Kochen ist für mich eine Freude. Essengehen eine Leidenschaft. Das muss nicht immer auf höchstem Niveau sein. Auch ehrliche Hausmannskost oder kleinere Leckereien aus aller Welt können kulinarisch den Tag erhellen. Bei Restaurant-Kritik habe ich dann auch am "Darüber-Schreiben" gefallen gefunden. Der Wechsel zu GastroGuide eine logische Folge nach all der negativen Entwicklung dort. Als Südpfälzer kenne ich mich in der dortigen Gastrolandschaft auch ein wenig aus, bin aber immer froh, wenn ich über regionale Tellerränder schauen kann. Die asiatische Küche hat es mir dabei besonders angetan.
Kochen ist für mich eine Freude. Essengehen eine Leidenschaft. Das muss nicht immer auf höchstem Niveau sein. Auch ehrliche Hausmannskost oder kleinere Leckereien aus aller Welt können kulinarisch den Tag erhellen. Bei Restaurant-Kritik habe ich dann auch am "Darüber-Schreiben" gefallen gefunden. Der Wechsel zu GastroGuide eine logische Folge nach all... mehr lesen
Bewertungs-Statistik
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Geschrieben am 13.02.2020 2020-02-13| Aktualisiert am
01.03.2021
Besucht am 27.12.2019Besuchszeit: Abendessen 6 Personen
Rechnungsbetrag: 787 EUR
Ende des Jahres war es dann endlich soweit. Drei „guides culinaires“ fanden sich inklusive ihrer charmanten Gattinnen beim Tabellenführer ein. Nein, die Rede ist nicht vom Arena Bistro in München Fröttmaning. Der aufmerksame Leser dieses Portals weiß natürlich, wo der Bremer Lokalmatador seine GG-Schäfchen ins Trockene brachte. Einer der Teilnehmer des illustren Hedonistenzirkels, Carsten1972, hat ja bereits sehr zeitnah davon berichtet. Und für die Rezension des Schirmherrn der Veranstaltung werden wir wohl noch ein wenig Geduld aufbringen müssen…
Zur Überbrückung nun also die Sichtweise eines Auswärtigen, der sich unbeeindruckt von der Völlerei an den Festtagen und den vorweihnachtlichen Rippenbekenntnissen im Bergischen Land auf diese Oldschool-Schlemmerei mit Gleichgesinnten im „Kleinfrankreich an der Weser“ – von einheimischen Gourmets kurz und knapp „das Grashoff“ genannt – freute.
Vorweg möchte ich jedoch erstmal ein paar Dankesworte an den Organisator dieses Abends entrichten. Mit passionierter Hingabe hatte sich dieser schon im Vorfeld durch den privaten Weinkeller von Chefin und Sommelière de Rang Elke Schmidt gesoffen, nur um den geladenen Riesling- und Tannin-Banausen die volle Silex-Ladung vor ihr altsteinzeitliches Weinverständnis zu knallen. Mein guter Borgi, das hast du wirklich gut hingekriegt. Und noch besser bezahlt (siehe Überschrift).
Über den ganz besonderen Zauber dieser zum kulinarischen Kulturgut der Hansestadt zählenden Enklave des guten Geschmacks hat sich der freundliche, quasi ums Eck residierende GG-Genosse schon in aller Ausführlichkeit ausgelassen. Das war im Herbst 2018 im Zuge seiner Streifzüge durch die Bremer Top-Gastronomie. Deshalb spare ich mir die Anmerkungen zur interessanten Gastrohistorie des Grashoff, die sich auch beim Gang zur Toilette anhand mehrerer gerahmter Info-Collagen gut nachverfolgen ließ.
Auch das Innenleben des mit reichlich französischem Flair ausgestatteten Bistrobereichs wurde von der wortgewandten Weserfeder gewohnt präzise dargelegt. Von der dreiseitig durchlaufenden, knallroten Wandbank mit Lederüberzug, den dicht an dicht stehenden, mit Leinen überzogenen Tischen, dem Sammelsurium gerahmter Fotomotive an den Wänden bis hin zur zweckmäßigen Anrichte im Zentrum des Geschehens hat er kein Detail ausgelassen. Bistro-Impression 1 Bistro-Impression 2
Die Betreiber des Grashoffschen Bistros dagegen schon. Der fehlende Gourmetlöffel brachte das Genussgemüt des skrupellosen Soßenauslöfflers scheinbar mehrfach ins Wanken.
Solche „Peanuts“ fielen der versammelten Hedonistenfraktion an jenem Freitagabend kurz nach Weihnachten jedoch nicht auf. Bei so viel Kommunikation – ja es war laut im Grashoff und wir trugen massiv dazu bei – am Tisch treten manche Dinge automatisch in den Hintergrund.
Zur Einstimmung nahmen wir den Aperitif, einen von der Hausherrin spendierten, wunderbar moussierenden Flaschengärer namens „Extra Brut Reserve“ vom Weingut Loimer aus dem Kamptal (Niederösterreich) mehr oder minder im Stehen am Ausschanktresen ein. Dieser riegelt quasi den wesentlich geräumigeren Feinkostbereich des Lokals von der auf den ersten Blick recht unscheinbar anmutenden Bistro-Abteilung ab.
Ein hoher Kuschelfaktor – lediglich 22 Plätze stehen hier den Gästen zur Verfügung – war von Anfang an garantiert. Das ältere Pärchen am Nachbartisch tat mir da schon fast leid, mussten sie doch die Verbal-Eskapaden von drei mehr (…der gewohnt maßlose Norddeutsche) oder weniger (…der bekanntermaßen asketische Südländer) angetrunkenen Rezensenten ertragen. Gut, dass wenigstens unsere Mädels nicht noch dicker auftrugen, indem sie noch mehr „Geselligkeits-Öl“ in unser ohnehin schon recht mitteilungsfreudiges Tischfeuer gossen. Die Mischung macht’s halt und die war natürlich an diesem Abend vom Feinsten.
Großen Anteil an unserer ausgelassenen Stimmung hatte auch die Gastgeberin Elke Schmidt, die uns auf ausdrücklichen Wunsch unseres Häuptlings „Schluckender Specht“ umsorgte. Sie meisterte den Spagat zwischen Lockerheit und Seriosität auf ganz hohem Niveau. Ihre sehr persönliche, alles andere als dogmatische Weinberatung („wir hätten da noch einen illegalen Roten aus Italien…“), war mir sofort sympathisch. Ob gereifte Spitzengewächse für das Weißweinduo aus dem Norden oder etwas ganz Individuelles jenseits ausgetrampelter Pfade für das Pfälzer Rotweinkehlchen, sie bewies auf jedem Terrain ein sicheres Händchen.
Ich klappte die in apartem Rot gewandete Speisenkarte auf und gleich auf der ersten Seite wimmelte es nur so vor appetitanregenden, französischen Vorspeiseklassikern. Ich zählte acht kalte und neun warme Vorweggerichte, die von der Verarbeitung qualitativ hochwertiger Produkte kündeten. Kein Wunder, ist man doch schon aus feinköstlichen Gründen hier mit sehr guten regionalen und internationalen Viktualien bestückt. Dass sich dieser Umstand in den gehobenen Preisen wiederspiegelte, war dann auch nicht wirklich eine Überraschung.
Alles war in Bewegung, der Gesprächsfluss lief wie „geölter Sauternes“. Frau Schmidt wurde mehrfach vertröstet, da sich einzelne Mitglieder der Tischgruppe lieber mit Bagatellen wie beispielsweise der Weinbeschaffung in der Pfalz oder dem letzten Berlin-Trip des Borgmeisters, auseinandersetzten als mal einen ernsthaften Blick in die Karte zu werfen.
Plötzlich eröffnete jemand den fast nicht enden wollenden Bestellreigen. Keine Ahnung, warum die meisten am Tisch nur Vorspeisen orderten. Vielleicht lag es an der gerade mal drei Fleisch- und drei Fischgänge zählenden Auswahl an Hauptgerichten (von denen der Steinbutt auch nur noch einmal da war…). Oder an der Tatsache, dass man sich hier – ähnlich wie in Spanien – im Tapas-Stil durch das Kompendium an Schmidtschen Köstlichkeiten futtert.
Egal, zu meiner Linken wurden im Stakkato Vorspeisenwünsche abgesetzt. Viermal allein wurde der in Sternanis gebeizte Ikarimi-Lachs mit Papaya und Passionsfrucht (22,50 Euro) geordert. Die Rote-Beete-Apfel-Wildkräuter-Kombi (15,50 Euro) fand auch zwei Abnehmer. Welcher Genussfürst sich die gefüllten Wachtelbrüstchen mit Portweinsauce (18,50 Euro) einzuverleiben gedachte, kann sich wohl jeder denken.
Es ging munter weiter. Dreimal sollte die Küchenbrigade um Chefkoch Oliver Schmidt den frischen Hummer auf hausgemachte Spaghetti (28,50 Euro) legen. Und selbst vor zwei Portionen mit kross gebratenem Kalbbries (22,50 Euro) in Madeira-Sauce (was sonst?) zeigte man keine Scheu. Ach, und wenn man schon mal dabei war, warum nicht gleich zweimal die „getrüffelte Sieglinde“ (29,50 Euro), die namentlich für Kartoffelpüree mit Trüffelfrisur (der Atze-Schröder-Teller schlechthin…) stand.
Doch das war den Anhängern unterirdisch wachsender Knollenpilze noch nicht genug. Als wären wir auf einem Tuber-Ware-Abend wurde noch eine Portion Spaghetti Chitarre (29,50 Euro) mit der frisch darüber gehobelten Winterdelikatesse der Hausherrin ins Notizbuch diktiert. Die Jakobsmuscheln mit grünem Spargel und Basilikumpesto (21,50 Euro) fielen da gar nicht mehr ins Gewicht. Dagegen wurde über meinen geradezu spartanisch klingenden Wunsch nach einem Salat von Flußkrebsschwänzen mit grünem Spargel (17,50 Euro) nur milde gelächelt.
Aber Vorspeisenfreunde, aufgepasst! Ich hatte noch ein kulinarisches Ass im Ärmel. Und das waren die Rinderfiletwürfel in Pfefferrahmsauce, die hier mit grünen Bohnen und Gratin Dauphinoise (32,50 Euro) serviert wurden. Ich war übrigens nicht der einzige am Tisch, der sich an einen Grashoffschen Hauptgang wagte. Meine Liebste zeigte sich mit ihrem Wildragout mit Waldpilzen in Wacholderrahmsauce (34,50 Euro) solidarisch. Letzteres wurde von Rahmwirsing und Spätzle begleitet.
Nachdem wir diesen mehr oder minder langwierigen Bestellprozess abgeschlossenen hatten, begann die Bremer Weinreise. Der Pouilly Fumé Enthusiast von der Weser hatte da schon längst den „Silex“ aufziehen lassen. Dieser Referenz-Sauvignon-Blanc vom Hohepriester weißer Loire-Weine, Louis-Benjamin Dagueneau, war an Mineralität schwer zu überbieten. Nicht nur Borgi hörte am Tisch den Silex singen. Auch ich musste zugeben, dass ich einen solchen Terroirbezug noch nie zuvor im Glas hatte. Chapeau, Monsieur, dass du solch einen Kultwein mit dem Weißwein-Judas aus der Pfalz geteilt hast!
Um es gleich vorweg zu nehmen, der Silex war nur der Auftakt einer ganzen Reihe hochwertiger Kreszenzen in Weiß, die sich vornehmlich die beiden Nordmänner am Tisch gönnten. Der trocken ausgebaute 2015er Riesling Geheimrat „J“ von Wegeler gilt ja nicht nur im Rheingau als absoluter Klassiker.
Apropos Wegeler: den 2013er Rothenberg Riesling GG trocken hatte man auch im Grashoffschen Keller liegen. Der Kollege aus Rheine konnte dieser Versuchung nicht widerstehen. Und so hatte ich es dann eben auch mal im Glas, das Rothenberg-Feeling. Zeitlupen-Kirchenfenster am Rand, mineralischer Druck am Gaumen und ewig frischer Nachhall inklusive. Neben mir raunte der Rieslingversteher aus Rheine etwas von „Mörderpotential“. Ich pflichtete ihm bei. We got the Rothenberg-Feeling!
Irgendwann im Laufe des Abends – Raum und Zeit hatten sich mittlerweile zu einem vergnüglichen Wohlfühl-Konglomerat verdichtet, war dann die Zeit gekommen, um die nächste Trouvaille aus Elke Schmidts Schatzkammer zu heben. Borgi befand sich bereits im Betriebsmodus „Burgund“. Er hatte einen Meursault 1er Cru Charmes von Philippe Pacalet auserkoren, den er – natürlich nicht alleine, aber doch als einer der führenden Chardonnay-Vernichter am Tisch – in vollen Zügen genoss.
Seinem Gesichtsausdruck nach wollte er seinem Pfälzer Weinnovizen wohl mitteilen: „Junker der Provinz, in diesem Bistro-Bunker bin ich der Meursault-Prinz!“ Wie Recht er damit hatte. Da half auch mein gut gemeinter Versuch nichts, den Weißweinaficionado mit einem wirklich sensationell fruchtreifen Roten aus Apulien und Kalabrien (kein Witz!) in süditalienisches Fahrwasser zu lotsen.
Da hatte ich nämlich ganz der Rotweinempfehlung von Elke Schmidt vertraut und eine schwere Coniqueflasche der Dueterre Cuvée (29,50 Euro) von Weinmacher Benedetto Lorusso geordert. Mein Rotwein-Favorit
Hätte ich von diesem Weingut schon im Mai 2016 gewusst, als ich zusammen mit meinem Vater Apulien bereiste und in Locorotondo Station machte, hätte ich der dort ansässigen Masseria Tagaro sicher einen Besuch abgestattet. Die Trauben für den Dueterre stammten, wie schon erwähnt, aus Apulien und Kalabrien, wo Lorusso seit Jahren als Winemaker bei Odoardi tätig ist. Daher auch der Name.
Für mich war dieser samtig weiche Rotwein aus Italiens Süden eine echte Entdeckung. Über ein Jahr im Barrique und eine halbjährige Flaschenreife machten ihn zu einem rundgeschliffenen Verführer, dessen Kombination aus Wärme und Frische für reichlich Spannung im Glas sorgte. Parker würde sagen: „ein Weinwert zum kistenweise kaufen!“ Aber davon wollten die beiden Weißweinzombies neben mir ja nichts wissen.
Dass sie mich gegen Ende des Mahls noch zwangen, einen 2008er Banyuls von der Domaine de la Rectorie sowie eine pappsüße Beerenauslese (Weingut Keller, Flörsheim-Dalsheim) zu probieren, zeigt die niedere Moral dieser zwei Süßweinfetischisten, die eine etwaige Diabetes-Erkrankung meinerseits damit billigend in Kauf nahmen. Pittoreske Altglassammlung
So weit, so flüssig. Ein paar Worte zum Essen sind in dieser Stelle – bei aller Ausmalung unseres Trinkgelages – dennoch angebracht.
Während der Mann aus Rheine zu meiner Linken seinen Ikarimi-Lachs in den höchsten Tönen lobte, Ikarimi-Lachs
machte ich mich über einen Hausklassiker des Grashoff, den Salat Flusskrebsschwänzen mit grünem Spargel, her. Salat von Flusskrebsschwänzen mit grünem Spargel
Zugegeben hat mich sein Preis schon ein wenig erstaunt. Doch sowohl die an zarter Textur kaum zu überbietenden Flussbettbewohner als auch die perfekt abgeschmeckte, aromatische Safransauce, der man anscheinend jegliche Schwere nahm, ließen mich die ambitionierte Preispolitik vergessen. Zusammen mit den leicht bissfesten Spargelstücken, der nicht übertriebenen Dillwürze und dem homöopathisch darüber geriebenen frischen Meerrettich ergab das einen äußerst stimmigen Teller, von dem ich locker noch eine Portion geschafft hätte. Nochmal der Flusskrebssalat, weil er so verdammt lecker war!
Mein Tischnachbar sah mittlerweile rot, jedoch auf äußerst delikate Art und Weise. Sein mit karamellisierten Mandelstiften verfeinerter Rote-Beete-Salat mit Apfel machte schon rein optisch mächtig was her. Rote-Beete mit Apfel
Spätestens bei seiner „getrüffelten Sieglinde“, einem herzerwärmenden Püree-Igel mit krausem Trüffeltoupet, streifte mich ein klitzekleiner Anflug von Neid. Getrüffelte Sieglinde
Das muss der Horsd’œuvre-Vernichter am anderen Ende des Tisches irgendwie mitbekommen haben. Er reichte mir einen Happen von seinen gefüllten Wachtelbrüstchen, deren Portweinreduktion diesen unnachahmlichen Säure-Touch der Cuisine française innehatte. Große Klassik kann nur schmecken.
Auch von seiner feinen Hummersauce ließ mich der kulinarische Sankt Martin aus Borgfeld naschen. Pasta mit Hummer
Es muss in etwa zeitgleich mit der 4.Vorspeise meines Nebenmannes – ich meine es war das Kalbsbries – gewesen sein, Kross gebratenes Kalbsbries
dass man mir die Rinderfiletwürfel in einer sündhaft leckeren Pfefferrahmsauce an den Tisch brachte. Rinderfilet in Pfefferrahm
Auch das à part gelieferte Kartoffelgratin war über alle lukullischen Zweifel erhaben. Die Rinderbrocken waren perfekt mürbe gebraten. Selbst die grünen Böhnchen hatten etwas Schmackes. So etwas bekomme ich im Elsass auch nicht besser serviert. Gut, vielleicht einen Tick günstiger. Der Nachschlagsteller!
Als ich bei Fr. Schmidt höflich nach einem kleinen Nachschlag in Sachen Kartoffelgratin bat, um den Rest der delikaten Pfeffertunke nicht zurückgehen lassen zu müssen, erwärmte sie mir diese auf einem neuen Teller – natürlich mit einer stattlichen Portion frischem Gratin darauf. Was ein Service! Ich war beeindruckt. Rinderfilet mit Beilagen
Meine Frau war dagegen mit ihrer Wacholderrahmsauce, in der das mit Waldpilzen veredelte Wildfleisch schwamm, weniger d’accord. Wildragout mit Waldpilzen
Sie erschien ihr etwas zu unausgewogen im Verhältnis von Süße und Säure. Auch über die etwas zu trockenen Spätzle und das recht unauffällige Wirsinggemüse vernahm ich kritische Töne von der Frau gegenüber. Spätzle und Wirsinggemüse (Beilagen zum Wild)
Somit setzte ich alle Hoffnung auf den Käsegang, der sie hoffentlich besänftigen würde.
Die Idee mit dem gratinierten Picandou (11,50 Euro) auf geröstetem Münsterländer Landbrot erwies sich als voller Erfolg. Gratinierter Picandou
Die Kombination aus geschmolzenem Ziegenkäse, knusprigem Parmaschinken, aromatischem Olivenöl und ein wenig Thymian ließ mich gedanklich in Richtung Périgord abdriften, ehe mich eine reich bestückte Käseplatte auf den Boden der Molkereierzeugnisse zurückbrachte.
