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Alles in allem ein wundervoller, mit viel Geschmack eingerichteter Ort
hinter den mächtigen Sandsteinmauern in der sehenswerten Bentheimer Altstadt. Modern und doch ungemein einladend. Gegenüber dem schönen Altbau betreibt das Gastronomenpaar als weiteres Standbein einen kontinuierlich ausgebauten Weinhandel, wie mir sehr gute Kunden glaubhaft versicherten.
Da die Erinnerungen über die Uhrzeit etwas divergierten, hatte ich zuvor schon ein wenig länger dem Treiben auf dem Burgplatz zugeschaut. Die ganze Stadt war ob meines Besuches tief im Westen festlich geschmückt. Wie mag Carsten das hinbekommen haben? Und dem örtlichen Festkomitee als Grund für die rot-gelbe Wimpel-, Kranz- und Fahnenorgie auch noch das nur alle 5 Jahre stattfindende Schützenfest zu verkaufen. Dieser Teufelskerl!
War es doch überhaupt ein Zeugnis tiefer Herzensgüte, dem Bremer Strohwitwer gastronomisches Asyl in der Grafschaft an der niederländischen Grenze zu gewähren. Und damit gar keine Verlustgefühle aufkommen können, auch noch gleich eine wundervolle weibliche Begleitung in Person der nettesten Gattin (eigene stets ausgenommen) zu organisieren. Die in unserem Dreigestirn am Ende des Abends auch noch die Aufgaben Fahrerin (für den Gemahl) bzw. Stütze (für den Gast beim Fußmarsch zum Hotel) übernahm. Danke! Dass bei der angeregten Unterhaltung das eine oder andere Detail der vollständigen Ansage überhört oder später wieder vergessen wurde, ist hoffentlich zu verschmerzen.
Nach fröhlicher Begrüßung, Hausführung und Menüwahl (sieben Gänge für 139€, deren sechs für 10 Euro weniger) starteten die Rheiner Gourmetritter mangels heimischen Winzersekts mit einem Cava für 8,5€ das Glas. Ich wählte wie so oft weißen Vermouth, der für freundliche 5,5€ so schön wie lange nicht mehr im Martiniglas mit Eis und Zitronenschale serviert wurde
Der Dreiviertel-Liter Vilsa wird hier mit 6,9€ berechnet.
Bei den Weinen wusste ich ja, dass ich auf Carstens große Riesling-Begeisterung zählen kann.
Um die Vorfreude darauf noch etwas zu verlängern, sollte es zum Meeresgetier etwas Weißes aus dem Burgund sein. Der 2012er Chardonnay von François Mikulski war schwuppdiwupp geleert, da ja auch die Dame am Tisch im strafrechtlich unbedenklichen Rahmen mitnippte. Wir orderten einfach eine zweite Flasche.
Zu Geflügel und Schwein passte dann der 2015er Brauneberger Juffer Sonnenuhr Riesling vorzüglich, ein Großes Gewächs von Fritz Haag. Die Geschmäcker sind verschieden, für mich geht fast nichts über Mosel-Rieslinge (höchstens die von der Saar;-)).
Und zum Rind mal was Rotes, warum auch nicht? Der Alter Ego 2008, Zweitwein des Château Palmer, war trotz mustergültiger Dekantierung immer noch ein schlanker Jüngling, also wie gemacht für unsere Dreierbande.
Aber schon bald deckte sich der Tisch auch mit weniger flüchtigen Leckereien:
Drei selbst gebackene Brote
erfreuten mit knuspriger Kruste. Mischbrot einmal ohne Aromat, einmal mit Tomate und als mein Favorit leichtes Foccacia mit Thymian. Dazu griechisches Olivenöl und Butter
deren tomatige Variante mit gefriergetrockneten intensiven Raspeln begeisterte. Ebenso wie die aufgeschlagene Natur-Variante streichzart.
Weiter mit Snacks und Fingerfood:
- Caprese, hier als Mozzarellakugel eingehüllt in Tomatengelee mit Basilikumöl und etwas Balsamico
Schöne Version des Klassikers.
Dann drei Variationen einer Kombi, die ich etwas despektierlich "Protein mit Kohlenhydrat" nennen möchte:
Seeteufel-Ceviche auf Reiscracker.
Rindertatar auf weichem Mini-Bun.
Geflügelcurry in knusprigem Pumpernickel.
Ganz unterschiedliche Texturen und Geschmäcker, die jeweils dem Hauptdarsteller den Vorrang einräumten. Prima Start!
