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Mit dem Taxi nur wenige Minuten vom Hauptbahnhof entfernt, findet sich das Koch und Kellner an einem kleinen Platz in einer unscheinbaren Wohngegend.
Genauso schlicht das Innere.
Vielleicht ehedem eine Schlachterei, fallen die hellgrünen und elfenbeinfarbigen Fliesen auf, die sich an der gesamten Wand hinter der nachträglich eingebauten Theke rechts des Eingangs entlang ziehen. Davor Hochstühle in Korb-Optik und davor ein schmalerer Bereich an der Fensterseite. Vom Windfang links öffnet sich ein größerer Raum, der durch Pfeiler unterbrochen ist. Dazwischen ein etwas vollgestellter Durchgang zu den einfachen Toiletten. Schlichtes Holzmobiliar vermutlich aus der Zeit der Eröffnung 1997. Stühle und Tische passen nicht zusammen. Auch das helle Laminat fremdelt für meinen Geschmack mit den alten Fliesen. Vielleicht hat bei der Einrichtung schlicht das Geld gefehlt. Ist ja nicht schlimm, aber richtig gemütlich eben auch nicht. Daran können auch Stoffservietten und weinrote breite Läufer auf den zweifach eingedeckten Tischen nicht wirklich etwas ändern. Vielleicht wär’s bei freundlicherem Wetter und mehr Besuch besser gewesen. Nachdem eine kleine Gruppe quasi mit meinem Eintreffen aufbrach, blieb ich neben einem jungen Genießerpaar der einzige Gast des WM-Abends.
Umso wichtiger für die Stimmung an solchen Abenden ist der Service. Inhaber Frank Mackert war zunächst in der Tat zurückhaltend, taute aber später mächtig auf. Zeit genug für ein Pläuschchen zwischen den Gängen hatten wir ja. Mackerts Leidenschaft ist die sehenswerte Weinkarte, die allerdings zunehmend ausgedünnt wird. Für ganz große Schätze wird selbst im fine-dining-Bereich die Kundschaft spärlicher, erst recht beim hiesigen, bewusst unkompliziert gehaltenem Konzept. Viel Franken, sicher, aber weniger als erwartet. Mackert berät wohl auch andere Gastronomen in Sachen Wein und betreibt zudem einen kleinen Internet-Handel. Seine Empfehlungen waren fundiert und wurden nachvollziehbar erläutert. Die Serviceaufgaben erledigte er mit über 30-jähriger Gastro-Routine. Ansonsten ein Wirt, dessen Ansichten ich zwar nicht immer zustimmen mochte. Aber man muss ja nicht einer Meinung sein, um ein gutes Gespräch zu führen. Als Einzelgast freute ich mich über die Aufmerksamkeit und war nicht unzufrieden, als ich zu später Stunde vor der Tür freundlich verabschiedet wurde.
Dabei war der kulinarische Auftakt etwas holperig, als die Suche nach dem erbetenen weißen Vermouth erst in der Küche erfolgreich endete. Ohne Eis und Zitronenschale war’s dann für 5€ arg süß, so dass ich flugs das Programm wechselte. Beim fruchtig-spritzigen Blanc de noir von Spätburgunder (9€) konnte ich zufrieden das kleine Menü auf der Wandtafel studieren, dazu wurden noch drei Tagesgerichte mündlich angeboten.
Meine Wahl fiel auf
Wassermelone Avocado Feta
Artischocke Ruccola Parmesan
Kalbskopf
Kabeljau
Bündle vom hallischen Spanferkel
Käseauswahl
Auf der Rechnung standen dafür 104€ (eigentlich 107€, eine Portion war auf Wunsch reduziert). Das ist in dieser Klasse für 6 Gänge an der absolut oberen Preisgrenze, was durch drei zusätzliche Teller allerdings relativiert wurde. Andererseits wurden nun auch keine Luxusprodukte verarbeitet.
Schnell gab’s ein kräftig schmeckendes Graubrot, das leider schon etwas „lätschig“ war und dazu eine gut gekräuterte Butter.
Die Diskussion über den begleitenden Wein endete bei der eindeutig im Holzfass ausgebauten Burgundercuvée Chronos vom Weingut Naegele aus Hambach. Die ständigen Einflüsterungen aus der Pfalz scheinen zu wirken... Mit 45€ für den QbA gleichfalls stramm kalkuliert.
Das Amuse wurde in einem feinen Glasobjekt serviert, das mich immer an eine halbierte Drachenfrucht oder einen aufgeschnittenen Seeigel erinnert.
Amuse 1
Es war offensichtlich, dass Chef Gerald Hoffmann nicht auf Purismus setzt. Das warme Filetstück vom Schwarzfederhuhn war wunderbar saftig und setzte sich mit der Zeit gegen die Jus durch, die durch eine fruchtige Säure von Hibiskus und Purple Curry (Das Kraut der Saison!) überraschte. Eine Brokkolicrème funktionierte gut als ausgleichender Verbinder, Sesam und Salatstreifen lieferten Textur. Ich meine, auch Koriander erkannt zu haben. Auf engem Raum viele Eindrücke für Gaumen und Auge.