Fourme D’Ambert, Brie de Meaux, Comté – alles gute alte Bekannte des chronischen Dessertverzichters am Tisch. Ich war da bereits so pappsatt, dass ich dem wohl affinierten Treiben auf der ovalen Porzellanplatte nur mit selbstauferlegter „Askäse“ begegnen konnte. Schön, dass sich Borgis Busenfreund Rainer – kam mir seltsam bekannt vor, der Typ – noch von uns verabschiedete. Seinen neidvollen Blick auf unser Käsegeschwader konnte ich da schon nicht mehr nachvollziehen. Borgfelders "Dessert"-Platte
Ich glaube sogar, dass sich irgendjemand am Tisch noch einen englischen Bread & Butter – Pudding einverleibte. Der fiel nach diesem Bistroküchenmarathon dann auch nicht weiter ins Gewicht. Ein Plausch mit den beiden sehr sympathischen Gastgebern beendete einen wirklich legendären Abend. Mit einem kleinen Abschiedsgeschenk ausgestattet – die hausgemachte „Nutella“ gab’s quasi „to go“ mit dazu – stürzten wir uns ins Bremer Nachtleben, das nach kurzem Boxenstopp in der Villa Borgfelder noch jede Menge elektronische Beats bereit hielt.
Danke lieber Borgi für diesen denkwürdigen Abend! Er findet Platz in meiner persönlichen Best-of-Bremen-Liste. Gleich neben Due Fratelli und Canova.
Ende des Jahres war es dann endlich soweit. Drei „guides culinaires“ fanden sich inklusive ihrer charmanten Gattinnen beim Tabellenführer ein. Nein, die Rede ist nicht vom Arena Bistro in München Fröttmaning. Der aufmerksame Leser dieses Portals weiß natürlich, wo der Bremer Lokalmatador seine GG-Schäfchen ins Trockene brachte. Einer der Teilnehmer des illustren Hedonistenzirkels, Carsten1972, hat ja bereits sehr zeitnah davon berichtet. Und für die Rezension des Schirmherrn der Veranstaltung werden wir wohl noch ein wenig Geduld aufbringen müssen…
Zur Überbrückung... mehr lesen
Grashoff´s Bistro
Grashoff´s Bistro€-€€€Restaurant, Bistro, Bar, Sternerestaurant042114749Contrescarpe 80, 28195 Bremen
4.5 stars -
"Spendabel geht die Welt zugrunde oder: weinseliger Genuss-Gipfel im trubeligen Bremer Vorzeige-Bistrot mit ganz viel Charme und fantastischen Gastgebern" marcO74Ende des Jahres war es dann endlich soweit. Drei „guides culinaires“ fanden sich inklusive ihrer charmanten Gattinnen beim Tabellenführer ein. Nein, die Rede ist nicht vom Arena Bistro in München Fröttmaning. Der aufmerksame Leser dieses Portals weiß natürlich, wo der Bremer Lokalmatador seine GG-Schäfchen ins Trockene brachte. Einer der Teilnehmer des illustren Hedonistenzirkels, Carsten1972, hat ja bereits sehr zeitnah davon berichtet. Und für die Rezension des Schirmherrn der Veranstaltung werden wir wohl noch ein wenig Geduld aufbringen müssen…
Zur Überbrückung
Geschrieben am 10.02.2020 2020-02-10| Aktualisiert am
02.03.2021
Besucht am 22.12.2019Besuchszeit: Abendessen 3 Personen
Rechnungsbetrag: 73 EUR
…haben wir uns kurz vor Heiligabend einmal quer durchs panasiatische Streetfood-Angebot gefuttert!
Aber immer schön der Reihe nach. Ich war noch nie in Oldenburg und so unternahmen wir zwei Tage vor Weihnachten einen Ausflug in die beschauliche Universitätsstadt an der Hunte. Nachdem wir uns mit Kaffee und Kuchen „auf Saltkrokan“ erstversorgt hatten, schlenderten wir über den Weihnachtsmarkt („Poffertjes!“) und besuchten das im Schloss untergebrachte Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte.
Nach dem Gang durch die Oldenburger Geschichte, bei der mir Graf Anton Günther als besonders honoriger Repräsentant im Gedächtnis geblieben ist, nahmen wir Kurs in Richtung Waffenplatz, an dem sich das Asialokal befand.
Natürlich hatte ich mich im Vorfeld auf diversen Gastroportalen über die kulinarische Situation der Stadt informiert. Das einzige Etablissement, dass mir dort sympathisch erschien, nannte sich „Kleine Burg“. Doch die Legende besagte, dass sich dort ein von mir sehr geschätzter Weserrezensent dermaßen kritisch über das Gebotene geäußert haben soll, dass er forthin als geächteter Schreiberling galt und mit mehrjährigem Hausverbot belegt wurde.
Also „Kleine Burg“, sorry, aber dich zu besuchen wäre vermutlich Gift für mein Rezensentenkarma. Da muss die Community schon zusammenhalten. Das DIN-A3-Plakat mit dem satirisch überzeichneten Kritikerkollegen („Wir müssen draußen bleiben“) könnte man allerdings wieder von der Eingangstür nehmen.
Na dann mal schnell beim Falstaff meines Vertrauens reingeschaut und die Liste der Oldenburger Genussbuden abgecheckt. Und da meine beiden weiblichen Begleitungen gewisse Affinitäten zur Asiaküche nie leugnen würden und das Royals & Rice dort gelistet war, ging es an jenem vorweihnachtlichen Sonntagabend in die Oldenburger „Saigon Street“.
So jedenfalls stand es auf der grell beleuchteten Neonreklame, die über der Glasfront an der Stirnseite prangte. Außenansicht
Vielleicht ein absichtlicher Schachzug, nachdem man gemerkt hatte, dass der etwas holprige Namen – sorry, aber unter dem Motto „Royals & Rice“ stellen sich wohl die allerwenigsten vietnamesisches Street Food vor – nicht so recht zum Speisenangebot passen wollte.
Wir traten in das von außen sehr einladend wirkende, da stimmig illuminierte Restaurant ein, wurden direkt an der Fensterfront platziert und von einem hippen jungen Mann mit Bart und Strickkäppi in die Gepflogenheiten des Konzeptlokals eingeführt. Wer heute noch hinter (pan)asiatischen Läden gastronomische Einzeltäter vermutet, glaubt auch, dass die hier verwendeten Produkte aus regionalem Anbau stammen.
Und tatsächlich findet man unter Zuhilfenahme der allwissenden Suchmaschine mit dem großen „G“ auch ein „R & R“ in der Berliner Torstraße und – wesentlich weniger erstaunlich – in der westdeutschen Gastrometropole schlechthin, in Münster. Kein Wunder also, dass da unser Fachmann fürs Lokalisieren hipper Ess-Umgebungen aus Rheine schon mit Udon-Nudeln und Sommerrollen hantierte. Sein lesenswerter Kurzbericht auf GG ließ mich jedoch mit gemischten Gefühlen in der Saigon-Klause Platz nehmen.
Neben der Standardkarte wurde uns zusätzlich eine in Klarsichtfolie gepackte Wochenkarte mit ein paar Specials gereicht. In Tischmitte lag ein Block, um die Anzahl der gewünschten Gerichte einzutragen. So weit, so effizient. Der Bestellblock
Bei einer „lauten“ Flasche Mineralwasser (Viva con agua) für städtische 5,60 Euro, einem Tegernseer Hellen vom Fass (0,5l für 5 Euro) und einer hausgemachten Limonade (3,50 Euro) verschafften wir uns zunächst einen Überblick über das panasiatische Sammelsurium an klassischen und veganen Street-Food-Gerichten.
Ein paar gängige Sushi-Rollen hatte man auch noch am Start. Ebenso vietnamesische Pho, hawaiianische Bowls, chinesische Wok-Nudeln, thailändische Curries. Warum also um die halbe Welt reisen, wenn am Oldenburger Waffenplatz das kulinarische Erbe des Fernen Ostens (inkl. Teile des Pazifikraums) in eingedeutschtem Gaumenformat – und dazu noch in Probierportionsgröße – angeboten wird?
Na dann mal munter drauflos geordert! So lautete jedenfalls die Devise der Stunde. Die Preispolitik war bei den kleinen Straßenmahlzeiten und den Sushitellern einheitlich gestaltet. Jedes Gericht kostete 4,50 Euro. Kleinere Aufpreise standen in Klammern angegeben dabei. Die Hauptspeisen oszillierten preislich um die 10-Euro-Marke.
Der „Mana grilled Salmon“, eine hawaiianische Bowl mit flambierten Lachs, Tempura-Shrimps, Edamame, Guacamole, Masago (Fischrogen), Gurke, Soja-Sesam-Sauce und Reis, war mit 14,50 Euro das teuerste Gericht auf der Karte. Das war mir aber dann doch des Gemischten etwas zu viel. Da konnte ich mit der reichhaltigen Auswahl an Asia-Petitessen schon mehr anfangen.
Und so orderten wir in erster Linie eine Reihe kleiner, appetitlich klingender Tellergerichte. Welcher Fleischfreund kann schon kulinarischen Kuriositäten wie zum Beispiel „Duc’s favourite Chili Chicken“ oder „Crackling Roast Pork“ widerstehen? Ein paar Dim Sum mussten natürlich auch sein. Mit „Crispy Honey Siracha Tofu“ wagte ich sogar den Ausflug ins vegane Neuland. Nur um dann mit einer „Crispy Salmon Roll“ ganz weltmännisch auch die „Sushi-Side-of-Life“ abzudecken.
Meiner Frau war das alles eine Spur zu „crispy“, weshalb sie mit einer Portion Kimchi und einem Glasnudel-Salat (9 Euro) von der Empfehlungskarte gegensteuerte. Meine Schwägerin sprang indes auf den transasiatischen Probierexpress auf und bescheinigte mir eine hohe Street-(Food)-Credibility. Beim Hauptgang griff sie dann aber doch auf Bewährtes zurück. Ein Thai-Curry (Farbe stand nicht dabei…) mit Hähnchenfleisch, Bohnen, Kirschtomaten, Kartoffeln, Erdnüssen, Thai-Basilikum etc. für 9,50 Euro wurde auf dem Bestellzettel notiert.
Ich hängte an den aus sechs Positionen bestehenden Street-Food-Reigen noch eine wärmende Schüssel Pho (8,90 Euro) dran. Auf diese heiße, mit gewoktem Rindfleisch, Rindfleischbällchen, Reisbandnudeln, Limetten, Chili und Ingwer verfeinerte Brühe freute ich mich ganz besonders, da sie der kalten Jahreszeit ein genüssliches Schlürfen entgegenzusetzen hatte.
Wir hatten nun ein wenig Zeit, uns die Räumlichkeiten etwas genauer anzusehen. Es regierte trendiger Industriechic, dessen kühles Betonambiente durch die teilweise holzverkleideten Wände und dem ebenfalls aus hellem Holz „geschnitzten“ Mobiliar etwas an Behaglichkeit gewann.
Der häufig anzutreffenden Dekorations- und Verzierungswut asiatischer Läden hatte man hier einen Riegel vorgeschoben.
Wer auf Betonpfeiler, freiliegende Lüftungsrohroptik an Decke und Wänden sowie weiß gekachelte Ausschanktresen steht, wird sich im Royals & Rice sicher wohlfühlen. Innenansicht 1 Innenansicht 2
Zumal die Lichtverhältnisse, die von den recht tiefhängenden Pendelleuchten erzeugt wurden, ganz angenehm waren. Irgendwie erinnerten mich einige der Zellophan-Lampenschirme an Tropenhelme. Oldenburg lag scheinbar doch näher am Äquator als mir vorher bewusst war. Innenansicht 3
Es dauerte nicht lange, da wurde unser Essen geliefert. Scheinbar hatte man unseren Tisch für eine spätere Uhrzeit schon vergeben. Der Service brachte es jedenfalls fertig, alle zehn Gerichte gleichzeitig zu servieren. Was logistisch lobenswert erscheint, war natürlich so von uns nicht geplant und brachte ein schnelleres Verputzen der langsam erkaltenden Speisen mit sich. Wir gingen davon aus, dass die kleinen Street-Food-Happen vorweg geliefert würden. Naja, war nicht so. Dann halt mit allem und scharf.
Nun hatte unsere Tischplatte fast schon Büffetcharakter und es wurde eifrig kreuz und quer probiert. Den Anfang machten die passablen Crispy Rolls, die man vielleicht etwas gefälliger fürs Auge hätte anrichten können. Aber da bin ich eben ein verwöhnter „Koza(r)“. Crispy Salmon Roll
Die knusprig frittierten, mit Kimchi und Gemüse gefüllten Teigtaschen badeten in einer leichten Soja-Sesam-Sauce und waren mit etwas Koriander aufgegrünt. Crispy Korean Dumplings
Das ebenfalls recht krosse Chili Chicken, das angeblich mit vier Chilisorten abgeschmeckt wurde, war kein Scoville-Missbrauch. Die kleinen Hähnchenstücke lagen auf einem Salatbett. Rote Zwiebel, Sesam und Erdnüsse peppten das eher brave Chili Huhn noch etwas auf. Duc's Favourite Chili Chicken
Der knusprige Krustenbraten nach vietnamesischer Art kam mit einer süßlich-pikanten Pflaumen-Hoisin-Sauce in den Napf. Die passte ganz hervorragend zur röschen Schweinerei. Auch hier gaben sich wieder Korianderklein, Erdnüsse, Rettich und Salat die Garniturklinke in die Hand. Crackling Roast Pork
Die panierten Tofuwürfel aus der Vegan-Abteilung waren zwar schmackiger als vermutet, Crispy Honey Siracha Tofu
an die gedämpften, mit Garnelen und Hackfleisch gefüllten Teigtaschen kamen sie aber nicht ran. Schuld war daran in erster Linie die Zitronengras-Chili-Soya-Sauce, in der sie ihre letzten Minuten verbrachten. Gedämpfte Teigtaschen
Der Glasnudelsalat sah recht unspektakulär aus. Meiner Frau hat er jedoch zugesagt. Glasnudelsalat
Das farblose Curry wurde von mir getestet und für weitgehend harmlos eingestuft. Etwas mehr Bumms hätte es schon haben können, aber ein kulinarischer Griff ins kalte Klo war es auch nicht. Dafür waren die verwendeten Zutaten einfach zu frisch. Die Unsitte, den Salat in die gleiche Schüssel wie den Reis und die Sauce zu packen, finde ich auch bei anderen Panasiaten nicht so prickelnd, aber meine Schwägerin hat das scheinbar weniger gestört. Das Curry Curry
Das Beste kommt ja bekanntlich zum Schluss. Hier kam es zeitgleich mit den anderen Speisen, was dem vollmundigen Pho-Genuss keinen Abbruch tat. Eine heiße Schüssel Pho rettet ja bekanntlich jeden kalten Winterabend. Zumal diese hier mit ordentlich Einlage punktete. Thai-Basilikum, Koriander, Limetten und Chili verliehen der an sich schon intensiv schmeckenden Rinderbrühe noch zusätzliche Frische und aromatische Fülle. Pho (am Anfang) Pho (später)
In der Summe war es ein entspannter Abend in der Oldenburger Saigon Street. Das verzehrte Potpourri aus diversen kleinen Gerichten panasiatischer Provenienz fiel bei aller Hippness nicht in den Verdacht der Gaumenwischerei. New York – Rio – Tokio war gestern. Berlin – Münster – Oldenburg dahin zieht es den Instagram-Esser mit Vorliebe für Kreuzüberfernöstliches.
Uns zog es dann wieder zurück ins Bremer Heimatprovisorium. Der Heiligabend stand vor der Tür und das Treffen mit renommierten GG-Mitglieder in einem bescheidenen Bremer Bistro kurz danach auf dem Plan. Darüber berichte ich zu gegebener Zeit…
…haben wir uns kurz vor Heiligabend einmal quer durchs panasiatische Streetfood-Angebot gefuttert!
Aber immer schön der Reihe nach. Ich war noch nie in Oldenburg und so unternahmen wir zwei Tage vor Weihnachten einen Ausflug in die beschauliche Universitätsstadt an der Hunte. Nachdem wir uns mit Kaffee und Kuchen „auf Saltkrokan“ erstversorgt hatten, schlenderten wir über den Weihnachtsmarkt („Poffertjes!“) und besuchten das im Schloss untergebrachte Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte.
Nach dem Gang durch die Oldenburger Geschichte, bei der mir Graf Anton Günther... mehr lesen
4.0 stars -
"Wo die Oldenburger Royals ihren Reis essen…" marcO74…haben wir uns kurz vor Heiligabend einmal quer durchs panasiatische Streetfood-Angebot gefuttert!
Aber immer schön der Reihe nach. Ich war noch nie in Oldenburg und so unternahmen wir zwei Tage vor Weihnachten einen Ausflug in die beschauliche Universitätsstadt an der Hunte. Nachdem wir uns mit Kaffee und Kuchen „auf Saltkrokan“ erstversorgt hatten, schlenderten wir über den Weihnachtsmarkt („Poffertjes!“) und besuchten das im Schloss untergebrachte Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte.
Nach dem Gang durch die Oldenburger Geschichte, bei der mir Graf Anton Günther
Geschrieben am 28.01.2020 2020-01-28| Aktualisiert am
02.03.2021
Besucht am 20.12.2019Besuchszeit: Abendessen 4 Personen
Ein paar Tage vor Weihnachten war es endlich soweit. Das lang ersehnte Treffen mit meinem Solinger Genussbuddy und seiner Madame wurde kulinarische Realität. Wir legten auf unserem alljährlichen Weg nach Bremen einen geplanten Stopp im Bergischen ein, wohlwissend dass uns der Soulfood-Aficionado aus dem Stadtteil Höhscheid in einen adäquaten Wonneschuppen führen würde.
Nach dessen fulminanter Rezi über das „Charly’s“ vom letzten Sommer, als er mit abgesenktem Blutzuckerspiegel seine BBQ-Shoes schnürte und eine monströse Platte mit low & slow gesmoked-ten Fleischpreziosen in Gegenwart seiner ehemaligen Arbeitskollegen verputzte, war ein Besuch in dem von Dirk Vieth geführten Fine-Diner in den Solinger Südstaaten allererste GG-Pflicht.
Er reservierte für vier und meine Vorfreude auf dieses Rippen-Rendezvous stieg von Tag zu Tag. Unsere im Vintage-Stil eingerichtete Wohnung lag fußläufig nur wenige Minuten vom Diner entfernt. Auch zur Villa Shaneymac war es nicht allzu weit. Unsere frühe Ankunft erlaubte ein kleines Warm-up in der Wohnung des Lokalmatadors. Eine gute Gelegenheit, um sich ein wenig zu beschnuppern und gleich mit einem Gläschen Sekt (oder wer es Secco?) für entspannte Verhältnisse zu sorgen.
Nach dem Austausch alkoholhaltiger (Gast)-Geschenke, dem Kennenlernen der Dame des Hauses und der Begegnung mit den beiden pelzigen Mitbewohnern, ging es in den wohl berühmtesten Feinkostladen der Messermetropole („Casa Luz“), der von einem Freund des Solinger Erfolgshedonisten betrieben wurde (wahrscheinlich hat dieser selbst jede Menge Aktien in dem Schuppen…) und mit italienischen und spanischen Leckereien aufwartete. Ein paar Köstlichkeiten für die kommenden Tage in Bremen bei den Schwiegereltern konnten ja nicht schaden.
Nach kurzem Zwischenstopp in unserer geschmackvoll eingerichteten Unterkunft, die sich im Erdgeschoss eines denkmalgeschützten Gebäudes aus dem Jahr 1912 befand, marschierten wir zu viert in Richtung Katternberger Straße, wo sich der nach dem Vater des Besitzers benannte Diner befand.
