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Jetzt war wieder Osnabrück dran und nach Carstens begeisterter Erstkritik fiel die Wahl auf das damals noch unbesternte Kesselhaus. Beim privaten Vorglühen mit Schinken und Bier aus dem Emsland berichtete unser Gastgeber von einem Anruf der Inhaberin Frau Garthoff, die uns vorwarnen wollte, dass wir an diesem Donnerstag Abend die einzigen angemeldeten Gäste seien. Ob dabei auch der Wunsch mitschwang, das Restaurant lieber geschlossen zu halten, kann ich nicht sagen. Die Betreuung während unseres Besuches gab darauf keinen Hinweis, ganz im Gegenteil. Und erst einmal ist ein solcher Anruf ja nützlich.
Wir ließen uns also nicht abschrecken und fanden auf dem Gelände den freundlich erleuchteten Eingang unproblematisch.
An der Straße gibt es zwar einen Hinweis, aber relativ hoch an der Hauswand, nicht ganz leicht zu entdecken. Aber das ist ja bei vielen Restaurants in ehemaligen Industriegebäude und sonstigen Hinterhöfen ähnlich. Vermutlich so ein Geheimtipp-Ding...
Die Innengestaltung versucht, das Industrieambiente zeitgemäß zu präsentieren. Nicht shabby, sondern nach meinem Empfinden „wohnlich“. Dazu ist ein Teil der Rotziegelwand glatt verputzt und dunkelgrau gestrichen, Pop-art setzt bunte Akzente.
Eine Bar mit viel Holz und anderer Kunst ist ebenso in die hohe Halle gesetzt worden
wie eine Lounge-Insel. Dort werden wir begrüßt, und unsere Gastgeberin nimmt uns die Garderobe ab. Mit unseren Aperitifen nach Wahl von prickelnd bis hochprozentig können wir uns umschauen und ungeniert Fotos machen. Hat eben auch Vorteile ohne weitere Gäste...
Die Sitzbänke sind mit weißen Fellen bedeckt und die meisten Tische tragen eine bodentiefe, bronzefarbene Unterdecke und darüber weiße Tischwäsche. Kerzen und Blumen vervollständigen das gehobene Bild. Nur unser Tisch zeigt ebenso wie die wuchtige Servicestation in der Mitte etwas rustikaler seine Holzplatte
Ich vermute, dass Carsten bei seinem Besuch vor meinen Hang zum Kleckern gewarnt hatte, besonders nach Alkoholgenuss...
Pendelleuchten und Wandlampen tauchen den großen Raum in warmes Licht. Man merkt es leider auch an den Fotos.
Trotz allem können die sehr hohe Decke des ehemaligen Kesselhauses, der nackte Fußboden und die großen Glasflächen in unserer Ecke leicht zu einem Frösteln führen, zumal im Januar. Wohlweislich setzte ich mich an die Raumseite. Die Kollegen berichteten aber nichts Nachteiliges. Gespräche und Getränke sind da hilfreich und die Stimmung war vom ersten Augenblick an gelöst.
Unsere Ungezwungenheit übertrug sich im Lauf des Abends auch auf das Team. Die höfliche Distanz wich einer herzlichen Gastlichkeit, die den Abend besonders werden ließ. Stunde um Stunde verging in der golden schimmernden Nuss-Schale unseres Tisches inmitten der winterlichen Nacht. Abwechselnd kamen Thayarni Garthoff und die beiden Köche Jeffrey Thomer und Randy de Jong vorbei und versorgten uns mit heiteren und ernsten Gedanken zur Gastronomie (was damals als „ernst“ galt), den Gängen des festen 5-Gang-Menüs (99€) und der Weinbegleitung (51€), die nicht auf oberste Schublade, sondern auf solide Qualitäten bekannter Winzer setzte. Die Preise fand ich absolut fair und wir stockten bei den Weinen gern noch etwas außer der Reihe auf.
Danach wurde zur aufgeschlagenen Butter ein mit Soja und Anatto-Samen verfeinertes Brot angeboten, das neben der rötlichen Färbung eine kräftige Säure mitbrachte.
Zum Knabbern gab es einerseits Brotchip mit einem frischen Gel aus Kerbelknolle und einer Selleriecrème. Mein Favorit war aber das leicht krosse Gewürzbrot mit Rotkohl, das süßlich und würzig gut in den Winter passte.
Ein kleiner Paukenschlag das folgende, anfangs sehr präsente Thaibasilikum-Öl, das erst nach und nach die Süße der knackigen Würfel von Birne und Topinambur freigab. Der Untergrund aus Mandelmilch war eher fürs Mundgefühl zuständig, als eine eigenständige Geschmacksnote zu setzen.
Wie es meinem Verständnis dieser Happen durchaus entspricht, hatten wir eine klare Ansage bekommen: Hier wird auf kräftige Akzente gesetzt und kein Produktpurismus betrieben.
