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Die persönliche Abholung auf dem Parkplatz? Die vorgeschnittenen Ananas-Stücke auf dem opulenten Obstkorb im Zimmer? Die Fingerschale daneben? Eis und geviertelte frische Zitronenscheiben in der Zimmerbar? Die Wachteleier auf dem Frühstücksbuffet? Klar, alles das auch. Aber für mich war es der Anruf um 5:30 Uhr des Abreisetages: "Guten Morgen Herr Bo., Sie wollten geweckt werden. Dürfen wir Ihnen schon eine Tasse Kaffee auf das Zimmer bringen?" Dominic Strauß-Borgfelder wollte zwar lieber ungestört unter die Dusche, aber das Besondere des Hauses wurde sehr deutlich: Ein ausgeprägter Wille, dem Gast einen möglichst angenehmen Aufenthalt zu bescheren. Das stete Vorausdenken, was für ihn hilfreich sein könnte. Die ungekünstelte, zugewandte Höflichkeit fernab von Marketingphrasen, die eine persönliche Nähe schafft.
Von der telefonischen Buchung, bei der man versicherte, selbstverständlich werde man auch eine Stunde vor der vorgesehenen Zeit ein Frühstück für mich zubereiten, bis zum vom Hotel organisierten Transfer zum Flughafen war es ein wunderbarer Aufenthalt!
Nachdem meine letzten Übernachtungen in Saarbrücken allesamt ganz oder teilweise unbefriedigend geblieben waren, reservierte ich auf eine Empfehlung im nach der Eigenwerbung kleinsten 5-Sterne-Hotel Deutschlands. 5 Zimmer und 2 Suiten lassen diesen "Supralativ" nicht unmöglich erscheinen. Die ehemalige Großbürgervilla in der Klein- Pardon! Kreisstadt zwischen Bad Homburg und der Kapitale wurde vor gut einem Jahr von einem privaten Investor erworben, der im unveränderten Zuschnitt des Inneren Zimmer, das zu besuchende Restaurant, einen Fitnessraum nebst Sauna und ein beeindruckendes Foyer einrichten ließ. Über Geschmack lässt sich nicht streiten, zwischen Empire und "barock" im übertragenen Sinne, viel Gold und Weiß im Eingangsbereich, die Zimmer jeweils in einem Farbton gehalten. Statt des puristischen schwarzen erhielt ich ein kostenfreies Upgrade ins blaue. Hier mehr verspieltes Rokoko. Die Ausstattung ist keine Luxusware, das muss man deutlich sagen, im Gegenteil, plötzlich hielt ich den Schuhanzieher von IKEA in der Hand (Schau an, den gibt's auch in schwarz?). Entscheidend für mich ist bei Preisen, für die es in Berlin etc. die sterile "Gastlichkeit" eines Kettenhotels in Bahnhofnähe gäbe, aber eines: Alles ist neu, in angemessener Qualität und vor allem stimmig umgesetzt. Ein Ort zum Wohlfühlen. Das Innere wird durch eine Terrasse und einen gepflegten überschaubaren Garten ergänzt, der zu einem kleinen künstlichen Wasserlauf führt. Eine Brücke führt zu einer Miniatur-Insel einschl. Pavillon. Hier ist auf engstem Raum ein erstaunliches Programm verwirklicht. So eng, dass die Bar in einem weißen Extra-Türmchen an der Vorderseite des Grundstücks ausgelagert ist. Eine (gar gewollte?) ironische Referenz an die SkyBars dieser Welt?
Habe ich es schon geschrieben?
Der Besuch lohnt, für Geschäftsreisende, die der Plastik-Gastlichkeit entfliehen wollen, aber besonders für eine Auszeit zu zweit!
Genug der kurzen Vorrede.