Im Inneren des zunächst recht unspektakulär anmutenden BBQ-Ladens hieß man uns freundlich willkommen. Unser Tisch befand sich im linken Gastraum, der mit seinen Dinerbooths (Sitzbänke mit Kunstlederüberzug und einem Tisch in der Mitte), den von Countrysänger-Auftritten und Rockabilly-Events kündenden Wandplakaten sowie den im Old-Warehouse-Look von der Decke baumelnden Hängelampen jede Menge American-Retro versprühte. Innenansicht 1 Innenansicht 2
Der optische Eindruck war schon mal sehr positiv. Wir waren gespannt, wie der kulinarische wohl ausfallen würde.
Bevor wir uns mit den Speiseplänen, die schon als Platzsets auf dem Tisch bereit lagen, beschäftigten, stand natürlich der verbale Austausch des neu gegründeten Futtervierers im Vordergrund. Dass dabei die beiden Foodmates auf einer Wellenlänge lagen, war wenig verwunderlich. Umso erfreulicher jedoch, dass auch unsere beiden besseren Hälften von Beginn an gut miteinander konnten. Die lebhafte Kommunikation ließ die geplante Nutrition in den Hintergrund rücken. Insofern hätten wir auch in jeder x-beliebigen Frittenbude unseren Spaß gehabt. Denn wenn die Gesellschaft derart passt, spielt die Kulinarik nicht die Hauptrolle.
Der stetige Blick auf die bedruckten Platzsets und das Knurren meines Magens zwangen uns dann doch den Bestellvorgang selbst in die Hand zu nehmen. Der gute Shaneymac hatte schon im Vorfeld mit dem Pitmaster konspiriert und sich auf die Beef Short Ribs eingeschossen. Auch die sagenhafte, 10 kleine Schälchen beinhaltende Dip-Line, bei der Dirk Vieth sein komplettes Saucenprogramm auf einer Holzleiste präsentiert, war gesetzt. Auch an der „Mixed Plate“ (9,50 Euro), einem wohlfrittierten Sortiment aus Appetizern, bestehend aus Chicken Wings, Mozzarella Sticks, Onion Rings etc., kamen wir nicht vorbei. Beide Parteien schienen ordentlich Hunger mitgebracht zu haben, was die zweifache Bestellung dieser Fingerfood-Palette vorweg bedeutete.
Aus dem Burger-Baukasten auf der Rückseite des Speisenzettels stellte sich meine Herzensdame einen vegetarischen Vertreter zusammen. Aus der Tabelle zum Ankreuzen entschied sie sich für ein „Multigrain-Bun“, ein paniertes Feta-Patty, irgendeine der hausgemachten Saucen sowie ein paar Jalapeños in moderatem Scharf-Grün. In der Summe lag ihr Baukasten-Burger bei knapp unter 10 Euro. Auch die sympathische Madame Shaneymac startete eine Burgerinitiative.
Die Entscheidung fiel mir ehrlich gesagt nicht leicht. Allein die BBQ-Specials aus dem hauseigenen Smoker offenbarten eine temporäre Entschlussschwäche. Bacon Bomb, Beef Brisket und Babyback Ribs gibt es bei uns ja schließlich nicht in jeder Grillbude. Gut, dass ich da einen Fachmann neben mir sitzen hatte, auf dessen kundige Beratung Verlass war. Eine Portion Spareribs aus dem Smoker (800 Gramm für 16,50 Euro) sollten es schließlich für mich werden. Passend zur schweinernen Gaumenorgie bestellte ich ein süffiges Keiler Kellerbier. Der Freund liquider Agrarprodukte zu meiner Rechten entschied sich indes für das Keiler Weizen.
Bestellt wurde übrigens an der Theke, die sich im rechten Gastraum befand. Dieser strotzte nur so vor fast schon vergessen geglaubter Imbiss-Nostalgie. Rechter Gastraum - Imbissnostalgie pur!
Er war die Wirkungsstätte des Küchenchefs und Inhabers Dirk Vieth. Als ausgebildeter Fleischer weiß Dirk natürlich genau, welche Stücke vom Tier seinen BBQ-Ansprüchen am ehesten genügen. Blick von außen durch die Fensterfront
Bei einem sehr netten Plausch nach dem Essen wurde der hohe Qualitätsanspruch des Überzeugungssmokers deutlich. Auch erklärte er uns, warum er derzeit auf hochwertige, amerikanische Convenience-Produkte (Mozzarella Sticks, Onion Rings) bei der Appetizer-Platte zurückgreifen müsse. Seinem Bestreben nach komplett hausgemachtem Fingerfood konnte er zu dieser Zeit aufgrund der angespannten Personalsituation – heute ja eher die Regel als die Ausnahme – leider nicht nachkommen.
Egal, wir freuten uns auf die nicht komplett fettfreien Teilchen, die in einem mit Papier ausgelegten Plastikkorb zusammen mit ein paar Saucen und jeder Menge Nachos serviert wurden. Zeitgleich wurde die farbenfrohe, 10 Saucen umfassende Dipline (6,50 Euro) des „Macsters“ in der Mitte unseres Tisches platziert. The legendary Dip-Line
Die hausgemachten Tunken waren nach ihrem Schärfegrad angeordnet. Das heißt von Ketchup-mild bis Habanero-scharf. Dazwischen lagen so wohltuende Dips wie Smoked BBQ oder Honey Chipotle. Strawberry BBQ Sauce Honey Mustard Sauce
Aber auch Gewöhnungsbedürftiges wie etwa die Alabama white, eine helle Pfeffersauce, mit der wir so gar nicht warm wurden.
Von den vorweg gereichten Kleinigkeiten sagten mir die herzhaft marinierten, knusprig gegrillten Hühnerflügel am meisten zu. Dicht gefolgt von den Chicken-Nuggets, die mit saftigem Inneren und krosser Cornflakes-Hülle punkten konnten. Meine Frau hielt sich dagegen mehr an die cremig-scharfen Chili-Cheese-Nuggets und die panierten „Zwiebel-Calamaris“. Frittiertes Glück im Korb
Mit Hilfe der Nachos tunkten wir uns durch die Saucen-Avenue unseres Gönners und tauschten uns über geschmackliche Nuancen und verwendete Zutaten aus. Ein unverhoffter Sensorik-Kurs, der unsere Geschmackspapillen für die kommenden Aufgaben schärfte und auch wieder beruhigte. Chipotle Raspberry Sauce Hot Chili BBQ Sauce (...a hellfire!)
Ich gebe ja zu, dass mein heimischer Holzkohlegrill trotz seiner südseitigen Lage auf unserem Balkon in den letzten Jahren eher ein Schattendasein fristet. Aber wenn ich den ollen Säulengrill mal anwerfe, dann dürfen die Spareribs von der Metzgerei meines Vertrauens aus Herxheim nicht fehlen. Zusammen mit meiner Frau und meiner Mutter machen sich dann drei gierige Nagetiere über die bei schwacher Glut immer knuspriger werdenden Köstlichkeiten her. Steaks, Würste und Spieße sind da nur sättigendes Vorgeplänkel. Der wahre Genuss kommt bei unseren seltenen Grillaktionen immer zum Schluss.
Warum erzähle ich das? Weil mir als bekennendem Ribster genau das in den Sinn kam, als uns die sanft geräucherten Leckerbissen vorgesetzt wurden. Nur waren diese in puncto Saftigkeit den heimischen Balkongenüssen um mehrere Schweinsdicken voraus. Schön, wenn es einem „December-Dish“ gelingt, den vergangenen Sommer nochmal für kurze Zeit ins kulinarische Gedächtnis zu rufen.
Noch bemerkenswerter, wenn man ein simples, schon so oft genossenes Mahl plötzlich in einer so außergewöhnlichen Qualität vorgesetzt bekommt, dass es den eigenen Geschmackshorizont erweitert. Die Rippenbekenntnisse des Überzeugungssmokers von Solingen hatten das Zeug dazu. Selbst meine Frau, die normalerweise keine Affinität für etwas fettigere Fleischgenüsse hat, war begeistert. Und wie leicht sich das herrlich mürbe, delikat „gerubte“ und nachträglich mit leicht süßlicher BBQ-Sauce bepinselte Fleisch vom Knochen löste! Zweifellos war hier ein Könner am Werk bzw. am Grill, der seine Rauchaufgaben (im Vorfeld) erledigt hatte. DIE Spareribs aus dem Smoker
Auch der „Macster“ genoss seine „Chuck Short-Ribs“ vom Rind als würde er gerade in einem alteingesessenen Roadside-Diner zwischen Birmingham und Tuscaloosa auf dem Alabama BBQ Trail in Rippenhaft sitzen – natürlich lebenslänglich und mit täglicher Bewährung. Seinen Pfälzer Beef-Buddy ließ er selbstverständlich von seinen Rinder-Querrippen mit hohem Fleischanteil kosten. Beef Short-Rips
Unsere beiden Burger-Bunnies hatten zwar so ihre Problemchen mit dem stattlichen Höhenmaß ihrer mehrgeschossigen „Bauten“, aber auch sie lobten die Vieth’schen Grillerzeugnisse in hohen Tönen. Der Feta-Burger
Bezahlt wurde ebenfalls an der Theke. Die Fachsimpelei zweier fleischverrückter So(u)linger war natürlich im absolut fairen Preis mit inbegriffen. Ein Schnappschuss für die Titelstory der neuen „BEEF“ musste noch sein. Dafür posierte die „Holy Trinity“ des Abends in herzlich fraternisierender Art und Weise vor dem Eingang des Diners.
Auf dem Fußweg zu unserer Unterkunft kam mir ganz überraschend der 2013er Ethos Cabernet Sauvignon Reserve vom Chateau Ste. Michelle (Eastern Washington) in den Sinn. Dieser 14,5%-ige Rotwein-Riese wartete nur darauf von uns entkorkt zu werden. Mit ihm im Glas ließen wir vier den Abend gemütlich ausklingen und waren uns einig, dass diese denkwürdige Zusammenkunft nach einer baldigen Wiederholung verlangte.
Lieber Shaneymac, es wäre schön, wenn ihr das kulinarische „Rückspiel“ in der Pfalz noch in diesem Jahr antreten könntet. You’re always welcome!
Ein paar Tage vor Weihnachten war es endlich soweit. Das lang ersehnte Treffen mit meinem Solinger Genussbuddy und seiner Madame wurde kulinarische Realität. Wir legten auf unserem alljährlichen Weg nach Bremen einen geplanten Stopp im Bergischen ein, wohlwissend dass uns der Soulfood-Aficionado aus dem Stadtteil Höhscheid in einen adäquaten Wonneschuppen führen würde.
Nach dessen fulminanter Rezi über das „Charly’s“ vom letzten Sommer, als er mit abgesenktem Blutzuckerspiegel seine BBQ-Shoes schnürte und eine monströse Platte mit low & slow gesmoked-ten Fleischpreziosen... mehr lesen
Charly's Diner
Charly's Diner€-€€€Imbiss01729303800Katternberger Str. 122, 42655 Solingen
4.5 stars -
"Where some foodmates share the dip-line! – Rippenbekenntnisse eines Überzeugungssmokers" marcO74Ein paar Tage vor Weihnachten war es endlich soweit. Das lang ersehnte Treffen mit meinem Solinger Genussbuddy und seiner Madame wurde kulinarische Realität. Wir legten auf unserem alljährlichen Weg nach Bremen einen geplanten Stopp im Bergischen ein, wohlwissend dass uns der Soulfood-Aficionado aus dem Stadtteil Höhscheid in einen adäquaten Wonneschuppen führen würde.
Nach dessen fulminanter Rezi über das „Charly’s“ vom letzten Sommer, als er mit abgesenktem Blutzuckerspiegel seine BBQ-Shoes schnürte und eine monströse Platte mit low & slow gesmoked-ten Fleischpreziosen
Geschrieben am 25.01.2020 2020-01-25| Aktualisiert am
03.03.2021
Besucht am 12.12.2019Besuchszeit: Abendessen 4 Personen
Rechnungsbetrag: 179 EUR
Zusammen mit meinen drei Wörther Schlemmerboys war ich Mitte Dezember im Weinörtchen Mussbach bei Neustadt in kulinarischer Mission unterwegs. Und tatsächlich verschlug es uns nicht in die legendäre Eselsburg, die ja mittlerweile zum gastronomischen Kulturerbe der Pfalz gezählt wird und sich nicht nur regional einer großen Beliebtheit erfreut.
Unser Ziel war die Ende Juni 2018 neu eröffnete Winzerstube, die vorher über 40 Jahre lang von der Familie Bäder gutbürgerlich geführt wurde und nun seit gut eineinhalb Jahren mit Küchenchef Stefan Schaich einen Verantwortlichen am Herd stehen hat, der für eine bodenständige Pfalzküche mit modernen Tendenzen steht.
Einer unserer kollegialen Spachteltruppe hatte im Freizeitmagazin LEO (wöchentliche Beilage der Zeitung „Die Rheinpfalz“, Anm.) unter der Rubrik „Lokaltermin“ einen Artikel von Markus Giffhorn über diesen „nicht alltäglichen“ Gastronomiebetrieb gelesen und da er an diesem Abend unser Gaumenziel bestimmen durfte, landeten wir in dem zur Winzergenossenschaft Weinbiet gehörenden Anwesen.
Stefan Schaich ist im Raum Neustadt kein Unbekannter, kochte er doch schon früher im Restaurant Zwockelsbrück. Im Sommer 2014 hat er dann ganz in der Nähe als Koch im Hotel Palatina angeheuert. Als dort die Herren Wiedemann und Hundt ihr neues Steakrestaurant Tables eröffneten, wurde Stefan Schaich dort Küchenchef. Das war im Juli 2016. Ziemlich genau zwei Jahre später wurde der gebürtige Frankenthaler in der ebenfalls zur Hotel PalatinA GmbH gehörenden Winzerstube Geschäftsführer.
Seine Vorstellung einer saisonal geprägten Regionalküche scheint – wenn man den lobenden Worten auf diversen Gästeportalen Glauben schenken darf – gut anzukommen. Da war von einem „annehmbaren Preis-Leistungs-Verhältnis“ und einer „geschmackvollen Zusammenstellung vorwiegend heimischer Produkte“ die Rede. Bei so viel positiver Resonanz vorab, waren wir gespannt auf das, was uns der 32-jährige Küchenchef und sein Team an diesem Donnertagabend so alles auftischen würden.
Als wir das schmucke, direkt an der Eselshaut (so der ungewöhnliche, nach einer Weinlage benannte Straßenname) gelegene Fachwerkhaus betraten, Außenansicht
war außer uns nur eine größere Tischgruppe in der geschmackvoll eingerichteten Stube zugegen. Später füllte sich der Gastraum noch ein wenig. Der heimeligen Atmosphäre in den von hellem (Fischgrätparkettboden, Tischplatten) und dunklem Holz (halbhohe Wandverkleidung, Stühle, Thekenbereich) dominierten Räumlichkeiten tat das keinen Abbruch. Blickfänger war natürlich der weißgekachelte Nostalgie-Ofen gleich neben dem Ausschanktresen. Ein Mordsteil, das da für kuschelig-warme Verhältnisse sorgte. Innenansicht 1
Ansonsten beherrschte gepflegte Sachlichkeit das Mobiliar. Auf der schlicht eingedeckten Tischfläche nahm ich ein paar bauchige Wassergläser, einen Hauch von Weihnachtsdeko und das obligatorische Kerzenflackern aus dem Windlichtglas wahr. In Tischmitte zog ein cremefarbener Stoffläufer seine Bahn und verdeckte einen Teil der rustikalen Naturholzplatte unter sich. Messer und Gabel steckten in einer weißen Zellstoff-Serviette, die zusammen mit Brotmesser bzw. Brotteller das Einstiegsgedeck bildeten. Innenansicht 2
Gleich auf der ersten Seite der Speisenkarte wurde darauf hingewiesen, dass sämtliche Weine von der ortsansässigen Winzergenossenschaft „Weinbiet Manufaktur“ stammten. Das wunderte uns nicht, da ja schon draußen auf dem alten Wirtshausschild das Genossenschaftswappen deutlich sichtbar an der Fassade prangte. Bei den Eigentümern des Anwesens hat sich in den letzten Jahren viel getan. Über eine Million Euro hat die Genossenschaft in den Ausbau und die Modernisierung ihrer Räumlichkeiten (Holzfasskeller und Abfüllhalle) gesteckt. Klar, dass man dann die eigenen Weine auch unters vinophile Volk bringen möchte. Und wo eignet sich das besser als in der eigenen Winzerstube?
Nun genießen Genossenschaftsweine bei Kennern im Allgemeinen keinen sonderlich guten Ruf, aber auch in diesem früher eher auf Masse statt auf Klasse setzenden Segment der Weinerzeugung hat sich in den letzten Jahren qualitativ einiges getan. Die kehligen Sortimente bedauernswerter deutscher Nieder-Lagen gehören weitgehend der Vergangenheit an. Vielleicht würden wir ja doch die ein oder andere Entdeckung im Weinbiet-Portfolio der Winzerstube ausfindig machen können.
Was uns sofort begeisterte, waren die äußerst gästefreundlich kalkulierten Getränkepreise. Ein flaschengegärter Riesling-Sekt aus der Lage Mussbacher Eselshaut war schon für knapp unter 20 Euro die Flasche zu haben. Auch beim Mineralwasser übertrieb man es nicht. Bei einem Flaschenpreis von 3,50 Euro für das wirklich hervorragende Teinacher Gourmetwässerchen ließ es sich gut Durst löschen.
Die genossenschaftliche Rebsaftpalette erstreckte sich über Guts-, Rebsorten- und Lagenweine. Unter letzteren war beispielsweise ein trockener 2017er Sankt Laurent von der regional bekannten Weinlage Gimmeldinger Meerspinne für gerade einmal 14 Euro (!!!) die Flasche gelistet. Die teuersten Tropfen des recht umfangreichen Angebots schlugen mit 20 Euro zu Buche. Es waren Weine aus der Premium-Linie, die den Namen eines Gründungsmitglieds der Genossenschaft („Philipp Bassler“) trugen.
Um gleich auf Betriebstemperatur zu kommen, gönnte ich mir zum Aperitif einen Ricard (5cl für 4 Euro), der mir - wie gewünscht - mit Wasser verdünnt serviert wurde. Meine Kollegen waren in vorweihnachtlicher Secco-Laune, die uns zwei perlende „Sommertänzer“ (weiß und rosé) zu jeweils 2,30 Euro auf die (Tisch-)Platte brachte.
Zum Wein des Abends deklarierten wir einen trocken ausgebauten 2016er Chardonnay von der Edition Philipp Bassler (20 Euro), der mit vielversprechenden Attributen aufwarten sollte. Der Wein des Abends
„Cremig-weich, vollmundig und nachhaltig“ stand da als Subtext auf dem DIN-A4-formatigen Beipackzettel. Da knickte selbst der bekennende Rotwein-Vernichter neben mir ein und gab zur Flaschenwahl seinen weinheiligen Segen. Gut, jener spülte den eleganten Weißen mit zwei Gläsern Spätburgunder hinunter. Wer hat, der hat – wer kann, der kann!
Doch bevor uns die Gaumenschrauben angelegt wurden, war ein intensives Studium des Schaich’schen Köchelverzeichnisses unabdingbar. Als Saisonempfehlungen waren ein feines Maronencrèmesüppchen, Gänsekeule mit Kartoffelknödel, Rotkohl und glasierten Maronen sowie ein Apfel-Zimt-Strudel mit Rosinen und Vanille-Eis gelistet. Eine Seite weiter lockte eine dreigängige Küchenreise mit Kürbiscrèmesuppe, Maispoulardenbrust und einem warmen Schokoladenbrownie für schlappe 27,90 Euro. Da machte man mir quasi ein Angebot, das ich kaum ablehnen konnte.
