. Die eben noch am Beginn der Zubereitung gesehenen, in der Tat sehr kleinen Pfifferlinge hatten die Mühe gelohnt. Die Pilze wurden in einer nicht zu schweren Rahmsoße gebadet und hatten ebenfalls viel Geschmack, so dass es der (wie ich finde etwas unschön aufgeklecksten) Nage nicht bedurft hätte. Allerdings konnten so die eher unauffälligen Thymian-Kartoffeln sehr gewinnbringend für Aufwischarbeiten eingesetzt werden.
Ein klassisches Gericht, handwerklich tadellos umgesetzt, mit erstklassigen Produkten. Es ist, auch für mich, nicht immer „kreative Küche“, die dem Gast ein glückseliges Lächeln ins Gesicht zaubert.
Beim Süßen Fan ist man da mit gut gemachten Desserts auf der sicheren Seite. Problem ist meist, dass sich fast alles verlockend liest, im Jan Tabac einerseits Holunder-Variationen mit frischem Yuzu-Sorbet und Zitrone und andererseits fruchtiges Erdbeeren-Rhabarber Sorbet mit angewärmten Cheesecake.
Aber es war halt einer „dieser“ Tage und so wurde einfach beides bestellt!
Während sich gegenüber die „Ahs“ und „Ohs“ abwechselten, um in ein „Hmmmm“ überzugehen, konnte ich der Käseplatte nicht widerstehen. Und, weil an diesem Abend Schlemmen angesagt war, in der großen Ausführung. ... Natürlich;-)
Dabei waren von der Kuh Munster, Fourme d‘Ambert, Chaource, Brillat Savarin, Reblochon, Laguiole, aus Schafsmilch Mathais und Selles sur Cher. Man ahnt schon: Ich fühlte mich wie Borgfelder in Frankreich, was nicht verwunderlich war, denn die Käse werden über Rungis Express bezogen. Perfekte Reife bei allen!
Der krönende Abschluss unseres wirklich phantastischen Ausflugs in die unendlichen Weiten des (Bremer) Nordens!
Jetzt auch mal von mir eine historisch-geografische Einleitung. (Kann natürlich übersprungen werden; dient nur der Erläuterung der Überschrift.)
Also:
Das kleinste Bundesland der Bundesrepublik Deutschland heißt offiziell Freie Hansestadt Bremen und besteht aus zwei Städten, Bremen und Bremerhaven. Soweit vermutlich bekannt. Als die Bremer 1827 vom Königreich Hannover Land an der Wesermündung kauften und dort in den Folgejahren ihren „Haven“ bauten, war das allerdings keine Premiere. Denn das Problem der Versandung der Unterweser, durch die keine Seeschiffe mehr bis nach Bremen... mehr lesen
Jan Tabac
Jan Tabac€-€€€Restaurant0421 6989-1130Weserstraße 93, 28757 Bremen
4.5 stars -
"Tolle Neuentdeckung - jedenfalls für uns" DerBorgfelderJetzt auch mal von mir eine historisch-geografische Einleitung. (Kann natürlich übersprungen werden; dient nur der Erläuterung der Überschrift.)
Also:
Das kleinste Bundesland der Bundesrepublik Deutschland heißt offiziell Freie Hansestadt Bremen und besteht aus zwei Städten, Bremen und Bremerhaven. Soweit vermutlich bekannt. Als die Bremer 1827 vom Königreich Hannover Land an der Wesermündung kauften und dort in den Folgejahren ihren „Haven“ bauten, war das allerdings keine Premiere. Denn das Problem der Versandung der Unterweser, durch die keine Seeschiffe mehr bis nach Bremen
Geschrieben am 21.10.2021 2021-10-21| Aktualisiert am
23.10.2021
Zum 30.11. schließen Sebastian Hadrys und Partnerin Jenny Ebeling das Restaurant. Grund ist der Personalmangel, vor allem im ausgebildeten Service, der das gewollte Niveau nicht mehr möglich sein lässt, selbst nicht bei nur 3 Servicetagen. Die Gästezahl, die man braucht um wirtschaftlich zu sein, ist mit den wenigen Kräften nicht zu stemmen. Zukünftig konzentriert man sich auf Catering, Veranstaltungen und Private Cooking. Ab April kommt vielleicht wieder ein kleines „Montagsbistro“ dazu.
Sehr bedauerlich, das Hadrys war für mich das erste Fine Dining Restaurant, das ich in in Magdeburg besuchte.
Zum 30.11. schließen Sebastian Hadrys und Partnerin Jenny Ebeling das Restaurant. Grund ist der Personalmangel, vor allem im ausgebildeten Service, der das gewollte Niveau nicht mehr möglich sein lässt, selbst nicht bei nur 3 Servicetagen. Die Gästezahl, die man braucht um wirtschaftlich zu sein, ist mit den wenigen Kräften nicht zu stemmen. Zukünftig konzentriert man sich auf Catering, Veranstaltungen und Private Cooking. Ab April kommt vielleicht wieder ein kleines „Montagsbistro“ dazu.
Sehr bedauerlich, das Hadrys war für mich das erste Fine Dining Restaurant, das ich in in Magdeburg besuchte.
Restaurant Landhaus Hadrys
Restaurant Landhaus Hadrys€-€€€Restaurant, Gasthaus03916626680An der Halberstädter Chaussee 1, 39116 Magdeburg
5.0 stars -
"Nächster Tiefschlag" DerBorgfelderZum 30.11. schließen Sebastian Hadrys und Partnerin Jenny Ebeling das Restaurant. Grund ist der Personalmangel, vor allem im ausgebildeten Service, der das gewollte Niveau nicht mehr möglich sein lässt, selbst nicht bei nur 3 Servicetagen. Die Gästezahl, die man braucht um wirtschaftlich zu sein, ist mit den wenigen Kräften nicht zu stemmen. Zukünftig konzentriert man sich auf Catering, Veranstaltungen und Private Cooking. Ab April kommt vielleicht wieder ein kleines „Montagsbistro“ dazu.
Sehr bedauerlich, das Hadrys war für mich das erste Fine
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