Im ersten Gang war dann auch Schluss mit Regionalität und Winterzeit:
Dick geschnittener frischer Thunfisch wurde mit knackiger Schwarzwurzel kombiniert, die in Miso angezogen und anschließend geflämmt worden war. Mandarine in Variationen zeigte sich als gute Wahl, da eine kräftigere Säure dem Fisch kaum Raum gelassen hätte. Die Paste von schwarzen Bohnen sorgte wieder für etwas Verbindung. Das war ein harmonischer Teller, der trotzdem nicht langweilig war.
Mit arktischem Saibling folgte ein (lau)warmer Fischgang, was auch so gewollt war, denn der Lachsfisch war unter der Wärmelampe nur auf ca. 50 Grad Kerntemperatur gebracht worden.
Innen also roh, außen schon leicht gegart. Drapiert auf geflämmter Süßkartoffel, die auch als Tupfen erschien und von Schalotten begleitet wurde, driftete der Teller etwas ins Süße ab. Gut, dass mit Ponzu-Essig und Olivenöl gegengesteuert wurde. Macadamiastücke waren für den Biss zuständig.
Schon lecker, aber mir war das etwas zu nah am ersten Gang, nicht nur optisch.
Als vegetarischer Zwischengang wurde ein kleiner, im Ofen kräftig gebräunter Blumenkopf serviert, der mit karamellisierter Nussbutter überzogen war.
Am Boden eine Mousseline vom Karfiol, gegen deren leichte Bitternote eine süße Rosinensauce arbeitete und als Höhepunkt des ganzen Wasabi, der richtig Wumms mitbrachte. Süß und scharf, bittrig und buttrig. So schlicht, so verdammt gut!
Wir gaben unsere Begeisterung lauthals kund und Frau Garthoff versprach es in die nicht einsehbare Küche weiter zu tragen. Na, das könnten wir doch auch direkt tun, riefen wir ihr noch gut gelaunt hinterher. Und siehe, nach etwas Getuschel wurden wir zu einer improvisierten Küchenparty eingeladen: Champagner im Stehen, beim Anrichten zusehen, so lässt‘s sich gut gehen...
Eigentlich sollten die fertigen Teller wieder am Tisch serviert werden, aber der Rotwein war gerade entkorkt und die Stimmung gut und so durften wir bleiben und versuchten nicht allzu sehr im Weg zu stehen. Was leicht fiel, denn an Platz mangelt es im Kesselhaus ja nicht und so ist auch die Küche großzügig dimensioniert.
Aber - das sei hervor gehoben - es lag keineswegs nur an der zauberhaften Atmosphäre, dass mich hier auch mal wieder ein Hauptgang schwer begeistert hat.
Vorab ein Pfannkuchen aus der Hand, dessen Füllung mich an den norddeutschen Klassiker Birnen, Bohnen und Speck erinnerte.
Hier übernahm exotische Papaya (etwas zurückhaltend) den Birnenpart an der Seite der knackigen grünen Bohnen, was sich damit erklärte, dass bei diesem Gang die indische Gewürzmischung Masala der heimliche Star war und hier schon würzige Schärfe ergänzte. Wortwörtlich zum Fingerlecken...
Was soll ich am eigentlichen Teller mehr loben? Das wirklich perfekte Bürgermeisterstück?
Oder die Kartoffel-Millefeuille
die eine Nacht lang im Ofen gebacken und dann vor unseren Augen für noch mehr Knusper ausgebacken wurde
(Verschmitztes Zitat dabei: „Frittieren können wir Holländer ja!“), um dann mit Püree, den Stangenbohnen und diesmal stärkeren, weil geflämmten Papayawürfeln angerichtet zu werden? Oder eben doch die mit Masala aufgeladene Jus? Alles gleich gut gelungen.
Sehr straight, kein überflüssiges ChiChi, aber das, was auf dem Teller war, gehörte da auch hin. Bravo! Und wer es noch würziger wollte, bekam eine Pulverkugel zum Selbstversuch auf den Teller gelegt...
Nach diesem fulminanten Gesamterlebnis ließen wir uns wieder am Tisch ein ebenfalls kreatives Dessert schmecken
das mit Petersilienwurzel und Lakritz die „üblichen Verdächtigen“ Apfel und weiße Schokolade gut in Schach hielt.
Die süße Abteilung lieferte noch einen nur scheinbar unauffälligen Höhepunkt
aber das Blatt aus weißer und zartbitterer Schokolade konnte mich mit seiner Balsamico-Füllung ebenso begeistern, wie die knusprige Madeleine mit einer spektakulären Orangen-Note!
Auch dieser Abschluss war sehr gelungen, obwohl gar kein Käse am Start war. Dafür aber ein äußerst sympathisches Team, das sich nicht zu schade war, auch weit nach Mitternacht Arm in Arm mit drei älteren Herren etliche Erinnerungsfotos zu machen. Danke!
Und Käse gab es in der Nacht tatsächlich auch noch, nämlich zusammen mit einem Schlummertrunk im Hause des Lokalmatadors, der - vorahnend schon und voll Misstrauen ob des Borgfelders Lohn - das gute Zeug frühzeitig aus der Kühlung geholt hatte. Manche stören sich vielleicht am Anblick
für mich war es das perfekte Ende eines ganz, ganz wunderbaren Abends unter Freunden.
Mit Erlaubnis des Rechte-Inhabers!