Aber auch das Standardprogramm klang recht verheißungsvoll. Lauwarme Forelle, Feldsalat mit Kartoffeldressing und Carpaccio vom Weiderind seien als durchaus appetitanregende Vorwegmahlzeiten genannt. Pfälzer Rumpsteak, Cordon Bleu und Schweinefilet in Pilzrahmsoße versprachen hausmannsköstliche Deutschküche für fleischaffine Redundanzesser. Spinatknödel mit gerösteten Walnüssen auf Tomatenragout sowie Tagliolini mit Kürbis, Tomaten und Parmesan bedienten dagegen eher die vegetarische Verzehrzunft.
Zusätzlich hatte man ein paar klassische Weinstubenhappen, wie etwa den Pfälzer Vesperteller mit Blut- bzw. Leberwurst, Schwartenmagen samt deftigem Zubehör oder einen Winzertoast mit Poularde, Speck und Ei, im Angebot. Zu Wein und Bier waren das durchaus die passenden Grundlagen.
Als kleine Aufmerksamkeit begrüßte uns die Küche mit einem frischen Kräuterquark und herzhaftem Bauernbrot. „Something to dip“, wie ein sprachgewaltiger GG-Kollege aus dem Bergischen sagen würde, aber eben nicht wirklich ein „Amuse“-ment. Zum ersten Glas Wein verfehlte die nett gemeinte Kleinigkeit dennoch nicht ihr Ziel. Mit was im Bauch trinkt sich halt besser! "Something to dip"
Der etwas konfus wirkende Oberkellner, den ich allein schon wegen seines Akzentes eher in einem Etablissement mit griechischer oder italienischer Küche vermutet hätte, brachte nach angenehmer Wartezeit die beiden bestellten Vorspeisensuppen an den Tisch.
Sowohl die delikat abgeschmeckte Maronensuppe (6,50 Euro) meines Kollegen als auch meine Kürbiscrème von der Küchenreise, die mit gerösteten Kürbiskernen und einem leicht nussig schmeckenden Kernöl verfeinert wurde, präsentierten sich als handwerklich sauber zubereitete Terrinen, deren dezente Sämigkeit keine erschlagenden Argumente lieferte. Hier wurde auf kräftiger Fondbasis operiert, der Stabmixer mit Sinn und Verstand eingesetzt sowie beim Veredeln nicht die Schlagsahne als Überdosis verabreicht. Maronencrèmesüppchen Kürbiscrèmesuppe
Da wurde das recht geschmacksneutrale Dressing des ebenfalls als Vorspeise servierten, kleinen Feldsalats (5,80 Euro) schon kritischer gesehen. Vom kleinen Beilagensalätchen (4,70 Euro), der unsere Vorspeisenpalette komplettierte, ganz zu schweigen. Feldsalat mit Speck und Croutons
Der Kollege gegenüber hatte sich für den Zander (19,50 Euro) entschieden. Dieser wurde mit recht fadem Rahmwirsing und feinen Bandnudeln serviert. Zander mit Rahmwirsing und feinen Nudeln
Beim Wirsing war der Sahneanteil klar zu hoch. Außerdem fehlte es dem Wintergemüse an geschmacklicher Tiefe. Hier wäre mehr handwerkliches Können bei der Zubereitung und vor allem mehr Feingefühl beim Abschmecken erforderlich gewesen.
Laut Speisenkarteninfo sollte der zur Barschfamilie zählende Süßwasserfisch bzw. dessen grätenfreies Filet „auf der Haut gebraten“ – in Küchenkreisen eine immer wieder gerne beschmunzelte Plattitüde – aus der Pfanne kommen. Auf meinen Kollegen wirkte das nicht besonders saftig geratene Auftau-Fischfilet wenig appetitanregend. Da half auch die ihn kläglich ummantelnde Kaschierpanade wenig. Für knapp unter 20 Euro kann man da schon mehr erwarten.
Der Schnitzelversteher neben ihm zeigte sich zufriedener mit seinem Cordon Bleu vom Schwein (17,10 Euro), das mit einem säuerlich frischen Kartoffel-Gurkensalat (inklusive Schnittlauchschnipsel und Senfkörnern) gereicht wurde. Cordon Bleu vom Schwein mit Gurken-Kartoffelsalat
Für seine handfeste Deftspeise galten zwar keine größeren Verfeinerungsansprüche, aber er erwähnte mehrfach die Qualität seiner süffigen Erdapfelbegleitung. Dieser stahl dem mit Käse und Kochschinken gefüllten Schweizer Pfannenklassiker fast die Schau.
Der Hauptgang meiner Küchenreise las sich in der Karte durchaus ansprechend. Und auch der erste optische Eindruck meiner Maispoulardenbrust im Speckmantel auf Parmesanrisotto mit süß-sauer eingelegten Kürbisstücken ließ bei mir keinerlei Skepsis keimen. Maispoulardenbrust im Speckmantel auf Parmesanrisotto und süß-saurem Kürbis (Vorderseite)
Der erste Bissen vom Risotto allerdings schon. Eigentlich hätte es jeder am Tisch verstanden, wenn ich nach dem ersten Löffel des mit Übermacht zubereiteten Gekörns die weiße Sättigungsfahne gehisst hätte. Keine Ahnung, wie viel Parmesankäse, Sahne und andere Massivingredienzien in dieser Wuchtbeilage schlummerten, aber das Ergebnis füllte wie eine zähe, amorphe Ballastbombe die Niederungen meines Porzellans. „Welcome to impact-island!“, schoss es mir beim Anblick dieser Knock-out-Speise durch die Birne. Maispoulardenbrust im Speckmantel auf Parmesanrisotto und süß-saurem Kürbis (Rückseite)
Na gut, vielleicht würde es ja die mit Speck umwickelte Maispoularde richten. Denn so ein Fettmantel schützt ja bekanntlich vor dem Austrocknen und so ein saftiges Stückchen Federvieh würde über das Backstein-Risotto ein wenig hinweghelfen. Aber Pustekuchen - und was für ein knochentrockener! Wie man es bei der heutigen Küchentechnik schafft, ein Stück Fleisch derart übergart aus dem Ofen zu befördern, ist mir komplett schleierhaft. Letztlich verpuffte auch der vegetabile Akzent des Gerichts, da der rabiat gestückelte Kürbis schlichtweg zu süß im Geschmack und auch zu hart in der Textur ausfiel. Das war nicht unbedingt ein genussvolles Hauptgericht, eher ein zu voluminös ausgefallener „Arbeitsgang“ mit garantierter Dauersättigung.
Neben mir schwang der Kollege, der uns die Winzerstube eingebrockt hatte, eifrig die Gänsekeule. Schon die Optik des Tellers nötigte mir einen gewissen Respekt ab. Gänsekeule mit Rotkraut, glasierten Maronen und Kartoffelknödel
Die stattliche Keule lag auf einem ansehnlichen Häufchen Rotkraut. Die glasierten Früchte von der Edelkastanie waren ebenfalls nicht schüchtern portioniert. Zu dieser an sich schon recht sättigenden Beilage gesellten sich noch zwei „Weichkartoffelgeschosse“ in Knödelform dazu.
Ich kenne den kollegialen Gaumenfreund schon lange und bei all unseren gemeinsamen Tafelrunden hat er noch nie etwas auf dem Teller zurückgelassen. Aber diesmal musste selbst er sich geschlagen geben. Die beiden üppigen, von ihrer Konsistenz in Richtung Stahlbeton gehenden Totschlagargumente aus zäher Kartoffelmasse hätte keiner am Tisch geschafft.
Den kurzzeitig von mir erwogenen Beilagentausch (Risotto Vs. Knödel) legte ich nach zaghafter Kloßprobe doch recht schnell ad acta. Keiner von uns beiden dachte zu dieser Zeit an das noch bevorstehende Kaloriengewitter, das auf uns in Form zweier Schokobrownies – meiner als Nachtisch der dreigängigen Küchenreise, der des Kollegen als aus freien Stücken bestelltes Dessert – noch hereinprasseln sollte.
Und als stünden uns noch nicht genug Verdauungsaufgaben in der folgenden Nacht bevor, badete der saftige Schokoquader auch noch in leicht salziger Karamellsauce. Warmer Schokobrownie
Klar mussten da im Anschluss zwei Williams zu jeweils 3,50 Euro das Gläschen den Kollateralschaden von den Magenwänden spülen.
Das Fazit des Abends habe ich ja schon in den Titel gepackt. Als wir uns gen Auto aufmachten, waren wir vier uns schnell einig, dass wir schon genussreichere Abende innerhalb unseres Gourmetzirkels durchlebt haben. Das nächste Mal darf übrigens der Schreiber dieses Berichts den Ort des Tafelns bestimmen. Also, alles wird gut!
Zusammen mit meinen drei Wörther Schlemmerboys war ich Mitte Dezember im Weinörtchen Mussbach bei Neustadt in kulinarischer Mission unterwegs. Und tatsächlich verschlug es uns nicht in die legendäre Eselsburg, die ja mittlerweile zum gastronomischen Kulturerbe der Pfalz gezählt wird und sich nicht nur regional einer großen Beliebtheit erfreut.
Unser Ziel war die Ende Juni 2018 neu eröffnete Winzerstube, die vorher über 40 Jahre lang von der Familie Bäder gutbürgerlich geführt wurde und nun seit gut eineinhalb Jahren mit Küchenchef Stefan... mehr lesen
Winzerstube Mußbach
Winzerstube Mußbach€-€€€Restaurant0632168151An der Eselshaut 32, 67435 Neustadt an der Weinstraße
3.0 stars -
"Gewogen und für zu schwer befunden!" marcO74Zusammen mit meinen drei Wörther Schlemmerboys war ich Mitte Dezember im Weinörtchen Mussbach bei Neustadt in kulinarischer Mission unterwegs. Und tatsächlich verschlug es uns nicht in die legendäre Eselsburg, die ja mittlerweile zum gastronomischen Kulturerbe der Pfalz gezählt wird und sich nicht nur regional einer großen Beliebtheit erfreut.
Unser Ziel war die Ende Juni 2018 neu eröffnete Winzerstube, die vorher über 40 Jahre lang von der Familie Bäder gutbürgerlich geführt wurde und nun seit gut eineinhalb Jahren mit Küchenchef Stefan
Geschrieben am 05.01.2020 2020-01-05| Aktualisiert am
03.03.2021
Besucht am 22.11.2019Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 40 EUR
Seit Anfang Februar dieses Jahres segelt das im Zentrum der Kurstadt Bad Bergzabern beheimatete Weinschlössel unter italienischer Flagge. Saumagen, Leberknödel und andere Deftigkeiten der hiesigen Regionalkulinarik gehören seit dem Einzug der Familie Vaccarelli in das gepflegte Anwesen aus Sandstein der Vergangenheit an. Für den an gepflegter Gastronomie nicht besonders reich gesegneten Kurort stellt das neue Ristorante zweifellos einen Zugewinn dar.
Der Inhaber Nicola Vaccarelli ist in der Südpfalz kein Unbekannter. Hat er doch viele Jahre mit seinem Bruder zusammen die Wappenschmiede im benachbarten Weinörtchen Pleisweiler geführt und dort mit frisch zubereiteter Italo-Kost ein paar südländische Gaumenfreuden in die von zünftiger Hausmannskost geprägte Weinstubenlandschaft gebracht.
Was den Durchgangsverkehr betrifft hätte der Ortswechsel - zumindest im Nahraum - kaum krasser ausfallen können. Von der etwas versteckt zwischen Weinbergshügeln und dem angrenzenden Pfälzerwald gelegenen ehemaligen Wappenschmiedmühle ging es an die viel befahrene Kurtalstraße. Allein der neue Standort wird den Vaccarellis sicher deutlich mehr Laufkundschaft einbringen. Da bin ich mir sicher.
Wir parkten ums Eck im Wohngebiet und erreichten nach kurzem Fußmarsch die von Terrassenheizstrahlern gesäumte Eingangstür. Heizstrahler weisen den Weg
Anscheinend gibt es in Bad Bergzabern das Gas umsonst. Denn der Sinn der beiden Empfangspilze auf dem völlig verwaisten Außenbereich hat sich mir bis heute nicht so recht erschlossen. Wäre ich Raucher, hätte es vielleicht Klick gemacht.
Wir hatten einen Tisch für zwei Personen reserviert. Nun, es war schon mächtig was los im behutsam modernisierten Gastraum, von dessen weinträchtiger Vergangenheit die Fassdaubenverkleidung, die Butzenscheiben und die Flaschendecke des rustikalen Nebengemachs kündeten. In jenem befand sich eine lange, bereits eingedeckte Tafel. Die dazugehörige Gesellschaft ließ nicht lange auf sich warten. Innenansicht 1
Ich habe das Weinschlössel in seiner gutbürgerlichen Zeit zwar nie besucht, aber allein die neuangebrachten Schallschutzelemente an der Decke, der komplett neugestaltete Thekenbereich und die modernen Deckenstrahler, die am Seilsystem hingen, zeugten von jeder Menge Arbeit, welche die neuen Inhaber in den Umbau der Gasträume gesteckt haben. Von dem finanziellen Aufwand ganz zu schweigen. Innenansicht 2
Im Service tummelten sich an diesem Freitagabend jede Menge junge Aushilfen, die alle sehr bemüht und äußerst freundlich ihre an manchen Stellen noch etwas holprige Bedienfunktion ein- bzw. ausübten. Aber lieber von ungeschultem Personal mit Herz umsorgt werden als von arroganten Routiniers in professionell dargebotener Herablassung.
Den anfänglich angebotenen, direkt an der Zugluftschneise der Eingangstür gelegenen Tisch lehnte ich dankend ab. Die Alternative war zwar nicht besonders gemütlich, aber wenigstens hielt sich hier der Frischluftschwall beim Eintritt von Gästen in Grenzen.
Ein Blick in die Runde verriet, dass die wenigen gemütlichen Ecken des für meinen Geschmack etwas zu hell ausgeleuchteten Gastraums leider bereits besetzt waren. So saßen wir eben mehr mittendrin statt nur dabei. Egal, die Speisekladden wurden uns zügig überreicht und wir kamen recht schnell in medias res.
Als Zusatzangebot wurde uns Pasta alla Ruota in drei verschiedenen Varianten offeriert. Die grundsoliden Spaghettiklassiker (Pesto, Aglio-Olio und Olio-Peperoncino), die nach der Zubereitung in der Küche noch durch den direkt neben der Theke platzierten Parmesanlaib gezogen wurden, waren auf einer laminierten Extrakarte nachzulesen.
Für erschwingliche 10,50 Euro standen die aus der toskanischen Pastaschmiede Martelli stammenden Qualitätsnudeln auf dem Beipackzettel. Meine Frau hätte die Standardkarte gar nicht mehr aufschlagen müssen. Ihre Entscheidung für die Parmesanvariante war da schon gefallen.
Ich war gespannt ob sich das Speisenangebot, das leider (noch) nicht online einsehbar war bzw. ist, im Vergleich zu vergangenen Pleisweiler-Zeiten verändert hatte. Aber erst musste die Getränkefrage geklärt werden. Die Flasche San Pellegrino wurde behutsam der Inflationsrate angepasst und schlug nun mit 4,90 Euro für den Dreiviertelliter zu Buche. Aber für den Crodino Secco wurden die gleichen 4,50 Euro abgerufen wie beim letzten Besuch im Sommer 2015. Lobenswert.
Ein Schälchen mit ordentlichem Olivenöl, etwas Fleur de Sel und ein paar Scheiben Weißbrot landeten als Küchengruß deklariert auf unserem Tisch und wurden postwendend goutiert. Solche Aufmerksamkeiten spendiert nicht jede Pizzaklause, aber der Name "Ristorante" möchte schließlich auch legitimiert sein. Olivenöl zum Dippen
Am Konzept von früher, das vorsah, nahezu alle Gerichte in zwei verschiedenen Größen anzubieten, hatte sich nichts geändert. Auch bei der Speisenauswahl schien man auf Bewährtes zurückzugreifen. Pizza- und Pastafreunde kommen im Weinschlössel voll auf ihre Kosten. Jeweils ein gutes Dutzend Teigfladen und Nudelgerichte waren gelistet.
Italienische Standards, wie man sie von ähnlichen "Ristorautionen" her kennt, fanden sich im Vorspeisenprogramm wieder. Rindercarpaccio, Caprese, Bruschetta, Italo-Salat und Crema di Pomodoro - alles gute alte Bekannte für den Italo-Normalkulinariker.
Auch bei den Fleischklassikern ging der Überraschungseffekt gegen Null. Saltimbocca, Scaloppino in Weißwein, Milanese und Rumpsteak al Pepe verde gehören mittlerweile fast genauso zum mediterran angehauchten Gutbürgertum wie Carbonara und Bolognese.
Vorweg wagte ich für 3,90 Euro den Tomatensuppentest, ehe ich mich mit einem Milanese al Formaggio (13,90 Euro) dem gratinierten Ernst der Lage widmete. Meine panierte und mit Käse überbackene Schweinspeise wurde mit Pommes frites und einem kleinen Beilagensalat geliefert. Für den bereits erwähnten Preis erwartete ich keine kulinarische Offenbarung, aber eine würdevolle Sättigung sollte schon dabei herausspringen.
Meine Frau orderte vorweg einen kleinen "Grünen" (3,10 Euro) und ließ ihre durch den Käselaib bewegten Spaghetti noch mit Chiliöl verschärfen. Ein Viertel Montepulciano (4,10 Euro) komplettierte unseren Bestellvorgang.
Nun, bei der Suppe rutschte dem verliebten Herdgesellen wohl das komplette Salzhaferl aus der Hand. Nur mit diversen Weißbrotscheiben ließ sich die rote (Über)-Würzbrühe so halbwegs genießen. Während des Hineinlöffelns dachte ich schon an den schrecklichen Nachdurstgolem, der mich in der Nacht noch heimsuchen sollte. Tomatensuppe Genug Brot zum Sattwerden
An unseren beiden - zugegeben recht unprätentiös daherkommenden Salaten gab es dagegen deutlich weniger auszusetzen. Vielleicht hätte das ein oder andere Blättchen mit mehr etwas vegetabiler Frische auf dem Teller landen können. Aber das feinsäuerliche Balsamico-Dressing machte diesen kleinen Selektionsfauxpas schnell wieder wett. Der kleine "Grüne"
Die recht blassen Spaghetti dufteten herrlich nach Parmesan und wurden am Tisch mit Chiliöl garniert. Etwas mehr Biss hätte den Teigwaren gutgetan. Ansonsten war das ein durchaus schmackiger 10-Euro-Teller, wie mir die junge Dame am Tisch bestätigte. Spaghetti aus dem Parmesanlaib mit Chiliöl verfeinert
Den wohlfrittierten Pommes fehlte es dann zwangsläufig etwas an Salz. Aber das hatte ich schon befürchtet, da ja der komplette Vorrat des Hauses für die Tomatensuppe draufgegangen zu sein schien. Gut gebräunte Pommes-Beilage
Was mir früher schon bei den Vaccarellis so richtig gut mundete, war ihre Bolognese-Sauce, die mein schweinernes Vulgärstück üppig bedeckte. Die in einer heißen Keramikform servierte Deftigkeit schien ihre Zeit im Ofen gut überstanden zu haben. Milanese al Formaggio
Sie hatte genau die richtige Menge an geschmolzenen Käseraspeln vorzuweisen, die das Al-Forno-Gericht in sättigender Opulenz erstrahlen ließ. Meine Befürchtung, dass die viskose Gratinierschicht mein Milanese eventuell erschlagen könnte, bewahrheitete sich nicht. Milanese im Detail
Aber sättigend war die gehaltvolle Fleischspeise allemal. An ein Dessert war nach diesem Magenfüller nicht mehr zu denken.