Bei der Ankunft werde ich nochmals gefragt, ob ich im Restaurant speisen möchte. Bei der Buchung musste ich wegen der ungewissen Dauer der beruflichen Pflichten (lästig, lästig) noch verneinen. Umso lieber jetzt eine Zusage, hatte ich doch mit wachsender Vorfreude in der Internet-Karte gestöbert. Diese ließ eine ambitionierte, aber von der cucina povre inspirierte Küche erwarten, spannend. Beim Eintreffen wurde ich freundlich von Frau Jessica Schwarz begrüßt, die mich durch den Abend und erfreulicherweise auch wieder beim Frühstück begleitete. Ob Frau Schwarz in dem durchgängig jungen, bei meinem Aufenthalt komplett weiblichen Team schon als Chef de Rang fungiert, blieb offen. Das Zeug dazu hätte sie jedenfalls. Professionell tadellos bei allen Aufgaben am Tisch, sympathisch und trotz einer charmanten Aufgeregtheit mit klaren Empfehlungen. Allein bei den begleitenden Weinen wurde sie etwas durch das sehr beschränkte Angebot an offenen ausgebremst. Hier sollte das Almarin die Auswahl nachbessern, es standen durchaus geeignetere Flaschen auf der Karte. Wechselwünsche wurden indes nach Kräften erfüllt, was auch für das Menü - Bestandteile wie Reihenfolge - galt. Hier fungierte Frau Schwarz erfolgreich als "Dolmetscherin" der Gästewünsche; auch wörtlich, da in der Küche nur italienisch und englisch gesprochen wurde. Eine durchweg überzeugende Serviceleistung, die - soviel vorweg - der kulinarischen ebenbürtig war.
Der ehemalige Wintergarten der Villa mit großen Fensterfronten ist innenarchitektonisch zum Thema Wald und Jagd gestylt. Das eine Trockengeäst und das andere Geweih ward schon einmal gesehen, ebenso wie die sehr bequemen Sessel mit Wildlederbezug. Erfreulicherweise wurde aber ebenso auf volkstümelnde Jägerromantik verzichtet, wie auf selbstironische Plastikgeweihe in pink und lila oder Blingbling-Talmi-Hirsche. Der Holzfußboden hätte vielleicht etwas rustikaler ausfallen können. Zusammen mit dem angenehm warmen, aber ausreichend hellen Licht, entsteht eine Wohlfühlatmosphäre, in der ich mich vom Eintreten bis zum sorgfältig den gerade Gang vortäuschenden Verlassen "zuhause" gefühlt habe. Das ist zwar kein großes Design-Kino, aber ehrlich, mit Verstand ausgesucht und - wie das ganze Haus - stimmig. Alles andere ist Geschmacksache. In dem fast quadratischen Raum waren die Massivholztische mit einem breiten, etwas gröberen Läufer bedeckt und eingedeckt. Das schwere Besteck war mit den Initialen des Hauses graviert. Die weitere Tischdeko war sparsam, kein Overkill. Die Wassergläser mit rundem Boden, das ist Spielerei, kann man mögen. Der Abstand der Tische nicht riesig, er wäre aber auch bei größerer Auslastung noch angemessen gewesen. Tatsächlich speisten am Abend zum einen noch ein schwäbisches (Berufs?-)Paar, das ein Extralob verdient, da der Herr zum Telefonieren den Raum verließ. Das ist auch in gehobenen Häusern keineswegs mehr selbstverständlich, wie mir vor ein paar Wochen im Dortmunder Kikillus gleich zwei Herren vorführten. Und zum anderen ein russisch sprechendes Paar, das auf englisch bestellte. Der Herr mit den mittelasiatisch anmutenden Gesichtszügen wünschte mir beim Gehen noch einen guten Appetit, angenehm. Später verriet mir Frau Schwarz, dass es sich um den Inhaber gehandelt habe, der mich nicht ansprechen wollte. Freundlich, aber schade, denn ich hätte ihm gern zu seinem Haus gratuliert.
Als erster Gast konnte ich einen schönen Eckplatz wählen. Die Sessel waren für meine Größe zu niedrig, aber sofort wurde ein Kissen geholt. Muss man erwähnen, dass zum Frühstück genau dieser Platz für mich eingedeckt war und zwar einschließlich Kissen? Ich finde, ja.
War noch was? Das Essen? Perfekt.
Oder doch ein wenig ausführlicher:
Der Abend begann mit einem Schreckmoment, denn die Karte informierte, dass das große Menü nur mit zwei Tagen Vorbestellung verfügbar sei. Das Internet enthielt diese Information nicht, so dass beim ersten Besuch eigentlich das Menü wegfallen müsste. Vielleicht muss sich der Gast erst qualifizieren? ;-) Es stellte sich glücklicherweise heraus, dass die Vorankündigung nur für das marinierte Filetsteak notwendig war. Ein digitaler Hinweis wäre trotzdem nützlich.