Als Küchengruß etwas Nordisches:
Fjordforelle auf Kartoffelmousseline mit Safranschaum. Begleitet von Wurzelbrunoises mit Kümmelnote, ein passender, wenn auch von mir wenig geschätzter Geschmack. Schließlich ein Wachtelei, das etwas flüssiger den Löffel wahrlich perfekt gemacht hätte. Aber es darf ja noch Luft nach oben bleiben.
Und los ging's im Menü mit
Hamachi Gurke Wasabi Soja
Als erstes fiel die schöne, frische Optik ins Auge.
Die Gelbschwanzmakrele wurde zum einen als leicht geflämmter Block gereicht, sehr japanisch. Ob es mehr Röstaromen hätten sein dürfen, darüber gingen die Meinungen am Tisch auseinander. Weiter als rohe flache Schnitte, die aufgerollt und mit einer frischen Crême fraiche gefüllt waren. Und schließlich als Tatar, das quasi die Unterlage für die meisten Gurken-Texturen und das cremige Wasabi-Eis darstellte. Kraft steuerte eine mit Sojasauce gefärbte Paste ähnlich einer Rouille bei und Crunch kam von zwei (abermals!) wunderbar knusprigen Cakes
Dazu eine zwar erwartbare, aber sehr passende deutliche Dillnote. Dem separat stehenden Quader aus den Kernen konnte ich die angekündigte Marinade leider nicht anschmecken; das war etwas simpel. Aber ansonsten war das ein stimmiger, gut austarierter Gang zum Einstieg, der gute Laune machte.
Als nächstes schickte die Küche
Rote Garnele Avocado Fenchel Passionsfrucht
Das Krustentier hat mich voll überzeugt, nicht nur wegen des erneut knusprigen Toppings. Die Passionsfruchtcreme steuerte genau die richtige Menge von sehr fruchtiger Säure bei. Und das vielleicht ganz leicht sahnige Tatar in einer Rolle von Avocadoscheiben
war genau das Küchenhandwerk, das ich auf diesem Niveau erwarte. Ich bin da eher klassisch unterwegs. Deshalb waren mir die Fenchelstreifen auch zu "einfach". Der Versuch, regionale Komponenten zum Zwecke der "Erdung" zu verwenden, trifft vielleicht den Zeitgeist, aber nicht meinem Geschmack (i.w.S).
Wir blieben kulinarisch weiter auf dem Wasser:
Seezunge Bison-Parmesan Guanciale Puffreis
Als wir noch überlegten, ob es denn solche mächtigen, gar nicht mehr platte Seezungen überhaupt geben könne, klärte uns Frau Duesmann schon auf: Zwei sehr saftige, bemerkenswert wohlschmeckende Filets waren leicht mehliert vorsichtig gebraten und dann aufeinander geschichtet serviert worden. Der keineswegs alles erschlagende Parmesan von Bisonmilch umschmeichelte den Edelfisch, der sich sogar mit etwas roter Bete gut vertrug. Die Krönung nicht nur im Wortsinn bestand aus Pinienkerne mit leichtem Röstaroma, dem erst bei wenigen Körnern schlappmachenden Puffreis und einer sehr dünnen, super-crunchy Scheibe des luftgetrockneten italienischen Specks. Allseitige Begeisterung!
Aber was um Himmels Willen war der kleine helle Bollen an der Spitze des Genießertürmchens? Auch etwas Gepufftes? Ausgebackener Hefeteig? Wir wissen es nicht mehr - Community hilf!
Den Wechsel zum Fleisch mussten Carsten und ich zunächst zu zweit bewältigen. Also nur für die Herren am Tisch:
Perlhuhn Nussbutter Lauch Kohlrabi
Die Brust war tadellos, aber nicht so toll wie der mit gerupftem intensivem Keulenfleisch gefüllte, ganz fluffige Raviolo!
Mit Nussbutter und einer Mousseline (Kartoffel/Kohlrabi/Lauch?) ein sehr schmackiges Vergnügen. Die Lauchsauce war unglaublich grün, aber geschmacklich zu eindimensional und undefiniert "gemüsig", dazu imho etwas übersalzen. Die kleinen Quader Kohlrabi sollen mariniert gewesen sein, aber für mich wieder zu simpel. Die kleinen Lauchringe dagegen knackig frisch und somit ein Gewinn.
Auf hohem Niveau ein Teller, der zwar völlig ohne Mängel, aber eben auch ohne Höhepunkt blieb. Der Verzicht durch die Genießerin am Tisch jedenfalls kein schwerer Fehler.