Ein Jammer, dass die Betreiber des Weinschlössels ihre apulischen Wurzeln nicht auch kulinarisch mehr in Szene setzen. Selbst die Orechiette sind mittlerweile vom Speiseplan verschwunden. Und ob man Freunde von Fisch und Meeresfrüchten mit Banalitäten wie Thunfischpizza und Spaghetti ai Gamberi längerfristig an sich binden kann, wird sich zeigen.
Schade, denn das aufwendig renovierte Etablissement würde den passenden Rahmen für eine ambitioniertere Italo-Küche durchaus liefern. Die mit ordentlich Senilschub versehene Kurstadt Bad Bergzabern dagegen eher weniger. Dieser Umstand erklärt dann auch das solide, aber letztlich doch recht monotone Standardprogramm, das nicht enttäuscht, aber eben auch nicht überrascht.
Seit Anfang Februar dieses Jahres segelt das im Zentrum der Kurstadt Bad Bergzabern beheimatete Weinschlössel unter italienischer Flagge. Saumagen, Leberknödel und andere Deftigkeiten der hiesigen Regionalkulinarik gehören seit dem Einzug der Familie Vaccarelli in das gepflegte Anwesen aus Sandstein der Vergangenheit an. Für den an gepflegter Gastronomie nicht besonders reich gesegneten Kurort stellt das neue Ristorante zweifellos einen Zugewinn dar.
Der Inhaber Nicola Vaccarelli ist in der Südpfalz kein Unbekannter. Hat er doch viele Jahre mit seinem Bruder zusammen die Wappenschmiede... mehr lesen
Weinschlössel
Weinschlössel€-€€€Restaurant, Weinstube06343 1331Kurtalstr. 10, 76887 Bad Bergzabern
4.0 stars -
"Solide Italo-Kost in urigem Gemäuer - aber auch nicht mehr" marcO74Seit Anfang Februar dieses Jahres segelt das im Zentrum der Kurstadt Bad Bergzabern beheimatete Weinschlössel unter italienischer Flagge. Saumagen, Leberknödel und andere Deftigkeiten der hiesigen Regionalkulinarik gehören seit dem Einzug der Familie Vaccarelli in das gepflegte Anwesen aus Sandstein der Vergangenheit an. Für den an gepflegter Gastronomie nicht besonders reich gesegneten Kurort stellt das neue Ristorante zweifellos einen Zugewinn dar.
Der Inhaber Nicola Vaccarelli ist in der Südpfalz kein Unbekannter. Hat er doch viele Jahre mit seinem Bruder zusammen die Wappenschmiede
Besucht am 06.12.2019Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 52 EUR
…und das kann in der Weinstube Zur Blum in der Landauer Altstadt schon mal zu einer gewissen Geräuschkulisse führen. Das von Hans Alexander seit 2001 geführte Weinlokal blickt auf eine lange Geschichte zurück. Bereits im 17.Jahrhundert betrieb man hier im Erdgeschoss des Frank-Loeb’schen-Hauses eine sogenannte „Restauration“. Der Name „Blum“ geht angeblich auf die erste Wirtin des gemütlichen Weintreffs zurück.
Mein letzter Bericht über die „Blum“ liegt schon ein paar Jahre zurück. Was jedoch nicht heißt, dass ich seit dem Sommer 2015 nicht mehr dort eingekehrt bin. Wer mag, kann da eine ausführlichere Abhandlung zur besonderen Historie des Gebäudes und den äußeren Umständen – Innenhof mit Overflair! – nachlesen.
In der Küche steht seit dem Tod von Brigitte Alexander, der leider bereits verstorbenen Frau des Wirtes, eine Portugiesin. Die war früher Küchenhilfe von Frau Alexander und führt ihr kulinarisches Erbe sozusagen fort. Wenn auch mit deutlich spürbarem portugiesischem Einschlag.
Nun hat es uns in den letzten Monaten gleich zweimal dorthin verschlagen. Es waren zwei Spontanbesuche, bei denen wir trotz fehlender Reservierung auf höchst glückliche Weise einen Tisch ergattern konnten. Normalerweise ist jene nämlich oberste Gästepflicht.
Im September wurde kurz vor unserem Erscheinen ein Zweiertisch frei. Das war sozusagen eine „Just-in-Time-Belegung“. Ein paar Minuten später und der fiese Atem des „Fliegenden Italieners“ um die Ecke hätte uns vielleicht erfasst.
Vor ein paar Tagen war es dann eine „No-Show“, die uns unverhofft dort einkehren und auch bleiben ließ. Spätestens da war mein Entschluss zu diesem Rezensions-Update gefallen. Auf Pfälzer Weinstubenterrain fühle ich mich ein wenig wohler als in Kölner Brauereigaststätten, aber wem sag ich das.
Rückblende (weil Retro-Rezensionen auf GG derzeit schwer angesagt sind und ich über meinen damaligen RK-Bericht vom September 2011 „gestolpert“ bin…):
Damals hatte ich als Vorspeise eine erdig-würzige Rote-Beete-Suppe mit frischem Meerrettich und den Salat mit gebratenen Putenstreifen. Das legendäre Hausdressing von damals hat übrigens bis heute überdauert und den famos angerichteten Feldsalat mit Speck, Croutons, Apfelstücken und Granatapfelkernen (8,60 Euro), den wir uns Anfang Dezember als Vorspeise geteilt haben, veredelt.
Auch die Muscheln im Riesling-Gemüse-Sud, die sich seinerzeit mein Vater munden ließ, stehen heute noch manchmal als saisonales Schalentiergericht in leicht krakeliger Kreideschrift auf der großen Wandtafel mit den Empfehlungen. Sowieso kommt man hier um die Entzifferung von Handgeschriebenem nicht herum.
Neben den Tages-Tipps wird einem die Standardkarte als vollgekritzelte DIN-A4-Seite auf dem Klemmbrett gereicht. Darauf stehen herzhafte Fleischklassiker wie Saumagen auf Rieslingkraut (11,90 Euro) oder Rumpsteak vom Weiderind (ca. 220 Gramm) mit frischem Meerrettich bzw. Knobi-Kräuter-Butter (21,10 Euro) gelistet. Aber auch zwei Sorten Flammkuchen, Quiche Lorraine oder das legendäre Stielkotelett vom Schwein – na klar, paniert! – was denn sonst? – sind schon seit Jahren fest auf der kulinarischen Festplatte der Blum gespeichert.
Eine kleine, übersichtliche Auswahl, die einem die Entscheidungsfindung nicht noch schwerer machte als unbedingt nötig. Das galt auch für das Angebot an offenen Weinen. Die üppig bestückte Flaschenweinkarte ließ da deutlich mehr Spielraum für Entschlussschwache zu.
Bei unseren beiden Besuchen genossen wir den offen ausgeschenkten Saint-Chinian (0,25l für 5,90 Euro), ein samtiger Südwestfranzose, der tiefrot im Glas schwappte. Daneben beruhigte die obligatorische Flasche Mineralwasser der Marke Gerolsteiner (0,7l für 4,80 Euro) unser durstiges Gewissen.
Zwei mit schmackhaftem Hausdressing (herrliche Senfnote!) angemachte Beilagensalate zu jeweils 4,90 Euro später wurden uns die mit Spaghetti versehenen Miesmuscheln nach portugiesischer Zubereitungsart kredenzt. Allein der nach Estragon duftende Sud machte diesen vollmundigen Herbstteller zum „Schmackofatz of the week“ und hätte jeder landläufigen Pastavariation italienischer Provenienz die Stirn geboten.
Am Nikolausabend, als nebenan auf dem Rathausplatz die wenig besinnlichen Frittierkommandos des Weihnachtsmarktes die kalte Luft mit ihrem penetranten Fettdunst schwängerten, warteten wir ganz entspannt in der heimeligen Weinstube auf unser Abendmahl. Meines hatte richtig Sti(e)l und zwar in Form eines panierten Koteletts (10,90 Euro), das mir gegen einen Obolus von 4,90 Euro mit beherzt gesalzenen Bratkartoffeln serviert wurde.
Kaum hatte ich das legendäre „Handschriftgericht“ der Blum bestellt, hörte ich es in der Küche fleißig klopfen. Kein Wunder fiel das Fleisch auffallend zart aus. Optimale Schnittstärke und ausreichend Fett sorgten für die nötige Saftigkeit. Unter der krossen Panade ging es angenehm würzig zu. Salz, Pfeffer und Paprika hatte das wahrscheinlich trockengepökelte Schweinestück in optimaler Dosis vor seinem Gang auf der Paniermeile erhalten. Nur bei den Bratkartoffeln war wohl die Köchin etwas zu verliebt. Deren Salzwürze hätte deutlich subtiler ausfallen können, ja müssen.
Die Frau an meiner Seite konnte zu den Spaghetti mit Grünkohl-Pilz-Carbonara (15,90 Euro) schon allein aus norddeutscher Gewohnheit nicht „Nein“ sagen. Ihr Lieblingsgemüse findet man schließlich bei uns nicht ganz so häufig auf den Speisezetteln gutbürgerlicher Weinstubenküche. Gut, die Nudeln hätten ein paar Minuten früher aus dem Kochwasser geholt werden können, aber ansonsten hatte sie an ihrer Veggie-Carbonara wenig auszusetzen.
In der Summe überwog an beiden Abenden der Genuss, denn uns haben die kleineren Versehen beim Essen nicht im Geringsten die Laune verdorben. Für uns ist die Blum nach wie vor eine der urigsten Weinadressen Landaus, die mit hohem Geselligkeitsfaktor, saisonal-regional inspirierter Hausmannskost und einem herausragenden Weinangebot jeden Zech-Gourmand zum längeren Verweilen einlädt. Nur eines sollte man hier definitiv nicht sein: geräuschempfindlich!
…und das kann in der Weinstube Zur Blum in der Landauer Altstadt schon mal zu einer gewissen Geräuschkulisse führen. Das von Hans Alexander seit 2001 geführte Weinlokal blickt auf eine lange Geschichte zurück. Bereits im 17.Jahrhundert betrieb man hier im Erdgeschoss des Frank-Loeb’schen-Hauses eine sogenannte „Restauration“. Der Name „Blum“ geht angeblich auf die erste Wirtin des gemütlichen Weintreffs zurück.
Mein letzter Bericht über die „Blum“ liegt schon ein paar Jahre zurück. Was jedoch nicht heißt, dass ich seit dem Sommer... mehr lesen
Zur Blum
Zur Blum€-€€€Restaurant, Weinstube06341-897641Kaufhausgasse 9, 76829 Landau in der Pfalz
4.0 stars -
"Wo guter Wein auf schmackhaftes Essen trifft, da geht es oft gesellig zu…" marcO74…und das kann in der Weinstube Zur Blum in der Landauer Altstadt schon mal zu einer gewissen Geräuschkulisse führen. Das von Hans Alexander seit 2001 geführte Weinlokal blickt auf eine lange Geschichte zurück. Bereits im 17.Jahrhundert betrieb man hier im Erdgeschoss des Frank-Loeb’schen-Hauses eine sogenannte „Restauration“. Der Name „Blum“ geht angeblich auf die erste Wirtin des gemütlichen Weintreffs zurück.
Mein letzter Bericht über die „Blum“ liegt schon ein paar Jahre zurück. Was jedoch nicht heißt, dass ich seit dem Sommer
Besucht am 08.09.2019Besuchszeit: Abendessen Rechnungsbetrag: 34 EUR
Der kulinarische Abschluss unserer diesjährigen Kollegenfahrt fand im „Pfaffen“ am Heumarkt statt. Hier endete die unvergessliche Brauhaustour mit dem legendären „Kölschen Jung“ Werner Kleusch, einem echten Unikat unter den dortigen „Tortourführern“.
Da es erst montags zurück in die Heimat ging, durften wir an diesem Sonntagabend die entspanntere Seite der Kölner Altstadt kennenlernen, was uns den kompletten hinteren Gastraum des überschaubar großen Brauhauses einbrachte. Dieser war von erstaunlich rustikaler Gemütlichkeit geprägt. In kerniger Wirtshausattitüde dominierte helles Holz, das den ins Unkultivierte tendierenden Fliesenboden fast vergessen machte.
Kollege kgsbus hat ja schon detailliert über die Historie und das obergärige Pfaffen Bier, das wegen seinem Brauort Lohmar nicht Kölsch genannt werden darf, berichtet. Mir hat das säuerliche Gesöff übrigens genauso wenig gemundet wie dem Gastroguide aus Bergisch Gladbach. Zwei Kölschstangen reichten mir an diesem Abend. Da lief es mir im Sünner zwei Tage zuvor doch wesentlich besser durch die „dorschdich Kehl“.
Der von Günter Schneider (früher „Zum Treppchen“, Stadtteil Rodenkirchen) seit Dezember 2016 betriebene Brauereiausschank in bester Altstadtlage bietet zusammen mit seinem Team eine grundsolide Brauhausversorgung, welche neben den beliebten Bierhappen („Happen zum Pfaffen“) die üblichen Bollwerke immerwährender Sättigung im Speiseprogramm listet.
Schnitzel, Schweinshaxe, Cordon Bleu vs. Rinderroulade, Kalbfrikadelle, Rheinischem Sauerbraten. Sollen die Vegetarier doch an der ausgestreckten Kölschstange verhungern! So das vermeintliche Credo der Pfaffenküche. Denn welcher Fleischverzichter gibt sich schon die Blöße mit der Bestellung eines „halven Hahns“? Dann doch lieber „Kölscher Kaviar“ oder eine 180 Gramm schwere Currywurst.
Mir war nach der hausgemachten, in der Terrine servierten Gulaschsuppe (7,90 Euro) sowie dem Schnitzel „Wiener Art“ mit Pommes Frites und Salat (13,90 Euro), das noch mit einem Kännchen Jägersoße extra (2,90 Euro) geordert wurde. Neben mir entschied man sich für das Cordon Bleu (vom Schwein) in der gleichen Ausstattung (16,90 Euro). Auch eine Portion Käsespätzle, ein Rheinischer Sauerbraten mit Kartoffelklößen und Rotkohl (16,90 Euro) sowie drei stattliche Kalbsfrikadellen mit Wirsinggemüse und Bratkartoffeln (15,90 Euro) sollten nach appetitanregendem Bierkonsum dem Drang nach Deftigkeiten stattgeben.
Der traditionellen Soßenliebe deutscher Durchschnittskulinaristen wurde gerne und bei fast allen Gerichten mit Nachdruck entsprochen. Sowohl bei meiner vor Kraft und Würze strotzenden Gulaschsuppe als auch bei dem mürbe geklopften Schweineschnitzel in seiner knusprigen „Panaderolle“ als brätergeschwenktes Folklorestück gefiel mir die überdurchschnittliche Sorgfalt, die man bei der Zubereitung der in unbekümmerter Üppigkeit dargebotenen Deftspeisen walten ließ. Selbst das Dressing des kleinen Pflücksalates, der sich vegetabil an meinen Panierfladen schmiegte, konnte sich schmecken lassen.
Das war deutlich mehr als nur lieblos aufgetischte Husch-Husch-Küche, die man den Touris auf solchen Meilen für gewöhnlich auf die Teller bugsiert. Das bestätigten mir auch die Tischkollegen, von denen manche sogar noch eine süße Kalorienattacke in Form eines saftigen Kaiserschmarrns folgen ließen.
Insofern geriet der letzte Abend in der Domstadt nicht wie befürchtet zu einem kulinarischen Fiasko, sondern bot bodenständige Hausbraukost auf grundsolidem Niveau in geselliger Atmosphäre. Manchmal reicht auch das.
Der kulinarische Abschluss unserer diesjährigen Kollegenfahrt fand im „Pfaffen“ am Heumarkt statt. Hier endete die unvergessliche Brauhaustour mit dem legendären „Kölschen Jung“ Werner Kleusch, einem echten Unikat unter den dortigen „Tortourführern“.
Da es erst montags zurück in die Heimat ging, durften wir an diesem Sonntagabend die entspanntere Seite der Kölner Altstadt kennenlernen, was uns den kompletten hinteren Gastraum des überschaubar großen Brauhauses einbrachte. Dieser war von erstaunlich rustikaler Gemütlichkeit geprägt. In kerniger Wirtshausattitüde dominierte helles Holz, das den ins Unkultivierte... mehr lesen
Ausschank Brauerei zum Pfaffen
Ausschank Brauerei zum Pfaffen€-€€€Restaurant, Brauhaus02212577765Heumarkt 62, 50667 Köln
3.5 stars -
"Fleischlastige Brauhausküche auf grundsolidem Niveau" marcO74Der kulinarische Abschluss unserer diesjährigen Kollegenfahrt fand im „Pfaffen“ am Heumarkt statt. Hier endete die unvergessliche Brauhaustour mit dem legendären „Kölschen Jung“ Werner Kleusch, einem echten Unikat unter den dortigen „Tortourführern“.
Da es erst montags zurück in die Heimat ging, durften wir an diesem Sonntagabend die entspanntere Seite der Kölner Altstadt kennenlernen, was uns den kompletten hinteren Gastraum des überschaubar großen Brauhauses einbrachte. Dieser war von erstaunlich rustikaler Gemütlichkeit geprägt. In kerniger Wirtshausattitüde dominierte helles Holz, das den ins Unkultivierte
Besucht am 07.09.2019Besuchszeit: Abendessen 8 Personen
Rechnungsbetrag: 432 EUR
„Wochenlang hab i mi g’frogt,
wochenlang hab i mi plogt,
da kam mir s’Essers in den Sinn,
mit acht Kollegen ging’s dann hin…“
Genau so war es. Und da Steinbäcker, Timischl und Schiffkowitz an jenem Abend leider verhindert waren, sollte es uns wenigstens kulinarisch in die Kölner „Steiermark“ (Neuehrenfeld) verschlagen. Zusammen mit acht Lehrerkollegen im Großraumtaxi war allein die Fahrt dorthin für uns „Junker der Provinz“ eine gute Einstimmung auf einen – ich kann es vorwegnehmen – legendären Abend.
Im „Essers“ angekommen wartete schon eine lange Tafel auf uns. Nach dem „Genuss“ der berühmt-berüchtigten Köbes-Ruppigkeit in der Altstadt am Abend zuvor – ich meine es war das kulinarisch bedeutungslose Brauhaus Sünner im Walfisch – freuten wir uns umso mehr, als wir von der sympathischen Gastgeberin und ihrem Serviceteam aufs herzlichste empfangen wurden. Außerdem hatte niemand gegen etwas Anständiges auf dem Teller einzuwenden. Schon gar nicht nach dem Verzehr der rheinischen „Tortouri-Teller“ im Walfisch.
Natürlich hatte ich im Vorfeld ein wenig recherchiert. Die von Andreas Esser (Küche) und Iris Giessauf (Service) geführte Kölner Backhendl-Institution schien genau der richtige Ort für eine ungezwungene Geschmacksexkursion im kleinen Kollegenkreis zu sein. Allein der Bericht meines V-Manns in Sachen Soulfood auf diesem Portal ließ auf einen genussvollen Abend in entspannter Atmosphäre hoffen. Danke an dieser Stelle an dich, lieber Thomas aka Tischnotizen. Ohne deinen furiosen Beitrag wäre ich sicherlich nicht über das „Essers“ gestolpert.