Die hochwertigen Karten haben eine angenehme Größe und werden mit festem, farbigen Textileinband präsentiert. Einfach schön für Hand und Auge. Neben den drei Karten für Speisen, Wein und sonstige Getränke wurde schließlich in abweichender Aufmachung noch eine Wasserkarte vorgelegt, die nach meiner Erinnerung 12 oder mehr Positionen enthielt.
Die Auswahl nahm dann geraume Zeit in Anspruch. Auch wenn ich nicht zu den Champagner-aficionados/das gehöre, wie manche hier (Gruß u. a. an Leine und Spree!), kam hier doch nur ein Glas in Frage. Première Cuvée Brut von Bruno Paillard stand offen zur Verfügung
Los ging es jedoch mit der ersten kleinen Entdeckung, handgefertigtem pan carasau sardo. Dünner Hefeteig wird zu kleinen spitzen Röhrchen gerollt und knusprig im Ofen gebacken. Hübsch anzusehen, Handarbeit und mit einem gar nicht fadem Teig eine nette sardische Knabberei.
An diese Stelle erhielt ich auch die Information, dass der Koch Sarde sei und seine letzte berufliche Station vor dem Saarland am persischen Golf gewesen war. Ich verkneife mir saardistische Wortspiele. Ups...
Weiteres selbst gebackenes Ciabatta wurde gereicht, wovon mir insbesondere die Variante mit Basilikum und Speck gefiel. Dazu zweierlei Butter mit Trüffel und mit Rauchsalz.
Als nächstes Amuse kam ein Hummercappucino, der seinen Namen völlig zurecht trug, denn die italienische Spezialität bezeichnet ja genau genommen die Milchschaumhaube. So auch hier ein fester, bräunlicher, überraschend stark nach Milch schmeckender Schaum, der dann am Gaumen ein deutliches Hummeraroma preisgab. Abgerundet mit etwas grobem Pfeffer. Ich war so zufrieden, dass ich beinahe das Foto vergessen hätte. Die Präsentation war wesentlich gelungener als der abgelichtete kümmerliche Rest.
Das Menü begann mit Scheiben vom scheinbar doch vorbereiteten, in Rotwein marinierten Rinderfilet unter einem Wäldchen von Wildkräutern, begleitet von einer samtigen, nicht sandigen Parmesancreme. Darüber großzügig Pecorino gehobelt. Ein vollmundiger, schmalziger Auftakt. Das rosa Filet mit leicht süßlicher Note butterzart am Gaumen. Gelungenes Zusammenspiel mit den herberen Käsenoten und Geschmacksspitzen der Kräuter, auffällig der wilde Anis. Das Ganze angerichtet in einer asiatisch anmutenden, derzeit sehr angesagten schwarzen Schale.
Ein Poully fumé war hier ein ebenbürtiger Begleiter.
Nächster Gang bereits ein Highlight. Natürlich hausgemachte Culurgiones, eine sardische Spielart der Ravioli, in Form eines Blattes gestaltet und mit einer Kartoffelminzfarce gefüllt, die nicht nur von der Würze, sondern auch durch ihre Luftigkeit bestach. Die Nudeln saßen auf einem Bett eines intensiv fruchtigen Pürees von San Marzano-Tomaten. Die Parmesancreme, die ich nicht so schnell wieder erwartet hätte, setzte gelungene optische Akzente. Hier machte endlich einmal die Präsentation auf der Schiefertafel Sinn, denn der schwarze Untergrund hob die Speisen farblich auf das Beste hervor.
Nachdem wir uns auf eine annehmbare Qualität verständigt hatten, hat ein badischer Grauburgunder dazu gemundet.
Es folgte ein wunderschön komponierter Teller vom Hummerschwanz. Weißer Burrata-Schaum, rotes Kirschtomatenconfit, grünes Erbspüree nebst Kresse, schwarze Tinte, diverse Kräuter und mehr zauberten eine Farb- und Geschmacksexplosion, der der halbierte, sehr kleine Hummerschwanz nur mit etwas Mühe folgen konnte, ich hätte mir vor allem etwas mehr Biss gewünscht. Aber hier gilt: Das Beste ist der Feind des (sehr) Guten.
