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Nun bin ich kein ausgewiesener Fußballfan und deutsch-österreichische Animositäten sind mir auch fremd. Ich mag diesen Humor, ebenso wie die Krankl-Devotionalien oder die Möpse an der Wand.
Heute ist die „Cordobar“ eine der bekanntesten und immer noch angesagtesten Weinbars Deutschland, was sicherlich auch mit den Betreibern zu tun hat. Gerhard Retter ist mittlerweile vielen aus der TV-Show „Grill den Henssler“ bekannt. Einen Namen in der Gastronomiewelt hat sich der gebürtige Steirer aber als Sommelier gemacht in der legendären „Aubergine“ von Eckart Witzigmann, später bei Freddy Giradet, Gordon Ramsey und im „Lorenz Adlon“ in Berlin. Als Partner gesellen sich seit 2013 Christoph Ellinghaus, Musiklabel-Chef, und Jan-Ole Gerster, Filmregisseur und Drehbuchautor dazu.
Interieur
Interieur II
Interieur III
Uns ist klar, dass die „Cordobar“ mehr Weinbar als Restaurant ist und das ist an diesem Tag, nachdem wir bereits ein umfangreiches Mittagessen genießen konnten, auch genau das, wonach uns ist. Dass wir trotzdem zumindest nicht gänzlich ohne Erwartungen kommen, hat auch damit zu tun, dass die Betreiber mit den bisherigen Küchenchefs auch einen gewissen Anspruch dokumentierten. Bis Anfang 2017 setzte in der Küche Lukas Mraz, Sohn des in Wien mit 2 Sternen ausgezeichneten Markus Mraz, den Maßstab. Er kreierte unter anderem die berühmte Blutwurstpizza. Heute hat die Schachtel, in der sie serviert wurde, einen Ehrenplatz an der Wand hinter der Theke. Handschriftlich hat man darauf vermerkt : „R.I.P.“. Wie gesagt: ich mag diesen Humor.
Mraz' Nachfolger wurde der Holländer Waal Stemeberg, der in seiner Vita unter anderem sieben Jahre im 3 Sterne Restaurant „De Librije“ von Jonnie Boer vorweisen kann.
Die Karte listet Kleinigkeiten zum Snacken auf (3-5€) und einige etwas größere Gerichte (ca. 11-19€). Alles ist zum Teilen gedacht, vieles zum mit den Fingern essen. Man bestellt etwas und wenn man Lust hat, später noch etwas. Das läuft hier ganz unkompliziert.
Zu den ersten offenen Weinen, unter anderem einem „Kalk & Kiesel“ von Claus Preisinger, bestellen wir ausgezeichnetes Brot mit einer locker aufgeschlagenen Butter, die mit Yuzu aromatisiert ist. Dazu Kohlrabiröllchen mit Koji-Speck gefüllt und Kamille bestäubt. Das schmeckt würzig, aber etwas undefinierbar. Speck ist nicht explizit auszumachen.
Die Schweineschwarten sind krachend knusprig und mit Tomatenpuder üppig bestäubt. Die Parmesancreme zum Dippen dazu ist recht mächtig, aber zusammen schmeckt das sehr gut.
Brot & Butter
Kohlrabi, Koji-Speck, Kamille
Schweinechip, Tomate, Parmesan
Aus der umfangreichen Weinkarte mit Schwerpunkten in Deutschland und Österreich entscheiden wir uns für einen Wein aus Südafrika, einen Chenin Blanc von Luddite. Die Karte ist zwar reich bestückt, allerdings im unteren und mittleren Preissegment überwiegend ausgetrunken und man ist dann doch recht schnell im Bereich ab 60 Euro, wenn man etwas halbwegs anspruchsvolleres trinken möchte. Das schränkt den Genuss dann doch ein wenig ein.
2015 Chenin Blanc, Luddite
Ungetrübt allerdings ist der Genuss der Rippchen, die als nächstes folgen. Sehr zart das Fleisch, köstlich die Marinade mit Nüssen. Separat gibt es einen ebenso lecker abgeschmeckten Spinatsalat.
Rippchen, Spinatsalat
Nach einer Pause bestellen wir uns noch aus den Snacks die Mungobohnen-Krapfen mit Kartoffeldressing. Sie sind ähnlich wie Falaffel und mit einer guten Schärfe ausgestattet.
Mungobohnen Krapfen, Kartoffelchutney
Der nächste Gang ist eher enttäuschend. Sepia ist angekündigt mit Chicorée, einem Wienerdressing, unter dem ich mir nichts vorstellen kann sowie mit Anis und Estragon. Beides ist deutlich zu schmecken und auch der Chicorée ist klar erkennbar. Im ersten Moment halte ich die Anordnung der Salatblätter für eine Sepiatube. So täuschend sieht das auf dem Teller aus. Beim Entblättern dann allerdings nur ein klein geschnittener Salat – und kein Tintenfisch. Ich bin irritiert, suche, suche weiter, dann frage ich. Der Service ist so freundlich, mir die Sepie zu zeigen. Sie ist so fein geschnitten, dass man sie kaum mit dem Auge erkennt und nicht wirklich erschmecken kann. Ein klassischer Fehlgriff, wenn man ein warmes Gericht erwartet und einen Tintenfisch, der gebraten oder sonst wie zubereitet, aber zumindest als solcher erkennbar ist.
Sepia, Chicorée, Wienerdressing, Anis, Estragon
Trotz der Kleinigkeiten ist der Appetit weitestgehend gestillt, aber Lust auf etwas Süßes ist dennoch da. Zum Obstbrand gönnen wir uns eine Tafel aus der wunderbaren steirischen Schokoladenmanufaktur Zotter, die hier in einer Sonderedition für die „Cordobar“ mit dem Namen „Restalkohol“ gefertigt wird. Der Name spielt zum einen auf die weinhaltige Füllung an, aber auch auf das Motto, das in Neonschrift an der Wand prangt: „Restalkohol is a powerful drug“.
Zotter Schokoriegel "Restalkohol"
Es war ein schöner Abend in der „Cordobar“. Das Ambiente ist unkonventionell, das Publikum international, der Service freundlich und hilfsbereit. Das Essen ist für eine Begleitung zum Wein in Ordnung, aber nicht weltbewegend. Die Hauptrolle spielt hier definitiv der Wein. Der allerdings ist eher hochpreisig angesiedelt. Das muss aber vielleicht auch so sein, wenn einige Teilhaber und Angestellte in dieser Bar Nahe der Hackeschen Höfe auch etwas verdienen wollen. Es gibt scheinbar genug zahlungskräftiges Publikum, das hier bereit ist, diese Preise zu bezahlen. Ob ich es ein weiteres Mal bereit bin, muss ich noch überlegen. Aber vielleicht ist das ja auch schon die Antwort.
Bericht wie immer auch auf meinem Blog unter: http://tischnotizen.de/cordobar-berlin/