Soviel zur Vorgeschichte. Dann war erst einmal hinsetzen, ankommen und beobachten angesagt. Ringsherum stand wertiges Bistromobiliar auf kernigem Dielenboden. Ein intimer Rahmen ohne jeglichen Muff. Dafür aber mit ganz viel Seele. Die Holztische kannten das weiße Wort aus Leinen nicht. Gut so. Meine Kollegen fürchteten sich nämlich schon insgeheim vor der gehobenen Tischkultur der Kölner Topgastronomie.
Die Fensterbank war mit allerhand namhaftem Leergut dekoriert. Eine – leider bereits ausgetrunkene – Flasche 1964er Riesling Spätlese „Forster Kirchenstück“ vom Deidesheimer VDP-Giganten Bassermann-Jordan ließ das Herz der Pfalzweinenthusiasten am Tisch höher schlagen.
Apropos Wein. Das im edlen Holzeinband gereichte Suffsortiment mit der entsprechenden Gravur für „Gekeltertes und Destilliertes“ hatte, neben einer reichhaltigen Auswahl an deutschen Gewächsen aus den wichtigsten Gebieten (Mosel, Pfalz, Rheingau, Baden, Nahe, etc.), jede Menge ausgesuchte Entdeckertropfen unseres Nachbarlandes Österreich gelistet.
Kein überbordendes Winzer-Telefonbuch, das einen zum ratlosen „Drinherumblättern“ verleitete, sondern ein mit Sinn und viel Weinverstand zusammengestelltes Keller-Kompendium, das uns zuerst ins Weinviertel (Niederösterreich) und danach ins Burgenland entführen sollte. Mit der 2013er Excellent Reserve vom Weingut Pfaffl (39,50 Euro), einer im Barrique ausgebauten Cuvée aus Zweigelt, Merlot und Cabernet Sauvignon, fing der Abend aus vinophiler Sicht sehr vielversprechend an. Er schmeckte tatsächlich genau so wie er hieß, nämlich exzellent!
Das Köchelverzeichnis von Andreas Esser passte auf eine DIN-A4-Seite und versprach eine überschaubare Mischung aus österreichischen Klassikern „zum Gernhaben“ und besser-Bürgerlichen Gerichten „zum Drauflosbestellen“. Frittatensuppe, Hendlmägen und steirischer Volcano Schinken für den Hunger vorweg. Fjordlachs, Blätterteig-Kraut-Tascherl, Hendlbrust, geschmorte Lammhaxe, Geflügelleber mit Puy-Linsen und Kartoffelpüree warteten hingegen auf größeren Appetit.
Krautfleckerl „Tante Jolesch“, Kavalierspitz in Brühe und Entrecôte vom steirischen Almochsen (natürlich mit Bratkartoffeln!) lockten dagegen aus der vorzüglich sortierten Leib-und-Seele-Abteilung die gestandenen Kulinaristen. Die Tagesempfehlung klang nicht minder schmackhaft. Es wurde an diesem Abend ein stundenlang geköcheltes Paprika-Kalbsgulasch an feinen Bandnudeln angeboten. Bingo! Und so dachte nicht nur ich am Tisch.
Zumal eben jenes Kalbsgulasch im Bericht des Kollegen Tischnotizen als absolutes „Must-have“ angepriesen wurde. Scheinbar hat mit diesem Gericht der Küchenchef Andreas Esser schon vor ein paar Jahren mächtig Aufsehen erregt, da es seine Rezeptur eines perfekten Schmoroutputs sogar in den „Kölner Stadtanzeiger“ schaffte. Von solch köstlich anmutendem Gastro-Halbwissen inspiriert, wurde der Teller des Tages gleich mehrfach an unserem Tisch geordert.
Doch vor dem Essen sollst du trinken. Am besten etwas um den Appetit ein wenig anzukurbeln und den Magen für seine kommenden Aufgaben zu wappnen. Auch hier war die Auswahl klein aber fein. Aperos, wie beispielsweise den „Merwut“ (so nennen die Pfälzer ihren Wermut) von Dorst & Consorten, sieht man nicht auf jeder Getränkekarte. Ein fein-bitteres, gerade deshalb die Esslust förderndes Schönramer Pils aus Oberbayern übrigens auch nicht.
Als Entscheidungsneurotiker stellte mich also schon die Wahl der Einstiegsdroge vor kleinere Probleme. Das verlangte nach kompetenter Beratung. Gastgeberin Iris Giessauf, mit der ich da schon längst per du war, empfahl mir ein Gläschen vom Gelben Muskateller (0,1l für 4,50 Euro) vom Weingut Michi Lorenz aus ihrer Heimat, der Steiermark. Eine schlückchenweise genossene, recht exotisch duftende und wohl deshalb leicht zu überspringende Auftakthürde im Glas, wie sich wenig später herausstellen sollte.
Dann wurde hemmungslos drauflos geordert, was sich bei acht hungrigen Pfälzern bzw. Badenern schon etwas hinzog. Egal, Iris nahm das alles sehr gelassen auf. Und nebenbei wurde viel über Pfälzer Wein und dessen Produzenten gefachsimpelt. Mit dem Ausnahmewinzer Sven Leiner aus Ilbesheim hatten wir dann schon den zweiten gemeinsamen Bekannten, den es manchmal ins Essers verschlägt. Es sollten noch weitere folgen.
Zur Einstimmung gönnte ich mir die Kartoffelsuppe (5,50 Euro), die mir perfekt temperiert aufgetischt wurde. Die leicht sämige, mit ein paar Kräutern verfeinerte Terrine hätte auch meine Oma nicht besser vom Herd bekommen. Eine gehaltvolle Gemüsebrühe verlieh der mit angenehmer Säure ausgestatteten „Grumbeersupp“ genügend Rückgrat, um am Gaumen für Furore zu sorgen. Das war kein von übertriebenem Speckeinsatz kündendes Knollenerlebnis, sondern ein äußerst feiner Einstieg ganz nach meinem Geschmack.
Unsere beiden vegetarisch sozialisierten Grünzeugvernichterinnen bekamen vorneweg eine Antipasti-Platte zusammengebastelt. Und zwar eine, die sich sehen lassen konnte. Auch für die „Girls von der Heide“ war dieser spontan kredenzte, nicht auf der Speisenkarte vermerkte Veggie-Teller die reinste Augenweide. Verschiedene Salate, Grillgemüse, gebratene Champignons, ein leckerer Kräuterfrischkäse sowie ein paar nette Käsigkeiten in gewürfelter Form bevölkerten das fleisch- und wurstlose Potpourri, das beim weiblichen Teil unserer kollegialen Genusstruppe sehr gut ankam.
Am anderen Tischende ging es bedeutend deftiger zu. Ein Kollege machte sich über die Hendlmägen in Senf-Thymian-Sauce (8,50 Euro) her und das mit Inbrunst. Zu der Zeit beschäftigte ich mich schon mit meinem herrlich sauer angemachten Blattsalat, der als Beilage vom Kalbsgulasch vorweg serviert wurde.
Insbesondere die ewig dürstenden Schluckspechte fühlten sich an diesem Abend pudelwohl, was natürlich schnell zu Engpässen beim roten Rebsaft führte. Sommelière Iris, die uns schon bei der ersten Flasche einen tanningeschwängerten Volltreffer beschert hatte, wusste genau, was sie uns empfehlen konnte. Mit der 2013er Wolfsjäger Selection vom Weingut Juris (42,50 Euro) aus der pannonischen Tiefebene, einer in gebrauchten Barriques gereiften Cuvée aus Blaufränkisch und Zweigelt, machte sie auch diesmal alles richtig und sorgte für adäquaten Nachschub. Mit seinen 14 Umdrehungen war das kein vinophiler Einschüchterungsversuch, sondern ein liquider Beweis für kraftvolle Eleganz.
Nun hatten wir die richtige Betriebstemperatur, um uns den Hauptgängen zu widmen. Wie schon erwähnt, hatten sich einige am Tisch für das Kalbsgulasch entschieden, darunter auch meine Wenigkeit. Auch der Loup de Mer mit Fenchel-Paprika-Gemüse und Kartoffelpüree (24,50 Euro) und die Spaghetti mit Tomaten und Kürbiskernpesto (15,50 Euro) waren unter den bestellten Hauptspeisen.
Doch kommen wir zum Wesentlichen. Kommen wir zum Paprika-Kalbsgulasch. Allein der Duft des lange eingeköchelten Beigusses versetzte den „Soßenfreunde e.V.“ in Verzückung. Aromatisch grundiert von einer maßvoll reduzierten Jus, der es nicht an geschmacklichem Tiefgang mangelte, war das eine bewährte Kombination von Ewigkeitswerten, die als delikates Zugeständnis für die letzten „Eingefleischten“ am Tisch auf offene Münder stieß.
Die Paprika verlieh dem süffig-schmorwürzigen Seelenteller etwas vegetabile Frische sowie die nötige Säure. Das herrlich mürbe Kalbfleisch erledigte den Rest. Dieses ganz und gar unkomplizierte, jedoch handwerklich auf Topniveau zubereitete Gericht begeisterte uns auf ganzer Linie. Einige sprachen sogar von einer Gulasch-Offenbarung. Mir wurden sogar noch einmal Nudeln nachgereicht. Nicht die einzige Disziplinlosigkeit, die ich mir an diesem Abend leistete.
Auch über die anderen Speisen vernahm ich lobende Worte. Die Mannschaft war sichtlich zufrieden und wir steuerten ganz gemächlich auf diesen „magic moment“ zu, der uns Raum und Zeit vergessen ließ. Wie textete einst ein österreichischer Pop-Poet (wahrscheinlich in Kokslaune): „Lass diese Reise niemals enden, das Tun kommt aus dem sein allein…“. Ja, konnte man für diesen Abend genauso stehen lassen. Auch ohne Kokslaune, versteht sich. Dafür sorgte nämlich schon der burgenländische Leckertropfen im Glas.
Mittlerweile war jedoch gerade jener rote Wolfsjäger in die ewigen Jagdgründe eingegangen bzw. schon in Richtung Leber seiner Endverbraucher unterwegs. Folglich musste neuer Stoff entkorkt werden. Balance halten – Insider wissen welche – war angesagt. Zum Käsegang gesellte sich dann eine gute Freundin aus der Pfalz zu uns. Eine unfiltrierte Cabernet Sauvignon-Merlot-Cuvée aus dem Jahr 2015 vom Weingut Wageck aus Bissersheim („Knipser-Town“) sollte unser Weingelage ganz heimatverbunden beschließen.
Dann wurde die Glasglocke gelüpft und ein knappes Dutzend gut gereifter Rohmilcherzeugnisse – bis auf einen „Ausreißer“ waren sie allesamt aus deutschen Landen – trat unter Verbreitung würzigen Wohlgeruchs zum Vorschein. Unter den von der norddeutschen Käsefeinschmeckerei Kober gelieferten Exemplaren tummelten sich Kuh-Weich-, Kuh-Rohmilch-, Ziegenfrisch-, Berg- und Schnittkäse-Sorten mit teilweise recht eigentümlichen Namen. „Bentheimer Muh und Mäh“ stand beispielsweise für einen Mischkäse aus Kuh- und Ziegenmilch.
Letztendlich schnitt mir Iris nach meinen Wünschen von etwa der Hälfte ihres Käsesortiments ein Stückchen ab. In der Summe machte das: dreimal hart, einmal weich und einmal frisch von der Ziegentorte. Für gerade mal 10 Euro ein schöner Querschnitt durch die norddeutsche Käselandschaft von der mir besonders der im perfekten Reifegrad zerlaufene Crémeer in Erinnerung geblieben ist. Dieser Weichkäse aus Kuhmilch vom Backensholzer Hof in Nordfriesland schmolz förmlich auf der Zunge. Zusammen mit dem Remeker, einem geschmacksintensiven holländischen Rohmilchkäse mit Naturrinde, war das eine – im wahrsten Sinne des Wortes – reife Leistung.
Nach ein paar Espressi und der ein oder anderen Unterstützung in spiritueller Hinsicht verließen acht hochzufriedene Esser ihr neues Kölner Lieblingslokal, um frei nach dem Motto „die Nacht gehört uns bis zum Morgen“ die Live Music Hall aufzusuchen und danach im Gloria-Theater dem Retro Clash der 90er und 2000er aktiv zu begegnen.
Epilog:
Liebe Iris, lieber Andreas vielen Dank für diesen wunderbaren Abend, an dem wir uns von der ersten Minute an wie langjährige Stammgäste fühlen durften. Dass ihr beide knapp zwei Monate vorher am 13.Juli, dem Tag, an dem auf der Madenburg bei Eschbach kräftig Hochzeit gefeiert wurde, in der Pfalz bei unseren Genießerfreunden aus Ilbesheim (Nina & Timo) zu Gast wart und wegen eben jener Feier auf eure Gastgeber an diesem Abend verzichten musstet, ist eine dieser grotesken Geschichten, die mir immer wieder zeigen, wie klein die Welt des guten Geschmacks doch manchmal ist. Beim nächsten Köln-Besuch ist ein Abend bei euch schon fest eingeplant, denn wir haben euch einiges zu erzählen.
„Wochenlang hab i mi g’frogt,
wochenlang hab i mi plogt,
da kam mir s’Essers in den Sinn,
mit acht Kollegen ging’s dann hin…“
Genau so war es. Und da Steinbäcker, Timischl und Schiffkowitz an jenem Abend leider verhindert waren, sollte es uns wenigstens kulinarisch in die Kölner „Steiermark“ (Neuehrenfeld) verschlagen. Zusammen mit acht Lehrerkollegen im Großraumtaxi war allein die Fahrt dorthin für uns „Junker der Provinz“ eine gute Einstimmung auf einen – ich kann es vorwegnehmen – legendären Abend.
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5.0 stars -
"I brauch ka große Welt, i will ham nach Neuehrenfeld!" marcO74„Wochenlang hab i mi g’frogt,
wochenlang hab i mi plogt,
da kam mir s’Essers in den Sinn,
mit acht Kollegen ging’s dann hin…“
Genau so war es. Und da Steinbäcker, Timischl und Schiffkowitz an jenem Abend leider verhindert waren, sollte es uns wenigstens kulinarisch in die Kölner „Steiermark“ (Neuehrenfeld) verschlagen. Zusammen mit acht Lehrerkollegen im Großraumtaxi war allein die Fahrt dorthin für uns „Junker der Provinz“ eine gute Einstimmung auf einen – ich kann es vorwegnehmen – legendären Abend.
Im
Besucht am 07.09.2019Besuchszeit: Mittagessen 1 Personen
Rechnungsbetrag: 11 EUR
Wie nützlich die Gastrotipps von renommierten Guides auf diesem Portal sind, durfte ich auf unserer diesjährigen Kollegenfahrt nach Köln am eigenen Gaumen erfahren. Da bedurfte es zur kulinarischen Vorbereitung nur die Genussberichte der geschätzten Portal-Buddies Tischnotizen und kgsbus, um für die drei Tage genügend „Material“ in der Hinterhand zu haben.
Schade, dass es aus organisatorischen Gründen nicht klappte, die gesamte Truppe im Brauhaus Johann Schäfer unterzubringen. Nun, die Kölner Altstadt hat ja auch ihren Reiz, wenngleich die dort befindlichen Etablissements eher auf banale Tourigelüste ausgerichtet sind als auf geschmackliche Höhenflüge.
So blieben NeoBiota, phaedra, Pottkind und Co. an diesem langen Wochenende leider unbesucht. Stehen aber als Objekte der Begierde nach wie vor ganz oben auf meiner „To-Eat-Liste“. Beim nächsten Besuch der Domstadt dann vielleicht.
Was vom Namen her klingt wie ein Wahlversprechen des orangefarbensten US-Präsidenten aller Zeiten, zählt der Falstaff in seiner diesjährigen September-Oktober-Ausgabe zu den „Top-Asiaten Deutschlands“.
Doch es war nicht die zugegeben recht willkürlich zusammengestellte Auswahl des Genießermagazins für Schluckspechte, die mich zur „Großen Mauer“ führte. GG-Kollege Tischnotizen, hatte mich unlängst mit seinen beiden appetitanregenden Berichten angefixt und zu diesem mittäglichen Kurzbesuch animiert.
Wir hatten am selben Abend einen Achter-Tisch im Essers reserviert. Aber selbst für einen kleinen Happen würde sich der Besuch schon lohnen, so mein Gedanke als ich mit dem frisierten E-Roller quer über den Domplatz in Richtung Asia-Ess-Erlebnisschuppen heizte.
Ich hatte Glück einen gerade frei gewordenen Tisch zu ergattern. Nun saß ich da und stellte fest, dass ich weder Geldbeutel, noch Bank- oder Kreditkarte dabei hatte. Lediglich ein paar Notgroschen für das obligatorische Kölsch-To-Go befanden sich auf Schmalhansens Habenseite. Also nix war’s mit Schweinebauch in Hoisin-Sauce und Lammfleisch mit Kreuzkümmel.
Otternasen, Lerchenzungen und Zaunköniglebern (dieser ganze imperialistische Krimskrams halt…) waren an diesem Tag eh aus. Für Schweinemagen, marinierten Rinderpansen, gewürzte Entenzungen, Schweineohren und Quallensalat aus dem imposanten Vorspeisenprogramm war ich leider nicht mutig genug. So bestellte das kulinarische „Weichei“ aus der Pfalz kleinlaut und mit seinem letzten verbliebenen Bargeld die Dandan-Nudeln mit Schweinehack (9,20 Euro).
Etwas angesäuert ob der Tatsache, dass ich mich selbst so einschränken musste, harrte ich der Nudelschüssel, die da kommen sollte. Aber dann passierte es. Ich saß direkt rechts neben dem Eingang vor der Glasfront und blickte nach draußen, als ein gewaltiger Wolkenbruch die Atmosphäre im Inneren des Lokals noch viel behaglicher erscheinen ließ als es das recht nüchterne Interieur des Ladens zu Beginn vermochte.
Just in diesem Moment wurden mir die in herrlich duftender Brühe schwimmenden Dandan-Nudeln serviert. Gibt es einen erhabeneren Moment, als während eines Weltuntergangsgewitters eine wärmende Nudelsuppe zu schlürfen? Vielleicht ja, aber für mich war das schon ein seligmachendes Schälchen Szechuan-Küche, was ich da im Great Wall vorgesetzt bekam.
Auf der flüssigen Umami-Überdosis glänzten mir unzählbare Fettaugen frech ins Gesicht. Nicht minder tückisch erschienen mir die unter dem Schweinehackhügel lauernden kleinen Chili-Schoten, deren Verzehr mich zwar innerlich wärmte, aber auch den „Lauf der Nase“ herzhaft stimulierte.
Egal, dieser Napf voll Asiaglück war mit Abstand die beste, weil geschmacksintensivste „China-Bolognese“, die mir je unter die hier total deplatzierten Ess-Stäbchen gekommen ist. Mit Löffel und Gabel war die Nudelschale schnell geleert. Genauso schnell übrigens wie der Gewitterschauer vorüberzog.
Das Außergewöhnlichste kam ganz zum Schluss: meine paar Euro haben tatsächlich gereicht. Und das, obwohl noch ein kleines Wasser zu Löschzwecken geordert wurde. Selten habe ich für derart wenig Kohle so viel Geschmack geboten bekommen. Bei nächsten Mal dann Schweineohren und Entenzungen. Ich schwör!
