"The Final Countdown"
Geschrieben am 12.10.2019 2019-10-12
"Burger und noch ein bisschen Beiwerk"
Geschrieben am 10.10.2019 2019-10-10 | Aktualisiert am 10.10.2019
"Lichtblick im kulinarisch recht trostlosen Städtchen....."
Geschrieben am 02.08.2019 2019-08-02 | Aktualisiert am 09.12.2019
"Keilings schließt im Oktober 2019 seine Pforten!"
Geschrieben am 17.04.2019 2019-04-17
"Essen am Golfplatz"
Geschrieben am 25.02.2019 2019-02-25 | Aktualisiert am 26.02.2019
"Oh du Fröhliche......"
Geschrieben am 19.12.2017 2017-12-19 | Aktualisiert am 19.12.2017
"Abseits im Grünen....."
Geschrieben am 28.09.2017 2017-09-28 | Aktualisiert am 28.09.2017
So nutzen wir die Gelegenheit und wählen Bad Bentheim für den Abschluss unseres kulinarischen Sommerurlaubs durch Belgien und die Niederlande. Direkt an der Grenze zu Holland und Nordrhein-Westfalen ist es dafür perfekt gelegen und zudem günstig erreichbar für Herrn und Frau Carsten1974 und Herrn und Frau Borgfelder, die uns kulinarisch ausgelassene Gesellschaft leisten.
Wären wir jemals von alleine auf die Idee gekommen, Bad Bentheim zu besuchen? Wohl kaum. Die Stadt ist sehr überschaubar, hat zwar ein beeindruckendes Schloss und einen Kurpark, aber ansonsten herrscht eher emsländische Kleinstadt-Nüchternheit. Das „Keilings“ allerdings wäre durchaus ein Grund gewesen, denn seit November 2017 wurde es mit der Verleihung des zweiten Michelin-Sterns auf die bundesweite kulinarische Landkarte katapultiert und bis auf Insider rieben sich vermutlich viele verwundert die Augen, weil man so manche Kandidaten auf der Liste hatte, aber kaum dieses Restaurant.
Außenansicht
Dabei ist das, was die Crew hier leistet, in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Zu jeweils zweit in Küche und Service bespielen Lars Keiling und Gina Duesmann das in Bistro- und Gourmetbereich unterteilte Restaurant. Anderswo würden hierfür ganze Brigaden benötigt.
Da an diesem Abend im Bistro ein Themenmenü vorgesehen ist, hätte es normalerweise kein Gourmetangebot geben sollen. Dass es Lars Keiling auf Bitten unserer Freunde doch möglich macht, verdient auch im Nachhinein noch einmal Dank und Anerkennung, denn er hätte es sich und seinem Team auch durchaus einfacher machen können.
Im Restaurant gibt es ein Menü von 5 Gängen (159€) bis 8 Gängen (189€), für das wir uns im Vorfeld auf eine 7 Gang-Auswahl festgelegt hatten, durchaus mit Sonderwünschen, da nicht alle am Tisch Fleisch, wohl aber Fisch, zum Teil dann aber doch auch wieder zumindest mit der Gänseleber, ein anderer am Tisch dann lieber ohne Süßes, dafür gerne Käse hätte. All das packt die Küche prima.
Und startet als erste Grüße mit einem Gurkengazpacho als Espuma mit Pankobröseln und Essigstaub. Das hat eine sehr markante Säure und einen sehr prägnanten Gurkengeschmack.
Apéro: Gurkengazpacho
Parallel dazu gibt es dreierlei Fingerfood. Sehr gut gefällt mir der Erbsencräcker mit Kalbstatar und Erbsencreme. Auch der Sesamchip mit Ebigarnele und Fenchelsalat, der etwas asiatisch anmutet, kann gefallen. Nur der Matjesburger mit Essiggurke fällt für mich etwas ab. Aber insgesamt ein fein gearbeiteter Start.
Fingerfood
Bevor es mit dem eigentlichen Menü beginnt, schickt die Küche noch ein Amuse, in diesem Fall Lisette Makrele, eine Avocado-Rolle, marinierte Radieschen und Petersiliencreme. Jede Komponente für sich ist gut gemacht, aber irgendwie wirkt es auf mich etwas zusammenhanglos, wozu vielleicht auch die lockere und separierte Anrichteweise beiträgt.
Amuse Bouche: Makrele, Avocado, Radieschen
Vom Aufbau ähnlich präsentiert sich auch der erste offizielle Gang, der Jakobsmuschel und Gänseleber kombiniert. Die Gänseleber ist als Mousse elegant abgeschmeckt, aber fast zu kräftig für die rohe Jakobsmuschel, über die auch noch Leber gehobelt ist. Wunderbar funktioniert dafür das Tatar von der Jakobsmuschel mit einem ganz leicht scharfen Curryeis. Man muss die einzelnen Elemente sehr genau miteinander portionieren, damit sich das ganze Spektrum aus Frische und Fülligkeit gut entfalten kann.
Der Gang ist etwas verspielt, aber sehr gut.