Ihr Wiedereinstieg gerade bei
Duroc-Schwein Karotte Kohl Senf
war schon fast ein Geniestreich. Auch ohne Berücksichtigung des berühmten Bentheimer Borstenviehs war das geschmorte Stück vermutlich aus der Backe sehr saftig, ohne zu weich zu sein. Für mich das Paradies die krossen Stücke der Haut, die separat zubereitet waren und das Fleisch wahrlich toppten.
Auch die Karottencrême sensationell, endlich mal nicht süßer Babybrei, sondern spicy u.a. von Ingwer. Darauf ein Block gelierte Jus mit Senfsaat, umami-Heaven.
Die Jus selbst intensiv reduziert, ohne zu salzig zu werden!
Und schließlich eine kleine Kohlroulade mit Gemüsefüllung
sehr stimmig, innen à point gegart, außen sogar noch angebraten.
Bester Teller des Abends für mich!
Letztes Hauptgericht dann
US-Beef Mais Cerealien Pfifferlinge
Das Fleisch aus Nebraska, es könnte Flanksteak gewesen sein, war ein Genuss. Ebenso die süße, geschmorte Zwiebel und die intensive Soße.
Die ebenfalls süßen, teils glatten, teils leicht stückigen Varianten einer Maiscreme haben mir mit ihrer geschmacklichen Eindeutigkeit ein zufriedenes Lächeln ins Gesicht gezaubert. Auch die kleinen Pfifferlinge waren fein. Mit dem wohl eingekochten Emmer folgte Lars Keiling zwar dem Trend zu Ur-Getreidesorten, es schmeckte aber doch überwiegend so, wie eingeweichte Körner halt so schmecken
Der Hang zur Einfachheit auch hier für mich zumindest kein Mehrwert.
Das Pre-Dessert konnte mit gelber Wurzel, Tomate, Mandel und vermutlich Mozzarella fruchtige und süß-säuerliche Noten erfrischend vereinen
Die Korianderkresse, die ich hartnäckig für Estragon hielt, steuerte eine mir sehr angenehme leichte Parfümiertheit bei. Die ist aber nicht jedermanns Sache.
Danach trennten sich kulinarisch die Wege, eine Tischseite lechzte nach Süßkram
(und kann es sich figürlich auch leisten), während ich zum Abschluss mal wieder bei Affineur Waldmann naschte
Tomme de Savoy und natürlich Fourme d'Ambert sind besonders in Erinnerung geblieben, dazu schwarze Walnüsse und zweierlei Fruchtmus
Die kleinen dunklen Beeren hatten es mir angetan, aber zu diesem Zeitpunkt konnte ich Details nur noch eingeschränkt abspeichern. Vielleicht Berberitzen? Das Früchtebrot blieb im üblichen, guten Rahmen, das Nussbrot war dagegen etwas trocken
Der sehr schöner Maury 2002 als viel zu selten angebotene Alternative zum Banyuls kostete wie auch die weißen Dessertweine 8€.
Selbstverständlich wurden wir mit süßen Kleinigkeiten
u. a. dunklem Trüffel, Choco-Crossie-Eis
und fruchtigem Mus "rausgeschmissen".
Der begleitende Kaffee stand mit 3,5€ auf der Rechnung.
Den dazu angebotenen Grappa oder sonstige Brände verschmähten wir tapfer. Da ich am nächsten Morgen schon vor 07:00 Uhr wieder auf dem Weg aus den Grenzlanden sein wollte, hätten sonst evtl. Zweifel an meiner hundertprozentigen Leistungsfähigkeit bestanden.
Satt und überaus glücklich verließen wir schließlich diese gastliche Stätte. Auf dem Heimweg bereiteten wir eventuelle Anwohner fürsorglich schon mal auf die Stimmung beim kommenden Schützenfest vor.
Fazit:
Schrecklicher Gedanke, wenn ich den Abend alleine in Bremen geblieben wäre. Vermutlich hätte ich nur gut gegessen und teuer getrunken.
So aber war es der beste Besuch des Jahres in einem Sternerestaurant.
Was nicht nur am zugewandten Service lag und natürlich an der kreativen, handwerklich fast völlig fehlerlosen Küche des Keilings, die ich nach den vielen, gar nicht lückenlos dokumentierten "durchwachsenen" Erlebnissen endlich einmal uneingeschränkt genießen konnte.
Sondern vor allem an der warmherzigen, unterhaltsamen, witzigen Begleitung, die ich ohne Gastroguide niemals kennengelernt hätte.
Und daher auf das Keilings, auf meine wunderbaren Mitgenießer und besonders auf unser kleines Portal: HOCH! HOCH! HOCH!