Wie nützlich die Gastrotipps von renommierten Guides auf diesem Portal sind, durfte ich auf unserer diesjährigen Kollegenfahrt nach Köln am eigenen Gaumen erfahren. Da bedurfte es zur kulinarischen Vorbereitung nur die Genussberichte der geschätzten Portal-Buddies Tischnotizen und kgsbus, um für die drei Tage genügend „Material“ in der Hinterhand zu haben.
Schade, dass es aus organisatorischen Gründen nicht klappte, die gesamte Truppe im Brauhaus Johann Schäfer unterzubringen. Nun, die Kölner Altstadt hat ja auch ihren Reiz, wenngleich die dort befindlichen Etablissements... mehr lesen
Great Wall
Great Wall€-€€€Restaurant, Lieferdienst, Catering02212774712Burgmauer 16, 50667 Köln
4.0 stars -
"In der Kürze lag viel Würze" marcO74Wie nützlich die Gastrotipps von renommierten Guides auf diesem Portal sind, durfte ich auf unserer diesjährigen Kollegenfahrt nach Köln am eigenen Gaumen erfahren. Da bedurfte es zur kulinarischen Vorbereitung nur die Genussberichte der geschätzten Portal-Buddies Tischnotizen und kgsbus, um für die drei Tage genügend „Material“ in der Hinterhand zu haben.
Schade, dass es aus organisatorischen Gründen nicht klappte, die gesamte Truppe im Brauhaus Johann Schäfer unterzubringen. Nun, die Kölner Altstadt hat ja auch ihren Reiz, wenngleich die dort befindlichen Etablissements
Geschrieben am 20.11.2019 2019-11-20| Aktualisiert am
21.11.2019
Besucht am 23.08.2019Besuchszeit: Abendessen 3 Personen
Rechnungsbetrag: 362 EUR
Kein Koch hat die moderne Pfalzkulinarik in den letzten Jahren mehr beeinflusst als Benjamin Peifer, dessen besterntes Kallstadter „Erstlokal“ seit gut zwei Jahren für intens(e)ive und neuartige Geschmackserlebnisse sorgt und deshalb völlig zu Recht viel Anerkennung von Restaurantführern, Rezensenten, Foodbloggern, Verlagen und anderen Institutionen des guten Geschmacks erhält. Die Auszeichnung mit einem Michelin-Stern nach nur drei Monaten seit der Eröffnung sagt eigentlich schon alles über die tolle Arbeit, die Benjamin Peifer und sein Team in Kallstadt verrichten.
Nun hat dieser Ausnahmekoch zusammen mit seinem kulinarischen Komplizen Johannes Lochner, der die angegliederte Vinothek „Rohstoff“ führt, mitten im beschaulichen Wachenheim das wahrscheinlich mit Abstand coolste Weinbar-/Bistro der Pfalz eröffnet. Das war im Januar dieses Jahres und ein Besuch stand noch aus. Da passte es ausgezeichnet, dass Ende August zwei Gaumenfreunde aus Hannover ihre „Sideways“ in der Pfalz abhielten.
Die beiden Genussspechte klapperten ganz im Sinne einer ausgeglichenen Kork-Life-Balance diverse Weingüter ab. Womit wir wieder beim Thema wären: dem Pfälzer Rebsaft. Es kam nicht von ungefähr, dass die beiden Riesling-Rocker mit Prädikatgesinnung aus dem „niederen“ Sachsen ausgerechnet diese Izakaya für ein erstes Treffen mit dem Schreiber dieser Zeilen vorschlugen.
Die wollten scheinbar gleich ins Epizentrum der Pfalz-Avantgarde! Zumindest in das mit dem höchsten Coolness-Faktor. Ich war begeistert und freute mich schon Wochen im Voraus auf diesen Abend. Das Reservieren überließ ich den Gästen und war gespannt, wie der Abend im Wachenheimer Winkekatze-Weinclub verlaufen würde.
Ich reiste mit dem Zug nach Wachenheim, da ich um die vinophile Einstellung meiner beiden Tischgenossen wusste. Dass aufgrund der guten Tischgespräche (und -notizen) die Zeit wie im Flug verging und deshalb auch der letzte Zug in Richtung Südpfälzer Heimat verpasst wurde, rief meine fürsorgliche Gattin auf den Plan, die per nächtlichem Abholservice die Herrenrunde gut und sicher ins Hotel bzw. nach Hause brachte. Somit lernte auch sie – wenn auch zu später Stunde – die beiden sympathischen Genießer kurz kennen.
Die beiden weinseligen Tischnotizen kamen an diesem warmen Freitagabend scheinbar frisch aus dem Jesuitengarten (oder war es der Pechstein…) in die tiefenentspannte Wine-Dine-Stube zu Wachenheim. Auf ein liquides Mitbringsel hatten sie dann doch nicht verzichten wollen. Dem frischverheirateten Champagnernovizen wurde doch tatsächlich eine Flasche ihrer sanft perlenden Hausmarke überantwortet. Nochmals vielen Dank an dieser Stelle für die Blubber-Bouteille. Sie liegt nach wie vor in meinem Weinregal und wartet auf DEN Moment.
Bevor es die wenigen Stufen zur ehemaligen Winzergenossenschaftsgaststätte aus dem 18.Jahrhundert hinaufging, begrüßte mich zur Rechten der vor der Eingangstür platzierte Josper-Grill. Ein erster Hinweis, dass an diesem Abend gegrillte bzw. geräucherte Leckereien im Izakaya-Menü auftauchen würden.
Im Inneren des Lokals, reibt sich dann selbst der interieurerprobteste Kostgänger verblüfft die Augen, da er ein solches Ambiente nun wirklich nicht in der Mittelhaardter Weinprovinz vermuten würde. Von der blanken Tischkultur, über das pfiffige Lichtkonzept bis hin zur einsehbaren Küche ist alles da, was auch in Metropolen als geschmackssicher und angesagt gilt.
Über ehrwürdiges Fischgrätparkett steuerten wir zum Zentrum des Gastraumes, dem kleinen, aber feinen Thekenbereich, wo uns Alexej Hirsch vom Service freundlich in Empfang nahm. Geht man weiter nach hinten durch, trifft man auf die mit langer Tafel, üppig gefülltem Weinregal, Berkel-Schneidemaschine und Dry-Ager ausgestattete „Rohstoffabteilung“. Ein veritabler Zufluchtsort für jeden Weinliebhaber, der Spaß am Entdecken hat. In diesem Separee lassen sich am großen Sharing-Tisch auch spontan ein paar Kleinigkeiten aus Yannick Schillis Küche genießen. Das volle Omakase-Programm gibt es dagegen nur auf Reservierung.
Denn in der Izakaya gibt es nur ein Menü für 60 Euro. Punkt. Mastermind Peifer übersetzt den japanischen Ausdruck gerne mit „s’werd gesse, was uff de Disch kummt“. Ein kulinarisches Credo, das übrigens auch für sein Sternelokal Intense gilt.
Die fünf Fixgänge lassen sich noch um zwei Extragerichte gegen Aufpreis erweitern. Für das Otoshi, eine Art „Platzgebühr“ wie sie in japanischen Läden dieser Art üblich ist, werden 5 Euro berechnet. Dafür lässt es sich bei Wasser, Butter, gutem Brot, einem kleinen Appetizer sowie einem heißen, feuchten Handtuch (Oshibori) ganz relaxed ankommen.
So zwanglos das Interieur, so entspannt wirkte auch Alexej Hirsch, der den Service-Part zu unserer vollsten Zufriedenheit ausfüllte. Bereitwillig erklärte er uns die Komponenten der jeweiligen Gänge am Tisch, ging auf Rückfragen gerne ein und agierte dabei stets freundlich kompetent.
Unser Besteck lag in einer eigens dafür angefertigten Holzkiste. Die als Deckel fungierende Menükarte, die uns mit einem herzlichen „Hirasyamase!“ willkommen hieß, war eines dieser kleinen Details, welche unverkennbar die Peifer’sche Handschrift erkennen ließen. Wir blätterten uns durch das „Klemmbrett of Wine“ und bestellten erstmal ein Bier. Alles andere wäre in einer Weinbar ja auch völliger Unsinn gewesen. Für die Herren Tischnotizen war das sicherlich ein Konterbier, das sie – wahrscheinlich von zahlreichen Weinproben gezeichnet – dann auch sichtlich genossen.
Das süffige Kellerbier (0,33l für 3,50 Euro) stammte aus der nahegelegenen Craftbeer-Brauerei BrauArt (Sausenheim bei Grünstadt) und hatte das Izakaya-Logo samt Maneki-Neko auf dem Etikett. Auch wieder so ein kleines fernöstliches Feature, das sich bei der Wandbemalung in Form einer wesentlich größeren, deutlich pfalzweinaffineren Winkekatze (mit Dubbeglas in der Pfote) adäquat fortsetzte. Etwas plakativ vielleicht, aber auf jeden Fall ein echter Hingucker.
Ein Schälchen mit „Pfälzer Edamame“ stand schnell auf dem Tisch. Diese von herzhafter Kimchimarinade und Meersalz umgebenen Räucher-Erbsen (aus dem Josper natürlich…) waren ein erster appetitanregender Hinweis auf die delikate Fernost-Reise, auf die uns Küchenchef Yannick Schilli an diesem Abend schicken würde.
Außerdem war dieses mit Überschmeck versehene Amuse auch ein erstes kulinarisches Indiz für die ungezwungene Atmosphäre, die von der gesamten Crew verbreitet wurde. Die zählten die Erbsen nicht, die grillten sie! Wir zuzelten jedenfalls mit Begeisterung die sanft geräucherten Schoten bis auf die letzte Erbse aus. Eine einzige Wohltat.
Ein fluffiges, nach Kräutern duftendes Foccacia, das wir in eine recht unspektakuläre Tomaten-Holunderblütenemulsion tunken durften, verkürzte danach die Zeit zum ersten Gang und war eine willkommene Grundlage für unseren noch folgenden Alkoholkonsum.
Die Idee, eine Flasche 2017er Chardonnay Grande Reserve (36 Euro) vom selbst bei Bremer Beaujolais-Aficionados hoch angesehenen Weingut Bietighöfer aus Mühlhofen zu erwerben, schien mir mehr als plausibel. Der saftige Weiße hatte den sortentypischen Schmelz und eine schöne Frucht. Dezentes Holz verlieh ihm zusätzliche Würze. Nicht anstrengend, sondern elegant und ausgewogen. Da waren wir uns aber sowas von einig am Tisch.
Gang Nummer 1 schmeckte dann so, als hätte man den vollreifen Sommer farbenfroh in einer Keramikschale nachinszeniert. Aromatische Tomatenstücke aus der Region (Meckenheim) und ein cremig-milder Ziegenkäse von Antje Wutzke vom Zeiselbacher Hof (Neustadt Weinstr.) wurden von einer am Tisch angegossenen Tomatenvinaigrette einfach, aber durchaus stimmig begleitet. Der knusprige Sesamchip wertete den an sich schon formidablen Tomatensalat texturell etwas auf, ohne den kleinen, süß-sauren Geschmacksbomben die Schau zu stehlen. Ein gelungener Auftakt, der Lust auf mehr machte.
Einer am Tisch outete sich als Freund imperialistischer Fischeier, was ihm zu seinem „Raindropcake“ einen Perlmuttlöffel mit 10g feinstem Störrogen einbrachte. Für einen Obolus von 22 Euro wurde die mit Shisovinaigrette und Lauchöl geadelte Gelee-Halbkugel als Zusatzgang angeboten. Der spendable Feinschmecker ließ mich sogar vom Kaviar kosten. Natürlich schmeckte der auch ohne das säuerlich-würzige Gelee-Auge. In Kombination aber scheinbar noch viel besser, wie er mir überzeugend versicherte.
Den zweiten Gang gab es dann selbstverständlich wieder für alle am Tisch. Alexej Hirsch servierte einen im Josper gegrillten Romanasalat, der durch eine Sudachivinaigrette und dünn gehobelten Umamispeck mit reichlich Geschmacksfülle gesegnet war. Für den Temperaturkontrast im Napf sorgte wieder Romanasalat – nur diesmal als Sorbet. Knoblauch-Brot-Brösel vermittelten eine subtile Würze, die zusammen mit dem fetten Speck sehr gut bei uns ankam. Insgesamt war das ein kontrast- und ideenreich angelegter Teller, der durch ein gelungenes Aromenspiel überzeugte. Schon faszinierend, was uns die Jungs hier aus relativ einfachen Zutaten zubereiteten.
Nun folgte die über japanischer Binchotan-Aktivkohle gegrillte Lachsforelle, die von drei verschiedenen, in fermentierter Sojasoße (Shoyu) eingelegten Rettichsorten (Tsukemone) und der schon im Restaurant Intense gerne verwendeten, aufwendig hergestellten XOXO-Sauce begleitet wurde. Letztere wird übrigens aus getrocknetem Saibling, selbst produziertem Schinken, Räucherfisch-Dashi und Pfälzer XO-Weinbrand gewonnen.
Auch hier steckten also wieder viele kleine Produktdetails aus der Heimat drin, die auf kreative Art und Weise verarbeitet wurden. Allein die XOXO-Sauce brannte sich tief in mein kulinarisches Langzeitgedächtnis. Daneben arbeitete man mit texturellen Kontrasten, die den Gaumenreiz des eher schlicht anmutenden Arrangements noch zu steigern vermochten. Knackiger Rettich, ultra-zarter Fisch und eine umami-liefernde Gedächtnissauce – ich wette, das bekommt man in Kyoto auch nicht besser aufgetischt. Eventuell anders…
Den nächsten Additiv-Gang – Dim Sum aus Wagyu und Shiitake (für 16 Euro extra) – hätte sich keiner von uns getraut auszulassen. Dafür klang diese am Tisch mit Wagyudashi angegossene Asia-Preziose schon auf der Menükarte zu verlockend. Neben der mit aromatischer Fleisch-Pilz-Füllung ausgestatteten Teigtasche lag noch eine dünne Scheibe fein marmoriertes Wagyu-Beef, das in der würzigen, mit Yuzukoshu und Wasabi verfeinerten Brühe langsam gar zog, in der dunklen Keramikschale. Für mich war das DER Highlight-Gang des Abends. Aromatisch, süffig, dicht. Dabei mit Schärfe und Säure balancierend. Verdammt hohe Messlatte.
Noch bevor uns die Novinophobie (starkes Angstgefühl vor der Situation ohne Wein zu sein, Anm.) ereilen sollte – der Chardonnay war mittlerweile ausgetrunken – ergriffen wir die Flucht nach vorn und orderten die nächste Flasche. Diesmal fuhren wir jedoch im „Roten Bereich“. Auch drehzahlmäßig sollte es ein wenig voluminöser zugehen. Es saßen ja keine 12,5%-igen Beaujolais-Weseraner mit Pinot-Beschränkung am Tisch. Also Feuer frei!
Wir blieben dem Stefan treu, was einen 2015er Pinotage vom selben Weingut (50 Euro) zur Folge hatte. Das letzte Mal vor gut zwei Jahren in Montreal in einem B.Y.O.W.-Restaurant als Mitbringsel aus der Pfalz zusammen mit meinem Vater genossen, war das für mich ein ganz besonderer Tropfen, der deshalb auch gut zu unserer besonderen Runde passte. Geiler Stoff von kompetenten Consorten. Und natürlich auch eine adäquate Begleitung unserer „Grillplatte“.
Unter dem Motto „sharing is caring“ wurden die sanft gegarten und danach im Josper gegrillten Spareribs von Metzgermeister und Fleischsommelier Heiko Brath aus Karlsruhe auf einer rustikalen Holzplatte in Tischmitte platziert. Sie kamen im bei BBQ-Profis beliebten „St.Louis-Cut“ aufs Brettchen, was eine fantastisch zarte Fleischauflage mit sich brachte. Die Grillspezialität aus dem Mittelteil der Rippenbögen war vorher mit fernköstlicher Teriyaki-Marinade eingepinselt worden, was eine leicht rösche Kruste zur Folge hatte. Ein klares „Rippenbekenntnis“, bei dem sich das herrlich mürbe Fleisch förmlich von den Knochen lutschen ließ.
In separaten Schälchen wurden eine leicht süßliche Zwiebelcreme, lauwarmer Bohnensalat und eine körnige „Schmuggelware“ aus dem fernen Japan als Beilagen gereicht. Bei letzterer handelte es sich um den hochwertigen Rundkornreis namens „Koshihikari“, der aufgrund seines optimalen Stärkegehalts zu den besten Sushi-Reissorten der Welt zählt. Dem klebrigen Aromareis war etwas Sesam und Frühlingszwiebel beigemengt. Gepuffte Reiskörner on Top erzeugten zusätzlich etwas Knusper. Auch die beiden „Ribster“ gegenüber von mir hatten sichtlich Spaß am sauleckeren Fingerfood und die vor uns liegende Soulfood-Platte war schnell geputzt.
An diesem mundfüllenden Abend schwang sogar beim Nachtisch die omnipräsente Umami-Keule dezent mit. Bei dem schlicht „Mirabelle und Aprikose / Hefescreme und Misokuchen“ betitelten Dessert war es das harmonische Zusammenspiel süßer, fruchtig-säuerlicher und leicht salziger Komponenten, das diesen interessanten Geschmacksakkord entstehen ließ. Vor allem der mit Hefecreme überzogene Misokuchen peppte das nicht besonders süß ausfallende Finale angenehm auf.
Danach gab’s noch für jeden einen gefrorenen Gin-Tonic im Wassereis-Format. Die durchsichtige Kunststofftüte beschwor Jugenderinnerungen herauf, während wir genüsslich den eiskalten „Longdrink“ auszuzelten. Yuzu verlieh dem „Gintense“ getauften Pfalzsprit seinen asiatischen Touch. Der auf Mallorca gebrannte Wacholderschnaps hätte mir bestimmt auch in flüssiger Form gemundet. Aber eine gute Idee war diese Art der Verabreichung definitiv. Vor allem in Anbetracht der warmen Witterung.
Viele tolle Ideen und Details fügen sich in der Wachenheimer Izakaya zu einem stimmigen Gesamtkonzept zusammen. Da kann Benjamin Peifer aber richtig stolz auf seinen „Lecker-meets-locker-Laden“ für japan-affine Weinscouts sein. Addiert man zum köstlichen Vertrauensmenü noch die innovative Weinkarte und multipliziert mit dem herzlich-kompetenten Service einer lässigen Crew, ergibt das deutlich mehr als das, was die Korinthen kackenden GM-Tester in ihrem neuen Kompendium zusammen gesülzt haben.
Wie sagt der Japaner so treffend: „Ein freundliches Wort kann drei Wintermonate erwärmen!“ Ein gemeinsames Essen in der Izakaya in bester Gesellschaft schafft das bestimmt noch länger.
Kein Koch hat die moderne Pfalzkulinarik in den letzten Jahren mehr beeinflusst als Benjamin Peifer, dessen besterntes Kallstadter „Erstlokal“ seit gut zwei Jahren für intens(e)ive und neuartige Geschmackserlebnisse sorgt und deshalb völlig zu Recht viel Anerkennung von Restaurantführern, Rezensenten, Foodbloggern, Verlagen und anderen Institutionen des guten Geschmacks erhält. Die Auszeichnung mit einem Michelin-Stern nach nur drei Monaten seit der Eröffnung sagt eigentlich schon alles über die tolle Arbeit, die Benjamin Peifer und sein Team in Kallstadt verrichten.