Beim Wein lassen mich meine Aufzeichnungen leider im Stich, ebenso mein älter werdendes Gedächtnis.
Das beim nächsten Gang keinerlei Stütze braucht. Zu präsent ist das unvorstellbar intensive Gelb des Safranrisottos, auf dem sich ein Oktopusarm - rot, lila, schwarz - unfassbar elegant räkelte. Natürlich (konnte ich inzwischen zu mir selbst sagen) war der Vialone-Reis in Konsistenz - all'onda - und Geschmack ebenso perfekt, wie der Meeresbewohner. Dessen Herkunft wurde unterstützt durch eine weitere rustikale Spezialität der Mittelmeerinseln, gehobelten und geriebenen Bottarga, das ist luftgetrockneter, gepresster Rogen der Meeräsche. Leichte (Meeres-)Salzigkeit. Verschiedenfarbige Kräuter, darunter Löwenzahn und erneut der Anis hoben die herb-süße Note. Bei der Annonce der angeträufelten Jus war ich unaufmerksam, galt es doch, ein spontanes Hineinspringen in dieses Wunderwerk zu verhindern. Einziger Kritikpunkt: Der Teller war für ein Menue viel zu reichlich.
Es wurde ein Moselriesling kredenzt.
Ein Sorbet von Limoncello, süß und säuerlich und etwas herb, erfrischte den Gaumen vor dem Hauptgang.
Dieser bestand aus perfekt rosa Lammcarree unter der Pistazienminzkruste. Begleitet von fluffigen angerösteten Gnocchi (in der Karte als "Bratkartoffeln" ironisiert), einer Stange Frühlingszwiebel und vor allem einer fantastischen, mit Amarenasaft beträufelten Jus. Was soll ich sagen? Erneut ein wunderbar "saftiges" Gericht, das mit kräftigen Aromen betörte. Die alliteratorische Kräuterkruste kennzeichnete ihr krasser Krunch. Hervorzuheben die Lockerheit der Kartoffelbällchen. Das Fleisch eh über jeden Makel erhaben. Dazu eine italienische Cuvée aus Cabernet ...?, Merlot und Sangiovese.
Als Dessert ein Zimtparfait mit flüssigem Kahluakern auf einer Englisch Crème mit Crumble. Gekrönt von einer halben Krokanthippe, in der Beeren einen fruchtig-säuerlichen Part beisteuerten. Ein rundum gelungener, ausgewogener Abschluss, den Dessertjunkies wohl noch mehr geschätzt hätten.
Der angebotene Gewürztraminer aus dem Elsass hatte für meinen Geschmack zuwenig Süße, die als Alternative angebotene Huxelrebe von der Nahe dagegen schon.
Auf einen Kaffee wollte ich verzichten, den unter drei Glashauben angebotenen süßen Kleinigkeiten konnte ich aber nicht widerstehen. Eine Vielfalt von Plätzchen, Pistazieneis, kandierten Mandeln, schokoliertem Popcorn, verschiedenen Pralinés, cigarre russe, alles ganz ausgezeichnet.
Für den Nachhauseweg, immerhin 15 Meter, gab es natürlich einige Betthupferl mit. Diesen konnte ich unter Aufbietung aller Konzentration würdevoll und unfallfrei absolvieren. Zuvor durfte ich eine selten so gern gezahlte Kasse von 168€ begleichen. Und dem Chef, der auf meine Bitte durch Vermittlung von Frau Schwarz an den Tisch gekommen war, mit ein paar Brocken Italienisch meine Hochachtung ausdrücken.
Die Küche, in ihrem Ursprung unverkennbar frugal, gibt Anlass, auf höhere Weihen zu hoffen.
Die Weinkarte ist ausbaufähig. Das Ambiente stimmig, aber natürlich Geschmacksache. Der Service - und das gilt für alle Mitarbeiterinnen, die ich kennenlernen durfte - schafft die schwierige Balance zwischen Professionalität und echter Herzlichkeit.
Nochmals: Bravo!