Gänseleber & Jakobsmuschel / Curry / Apfel / Sellerie
Wir befinden uns in den letzten Tagen der Spargelsaison und so findet sich auch hier noch einmal ein Exemplar auf dem Teller. Der Hauptdarsteller allerdings ist Saibling in toller Qualität mit einer extrem luftigen und erneut dezent scharf abgeschmeckten Wasabi-Hollandaise. Der Spargel ist gefüllt mit einer Pumpernickelcreme. So originell ich die Idee finde, so sehr wird mir die Creme bald zu süß und zu mundfüllend. Sie nimmt ein wenig von dem feinen und eleganten Charakter des Gerichtes, zu dem dafür ausgezeichnet der Chip mit Saiblingstatar und -kaviar passt.
Saibling / Wasabi / Spargel / Pumpernickel
Ohne Einschränkungen überzeugend dann der folgende Kabeljau mit einer Auflage aus Rhabarber und Senfsaat mit Chips von Pancetta. Letzerer ist auch in der Sauce verarbeitet. Das ist sehr fokussiert und sehr gut.
Kabeljau / Rhabarber / Lauch / Pancetta
In unserer Menüfolge geht es nun mit den Fleischgängen weiter und bereits der erste geht herzhaft zur Sache. Die Wachtelbrust mit Briochecreme ist sehr zart, erhält aber mit dem Armen Ritter, der eine Blutwurst-ähnliche Creme enthält einen deftigen Mitspieler. Die Trüffel in der ansonsten kräftigen Jus ist nahezu nicht erkennbar, was aber dem süffigen Vergnügen keinen Abbruch tut.
Wachtel / Briochecreme / Armer Ritter / Trüffeljus
Asiatisch wird es mit dem super zart geschmorten Schweinekinn, das mit Teriyakijus lackiert wurde. Gepuffte Schweinehaut und Shiitake sowie ein marinierter Gurkensalat sorgen für ein sehr würziges und stimmiges Gesamtbild. Auch in diesem Gang ist erneut zu erkennen, das hier mit viel Präzision gearbeitet wird.
Iberico-Schweinekinn / Teriyaki / Kohl / Gurke
Die Fleischrundreise endet mit einem mediterran anmutenden Lammgericht. Das Fleisch selbst ist ausgezeichnet gegart, bleibt aber etwas neutral. Ich gehöre ja durchaus zu denen, die einen ausgeprägten Lammgeschmack mögen. Kräftig wird es dafür mit den Mitspielern, der Paprikasauce mit Piment d'Espelette, der intensiven Fleischjus und der Artischocke. Eine schöne Idee auch, etwas geriebenen Parmesan beizufügen, mit dem noch einmal würzige Noten dosiert werden können.
Lamm / Artischocke / Parmesan / Piment d'Espelette
Als Pré-Dessert gibt es Schokolade und Kokoseis mit Physalis. Das ist unkompliziert und lecker.
Pré-Dessert: Schokolade / Kokoseis / Physalis
Sehr schön auch das Dessert, das auf dem Hauptteller Zitronenmousse und Lemoncurd präsentiert. Spekulatiusbrösel und getrocknete Oliven setzen ungewöhnliche, aber passende Akzente. Sehr gut auch das à part servierte Basilikumeis mit Himbeeren.
Zitrone / Lemoncurd / Basilikum / Olive
...à part: Basilikumeis / Himbeeren
Nicht, dass wir an dieser Stelle nicht schon gut gesättigt wären, aber sich nicht den schön gearbeiteten Petits Fours und dem Eis am Stiel mit Knuspermantel zu widmen, wäre Frevel.
Petits Fours
Eis am Stiel
Es ist nicht nur der wie immer sehr unterhaltsamen Gesellschaft dieser GGGG (GastroGuideGenussGruppe) zu verdanken, dass wir einen wunderbaren Abend verbracht haben. Lars Keiling hat uns ein Menü präsentiert, das in weiten Teilen sehr überzeugen konnte. Nach einigen Kleinigkeiten in den ersten Gängen, die meiner Meinung nach etwas Finetuning vertragen könnten, hat das Menü deutlich Fahrt aufgenommen. Besonders gut haben mir die auf mich sehr fokussiert wirkenden Gänge wie der Kabeljau oder die Wachtel gefallen.
Lars Keiling kocht mit erheblichem Aufwand, aber ohne übermäßige Extravaganzen. Sein Stil ist eher klassisch fundiert mit dem ein oder anderen modernen Twist. Das hat eine sehr gelassene Souveränität, die mir gut gefallen hat.
Am Gesamtvergnügen hat aber auch der Service unter Gina Duesmann einen großen Anteil. Zugegebenermaßen ist unser Tisch nicht der einfachste gewesen mit den unterschiedlichen Vorlieben und langwierigen Weinabsprachen. Sie hat dies tapfer und mit viel Humor begleitet. Dass unter diesen Bedingungen und bei vollem Haus alle Abläufe wie aus dem Effeff funktionierten, zeigt auch, wie perfekt eingespielt das kleine Team hier funktioniert.
Die Weine des Abends
Lars Keiling und Gina Duesmann haben bereits angekündigt, dass es auch nach der Schließung dieses Hauses weitergehen wird. Seien wir also gespannt, welche Tür sich wo öffnen wird. Zumindest wissen wir jetzt, dass es sich lohnt, dafür auch in die abgelegensten Gegenden zu fahren.
Bericht wie immer auch auf meinem Blog: http://tischnotizen.de/keilings-bad-bentheim/
(Und dort auch die ganzen Berichte aus Belgien / Niederlande, die dafür verantwortlich sind, dass hier so lange nichts von mir zu lesen war...)