Nun hat dieser Ausnahmekoch... mehr lesen
The Izakaya · Kuchisabishii
The Izakaya · Kuchisabishii€-€€€Sternerestaurant063229593729Weinstraße 36, 67157 Wachenheim an der Weinstraße
5.0 stars -
"Mit einem zeitgemäßen Vertrauensmenü und einer innovativen Weinkarte setzt diese von lockerer Atmosphäre und drei lässigen Typen geprägte Izakaya neue Maßstäbe in der Region" marcO74Kein Koch hat die moderne Pfalzkulinarik in den letzten Jahren mehr beeinflusst als Benjamin Peifer, dessen besterntes Kallstadter „Erstlokal“ seit gut zwei Jahren für intens(e)ive und neuartige Geschmackserlebnisse sorgt und deshalb völlig zu Recht viel Anerkennung von Restaurantführern, Rezensenten, Foodbloggern, Verlagen und anderen Institutionen des guten Geschmacks erhält. Die Auszeichnung mit einem Michelin-Stern nach nur drei Monaten seit der Eröffnung sagt eigentlich schon alles über die tolle Arbeit, die Benjamin Peifer und sein Team in Kallstadt verrichten.
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Zur Überbrückung nun also die Sichtweise eines Auswärtigen, der sich unbeeindruckt von der Völlerei an den Festtagen und den vorweihnachtlichen Rippenbekenntnissen im Bergischen Land auf diese Oldschool-Schlemmerei mit Gleichgesinnten im „Kleinfrankreich an der Weser“ – von einheimischen Gourmets kurz und knapp „das Grashoff“ genannt – freute.
Vorweg möchte ich jedoch erstmal ein paar Dankesworte an den Organisator dieses Abends entrichten. Mit passionierter Hingabe hatte sich dieser schon im Vorfeld durch den privaten Weinkeller von Chefin und Sommelière de Rang Elke Schmidt gesoffen, nur um den geladenen Riesling- und Tannin-Banausen die volle Silex-Ladung vor ihr altsteinzeitliches Weinverständnis zu knallen. Mein guter Borgi, das hast du wirklich gut hingekriegt. Und noch besser bezahlt (siehe Überschrift).
Über den ganz besonderen Zauber dieser zum kulinarischen Kulturgut der Hansestadt zählenden Enklave des guten Geschmacks hat sich der freundliche, quasi ums Eck residierende GG-Genosse schon in aller Ausführlichkeit ausgelassen. Das war im Herbst 2018 im Zuge seiner Streifzüge durch die Bremer Top-Gastronomie. Deshalb spare ich mir die Anmerkungen zur interessanten Gastrohistorie des Grashoff, die sich auch beim Gang zur Toilette anhand mehrerer gerahmter Info-Collagen gut nachverfolgen ließ.
Auch das Innenleben des mit reichlich französischem Flair ausgestatteten Bistrobereichs wurde von der wortgewandten Weserfeder gewohnt präzise dargelegt. Von der dreiseitig durchlaufenden, knallroten Wandbank mit Lederüberzug, den dicht an dicht stehenden, mit Leinen überzogenen Tischen, dem Sammelsurium gerahmter Fotomotive an den Wänden bis hin zur zweckmäßigen Anrichte im Zentrum des Geschehens hat er kein Detail ausgelassen.
Bistro-Impression 1
Bistro-Impression 2
Die Betreiber des Grashoffschen Bistros dagegen schon. Der fehlende Gourmetlöffel brachte das Genussgemüt des skrupellosen Soßenauslöfflers scheinbar mehrfach ins Wanken.
Solche „Peanuts“ fielen der versammelten Hedonistenfraktion an jenem Freitagabend kurz nach Weihnachten jedoch nicht auf. Bei so viel Kommunikation – ja es war laut im Grashoff und wir trugen massiv dazu bei – am Tisch treten manche Dinge automatisch in den Hintergrund.
Zur Einstimmung nahmen wir den Aperitif, einen von der Hausherrin spendierten, wunderbar moussierenden Flaschengärer namens „Extra Brut Reserve“ vom Weingut Loimer aus dem Kamptal (Niederösterreich) mehr oder minder im Stehen am Ausschanktresen ein. Dieser riegelt quasi den wesentlich geräumigeren Feinkostbereich des Lokals von der auf den ersten Blick recht unscheinbar anmutenden Bistro-Abteilung ab.
Ein hoher Kuschelfaktor – lediglich 22 Plätze stehen hier den Gästen zur Verfügung – war von Anfang an garantiert. Das ältere Pärchen am Nachbartisch tat mir da schon fast leid, mussten sie doch die Verbal-Eskapaden von drei mehr (…der gewohnt maßlose Norddeutsche) oder weniger (…der bekanntermaßen asketische Südländer) angetrunkenen Rezensenten ertragen. Gut, dass wenigstens unsere Mädels nicht noch dicker auftrugen, indem sie noch mehr „Geselligkeits-Öl“ in unser ohnehin schon recht mitteilungsfreudiges Tischfeuer gossen. Die Mischung macht’s halt und die war natürlich an diesem Abend vom Feinsten.
Großen Anteil an unserer ausgelassenen Stimmung hatte auch die Gastgeberin Elke Schmidt, die uns auf ausdrücklichen Wunsch unseres Häuptlings „Schluckender Specht“ umsorgte. Sie meisterte den Spagat zwischen Lockerheit und Seriosität auf ganz hohem Niveau. Ihre sehr persönliche, alles andere als dogmatische Weinberatung („wir hätten da noch einen illegalen Roten aus Italien…“), war mir sofort sympathisch. Ob gereifte Spitzengewächse für das Weißweinduo aus dem Norden oder etwas ganz Individuelles jenseits ausgetrampelter Pfade für das Pfälzer Rotweinkehlchen, sie bewies auf jedem Terrain ein sicheres Händchen.
Ich klappte die in apartem Rot gewandete Speisenkarte auf und gleich auf der ersten Seite wimmelte es nur so vor appetitanregenden, französischen Vorspeiseklassikern. Ich zählte acht kalte und neun warme Vorweggerichte, die von der Verarbeitung qualitativ hochwertiger Produkte kündeten. Kein Wunder, ist man doch schon aus feinköstlichen Gründen hier mit sehr guten regionalen und internationalen Viktualien bestückt. Dass sich dieser Umstand in den gehobenen Preisen wiederspiegelte, war dann auch nicht wirklich eine Überraschung.
Alles war in Bewegung, der Gesprächsfluss lief wie „geölter Sauternes“. Frau Schmidt wurde mehrfach vertröstet, da sich einzelne Mitglieder der Tischgruppe lieber mit Bagatellen wie beispielsweise der Weinbeschaffung in der Pfalz oder dem letzten Berlin-Trip des Borgmeisters, auseinandersetzten als mal einen ernsthaften Blick in die Karte zu werfen.
Plötzlich eröffnete jemand den fast nicht enden wollenden Bestellreigen. Keine Ahnung, warum die meisten am Tisch nur Vorspeisen orderten. Vielleicht lag es an der gerade mal drei Fleisch- und drei Fischgänge zählenden Auswahl an Hauptgerichten (von denen der Steinbutt auch nur noch einmal da war…). Oder an der Tatsache, dass man sich hier – ähnlich wie in Spanien – im Tapas-Stil durch das Kompendium an Schmidtschen Köstlichkeiten futtert.
Egal, zu meiner Linken wurden im Stakkato Vorspeisenwünsche abgesetzt. Viermal allein wurde der in Sternanis gebeizte Ikarimi-Lachs mit Papaya und Passionsfrucht (22,50 Euro) geordert. Die Rote-Beete-Apfel-Wildkräuter-Kombi (15,50 Euro) fand auch zwei Abnehmer. Welcher Genussfürst sich die gefüllten Wachtelbrüstchen mit Portweinsauce (18,50 Euro) einzuverleiben gedachte, kann sich wohl jeder denken.
Es ging munter weiter. Dreimal sollte die Küchenbrigade um Chefkoch Oliver Schmidt den frischen Hummer auf hausgemachte Spaghetti (28,50 Euro) legen. Und selbst vor zwei Portionen mit kross gebratenem Kalbbries (22,50 Euro) in Madeira-Sauce (was sonst?) zeigte man keine Scheu. Ach, und wenn man schon mal dabei war, warum nicht gleich zweimal die „getrüffelte Sieglinde“ (29,50 Euro), die namentlich für Kartoffelpüree mit Trüffelfrisur (der Atze-Schröder-Teller schlechthin…) stand.
Doch das war den Anhängern unterirdisch wachsender Knollenpilze noch nicht genug. Als wären wir auf einem Tuber-Ware-Abend wurde noch eine Portion Spaghetti Chitarre (29,50 Euro) mit der frisch darüber gehobelten Winterdelikatesse der Hausherrin ins Notizbuch diktiert. Die Jakobsmuscheln mit grünem Spargel und Basilikumpesto (21,50 Euro) fielen da gar nicht mehr ins Gewicht. Dagegen wurde über meinen geradezu spartanisch klingenden Wunsch nach einem Salat von Flußkrebsschwänzen mit grünem Spargel (17,50 Euro) nur milde gelächelt.
Aber Vorspeisenfreunde, aufgepasst! Ich hatte noch ein kulinarisches Ass im Ärmel. Und das waren die Rinderfiletwürfel in Pfefferrahmsauce, die hier mit grünen Bohnen und Gratin Dauphinoise (32,50 Euro) serviert wurden. Ich war übrigens nicht der einzige am Tisch, der sich an einen Grashoffschen Hauptgang wagte. Meine Liebste zeigte sich mit ihrem Wildragout mit Waldpilzen in Wacholderrahmsauce (34,50 Euro) solidarisch. Letzteres wurde von Rahmwirsing und Spätzle begleitet.
Nachdem wir diesen mehr oder minder langwierigen Bestellprozess abgeschlossenen hatten, begann die Bremer Weinreise. Der Pouilly Fumé Enthusiast von der Weser hatte da schon längst den „Silex“ aufziehen lassen. Dieser Referenz-Sauvignon-Blanc vom Hohepriester weißer Loire-Weine, Louis-Benjamin Dagueneau, war an Mineralität schwer zu überbieten. Nicht nur Borgi hörte am Tisch den Silex singen. Auch ich musste zugeben, dass ich einen solchen Terroirbezug noch nie zuvor im Glas hatte. Chapeau, Monsieur, dass du solch einen Kultwein mit dem Weißwein-Judas aus der Pfalz geteilt hast!
Um es gleich vorweg zu nehmen, der Silex war nur der Auftakt einer ganzen Reihe hochwertiger Kreszenzen in Weiß, die sich vornehmlich die beiden Nordmänner am Tisch gönnten. Der trocken ausgebaute 2015er Riesling Geheimrat „J“ von Wegeler gilt ja nicht nur im Rheingau als absoluter Klassiker.
Apropos Wegeler: den 2013er Rothenberg Riesling GG trocken hatte man auch im Grashoffschen Keller liegen. Der Kollege aus Rheine konnte dieser Versuchung nicht widerstehen. Und so hatte ich es dann eben auch mal im Glas, das Rothenberg-Feeling. Zeitlupen-Kirchenfenster am Rand, mineralischer Druck am Gaumen und ewig frischer Nachhall inklusive. Neben mir raunte der Rieslingversteher aus Rheine etwas von „Mörderpotential“. Ich pflichtete ihm bei.
We got the Rothenberg-Feeling!
Irgendwann im Laufe des Abends – Raum und Zeit hatten sich mittlerweile zu einem vergnüglichen Wohlfühl-Konglomerat verdichtet, war dann die Zeit gekommen, um die nächste Trouvaille aus Elke Schmidts Schatzkammer zu heben. Borgi befand sich bereits im Betriebsmodus „Burgund“. Er hatte einen Meursault 1er Cru Charmes von Philippe Pacalet auserkoren, den er – natürlich nicht alleine, aber doch als einer der führenden Chardonnay-Vernichter am Tisch – in vollen Zügen genoss.
Seinem Gesichtsausdruck nach wollte er seinem Pfälzer Weinnovizen wohl mitteilen: „Junker der Provinz, in diesem Bistro-Bunker bin ich der Meursault-Prinz!“ Wie Recht er damit hatte. Da half auch mein gut gemeinter Versuch nichts, den Weißweinaficionado mit einem wirklich sensationell fruchtreifen Roten aus Apulien und Kalabrien (kein Witz!) in süditalienisches Fahrwasser zu lotsen.
Da hatte ich nämlich ganz der Rotweinempfehlung von Elke Schmidt vertraut und eine schwere Coniqueflasche der Dueterre Cuvée (29,50 Euro) von Weinmacher Benedetto Lorusso geordert.
Mein Rotwein-Favorit
Hätte ich von diesem Weingut schon im Mai 2016 gewusst, als ich zusammen mit meinem Vater Apulien bereiste und in Locorotondo Station machte, hätte ich der dort ansässigen Masseria Tagaro sicher einen Besuch abgestattet. Die Trauben für den Dueterre stammten, wie schon erwähnt, aus Apulien und Kalabrien, wo Lorusso seit Jahren als Winemaker bei Odoardi tätig ist. Daher auch der Name.
Für mich war dieser samtig weiche Rotwein aus Italiens Süden eine echte Entdeckung. Über ein Jahr im Barrique und eine halbjährige Flaschenreife machten ihn zu einem rundgeschliffenen Verführer, dessen Kombination aus Wärme und Frische für reichlich Spannung im Glas sorgte. Parker würde sagen: „ein Weinwert zum kistenweise kaufen!“ Aber davon wollten die beiden Weißweinzombies neben mir ja nichts wissen.
Dass sie mich gegen Ende des Mahls noch zwangen, einen 2008er Banyuls von der Domaine de la Rectorie sowie eine pappsüße Beerenauslese (Weingut Keller, Flörsheim-Dalsheim) zu probieren, zeigt die niedere Moral dieser zwei Süßweinfetischisten, die eine etwaige Diabetes-Erkrankung meinerseits damit billigend in Kauf nahmen.
Pittoreske Altglassammlung
So weit, so flüssig. Ein paar Worte zum Essen sind in dieser Stelle – bei aller Ausmalung unseres Trinkgelages – dennoch angebracht.
Während der Mann aus Rheine zu meiner Linken seinen Ikarimi-Lachs in den höchsten Tönen lobte,
Ikarimi-Lachs
machte ich mich über einen Hausklassiker des Grashoff, den Salat Flusskrebsschwänzen mit grünem Spargel, her.
Salat von Flusskrebsschwänzen mit grünem Spargel
Zugegeben hat mich sein Preis schon ein wenig erstaunt. Doch sowohl die an zarter Textur kaum zu überbietenden Flussbettbewohner als auch die perfekt abgeschmeckte, aromatische Safransauce, der man anscheinend jegliche Schwere nahm, ließen mich die ambitionierte Preispolitik vergessen. Zusammen mit den leicht bissfesten Spargelstücken, der nicht übertriebenen Dillwürze und dem homöopathisch darüber geriebenen frischen Meerrettich ergab das einen äußerst stimmigen Teller, von dem ich locker noch eine Portion geschafft hätte.
Nochmal der Flusskrebssalat, weil er so verdammt lecker war!
Mein Tischnachbar sah mittlerweile rot, jedoch auf äußerst delikate Art und Weise. Sein mit karamellisierten Mandelstiften verfeinerter Rote-Beete-Salat mit Apfel machte schon rein optisch mächtig was her.
Rote-Beete mit Apfel
Spätestens bei seiner „getrüffelten Sieglinde“, einem herzerwärmenden Püree-Igel mit krausem Trüffeltoupet, streifte mich ein klitzekleiner Anflug von Neid.
Getrüffelte Sieglinde
Das muss der Horsd’œuvre-Vernichter am anderen Ende des Tisches irgendwie mitbekommen haben. Er reichte mir einen Happen von seinen gefüllten Wachtelbrüstchen, deren Portweinreduktion diesen unnachahmlichen Säure-Touch der Cuisine française innehatte. Große Klassik kann nur schmecken.
Auch von seiner feinen Hummersauce ließ mich der kulinarische Sankt Martin aus Borgfeld naschen.
Pasta mit Hummer
Es muss in etwa zeitgleich mit der 4.Vorspeise meines Nebenmannes – ich meine es war das Kalbsbries – gewesen sein,
Kross gebratenes Kalbsbries
dass man mir die Rinderfiletwürfel in einer sündhaft leckeren Pfefferrahmsauce an den Tisch brachte.
Rinderfilet in Pfefferrahm
Auch das à part gelieferte Kartoffelgratin war über alle lukullischen Zweifel erhaben. Die Rinderbrocken waren perfekt mürbe gebraten. Selbst die grünen Böhnchen hatten etwas Schmackes. So etwas bekomme ich im Elsass auch nicht besser serviert. Gut, vielleicht einen Tick günstiger.
Der Nachschlagsteller!
Als ich bei Fr. Schmidt höflich nach einem kleinen Nachschlag in Sachen Kartoffelgratin bat, um den Rest der delikaten Pfeffertunke nicht zurückgehen lassen zu müssen, erwärmte sie mir diese auf einem neuen Teller – natürlich mit einer stattlichen Portion frischem Gratin darauf. Was ein Service! Ich war beeindruckt.
Rinderfilet mit Beilagen
Meine Frau war dagegen mit ihrer Wacholderrahmsauce, in der das mit Waldpilzen veredelte Wildfleisch schwamm, weniger d’accord.
Wildragout mit Waldpilzen
Sie erschien ihr etwas zu unausgewogen im Verhältnis von Süße und Säure. Auch über die etwas zu trockenen Spätzle und das recht unauffällige Wirsinggemüse vernahm ich kritische Töne von der Frau gegenüber.
Spätzle und Wirsinggemüse (Beilagen zum Wild)
Somit setzte ich alle Hoffnung auf den Käsegang, der sie hoffentlich besänftigen würde.
Die Idee mit dem gratinierten Picandou (11,50 Euro) auf geröstetem Münsterländer Landbrot erwies sich als voller Erfolg.
Gratinierter Picandou
Die Kombination aus geschmolzenem Ziegenkäse, knusprigem Parmaschinken, aromatischem Olivenöl und ein wenig Thymian ließ mich gedanklich in Richtung Périgord abdriften, ehe mich eine reich bestückte Käseplatte auf den Boden der Molkereierzeugnisse zurückbrachte.
Fourme D’Ambert, Brie de Meaux, Comté – alles gute alte Bekannte des chronischen Dessertverzichters am Tisch. Ich war da bereits so pappsatt, dass ich dem wohl affinierten Treiben auf der ovalen Porzellanplatte nur mit selbstauferlegter „Askäse“ begegnen konnte. Schön, dass sich Borgis Busenfreund Rainer – kam mir seltsam bekannt vor, der Typ – noch von uns verabschiedete. Seinen neidvollen Blick auf unser Käsegeschwader konnte ich da schon nicht mehr nachvollziehen.
Borgfelders "Dessert"-Platte
Ich glaube sogar, dass sich irgendjemand am Tisch noch einen englischen Bread & Butter – Pudding einverleibte. Der fiel nach diesem Bistroküchenmarathon dann auch nicht weiter ins Gewicht. Ein Plausch mit den beiden sehr sympathischen Gastgebern beendete einen wirklich legendären Abend. Mit einem kleinen Abschiedsgeschenk ausgestattet – die hausgemachte „Nutella“ gab’s quasi „to go“ mit dazu – stürzten wir uns ins Bremer Nachtleben, das nach kurzem Boxenstopp in der Villa Borgfelder noch jede Menge elektronische Beats bereit hielt.
Danke lieber Borgi für diesen denkwürdigen Abend! Er findet Platz in meiner persönlichen Best-of-Bremen-Liste. Gleich neben Due Fratelli und Canova.