Schwarzfederhuhn Brokkolicreme Hibiskus
Auf diesen Gruß vom Land ließ die Küche noch einen zweiten aus dem Meer folgen: Tatar von Hamachi in Gesellschaft von sautiertem Rettich, süßlich eingelegten Radieschen, salzigem Passepierre-Fonds und Portweinschalotten. Das funktionierte wunderbar.
Amuse 2: Tatar Hamachi Radieschen Passepierre
Alle Achtung!
Obwohl nicht ganz zum ungemütlichen Wetter passend, startete ich mit der sommerlichen Wassermelone, die von Avocado, Schafskäse als Crème und Krümel und grünen Tomaten (allzu) bekannt begleitet wurde. Da war das süß-saure Sorbet von Tomate und Melone zwar eine Wiederholung, aber eben durch Textur und Temperatur auch spannender.
Melone Tomate Avocado Feta
Ein gefälliger Sommergang, der bei 30 Grad sicher noch besser gefallen hätte.
Leider folgte nun eine sehr lange, angesichts der überschaubaren Gäste“Schar“ unverständlichen Wartezeit. Irgendwann hatte Herr Mackert ein Erbarmen und ließ mir die aktuelle rolling pin zum Schmökern da.
Immerhin hatte der endlich eintreffende Teller schon mal optisch das Warten gelohnt. Eine Scheibe gepresstes Artischockentatar machte es sich in einem sehr ansprechenden Parmesansößchen bequem. Ruccola-Öl und eine Vielzahl von Kräutern und Blüten setzte angenehm bittrig-würzige Akzente. Etwas Biss kam mit dem Crumble von schwarzen Olive ins Spiel. Zusammen mit den Parmesancrackern geriet das Ensemble für meinen Geschmack etwas zu salzig.
Artischocke Parmesan Olive
Umso besser schmeckte mir der Zwischengang vom Kalbskopf. In der knusprigen Panko-Panade versteckte sich Gezupftes von der Kalbsmaske. Würfel von der Zunge lagen in der leicht gebundenen Soße. Gelungen die knackigen, aber nicht zu harten „Spaghetti“ aus Kohlrabi - Gemüsepasta liegt ja voll im Trend. Zu beiden eher zurückhaltenden Geschmäckern fügte Estragon eine eindeutige, aber nicht erschlagende Note bei. Neben Geltupfen war der breite Pinselstrich auch farblich gelungen. Und natürlich ließ es sich die Küche nicht nehmen, den Teller mit Forellenkaviar, allerlei Kräutlein und erneut den Weinzwiebeln aufzuhübschen.
Kalbskopf Kohlrabi Estragon
Beim Fischgang wurden zur Abwechslung die Nebendarsteller Miesmuschel, Passepierre, Dill in unterschiedlichen Ausführungen auf einem erfreulich krossen Croustillon von Vollkornroggenmehl präsentiert, dessen Getreidegeschmack das Ensemble „erdete“. Schön, dass das Türmchen auf dem Fisch und nicht im Spiegel der Schnittlauchsauce lag, die mit reichlich Crème fraiche süffig daher kam. Passte natürlich ausgezeichnet zum nur kurz sautierten Spinat mit Schalottenwürfelchen.
Kabeljau Schnittlauchsauce Spinat Croustillon
Der noch leicht glasige Kabeljau war auf der Haut gebraten, was ich schätze und hier auch handwerklich gut geklappt hatte. Trotzdem muss ich einer sehr geschätzten Portal-Kollegin einräumen, dass ein ganz leichter Trangeschmack spürbar war, wie ich ihn eher mit Schollen verbinde. Das trübte den Genuss ein wenig.
Neugierig war ich auf mir unbekanntes Bündle. Dass es sich um Bauchspeck handelt, hätte ich vielleicht erraten können, störte mich aber überhaupt nicht. Im Gegenteil, das Schwäbisch-Hallische Ferkel lieferte einen saftigen, geschmackvollen Bauchspeck, das mich auch durch eine splitternde Schwarte erfreute. Auch das Meerrettich-Sorbet war nicht nur pacojet-cremig, sondern brachte ordentlich Schärfe mit, die gut zum rustikalen Schweinebauch passte. Warm-kalte Kontraste sind ja sowieso meist ein Gewinn. Fruchtiges Apfelkompott und Sellerie in Texturen fügten sich stimmig ein. Ein rundum gelungener Teller! Meine Bitte um eine kleinere Portion wurde erfüllt. Möglicherweise auch deswegen sah die schwarze viereckige Platte nicht so überfüllt aus, wie die früheren Gänge.
Bündle Meerrettich-Sorbet Sellerie Apfel
„Traditionell“ wollte ich mit dem Käsegang enden. Vorher schickte die Küche mir aufs Haus jedoch eine süße, kühle Überraschung aus Pfirsich, Holunderblüte, süßen Beeren, Pistaziencrumble und Champagner.
Pfirsich Holunderblüte Pistazie Champagner
Gut so, denn die abschließende Käseauswahl (u.a. Erft, der Ur-Limburger, Kuhmilch aus Doubs, Fourme d‘Ambert) litt in Teilen an fehlender Reife und damit am eigentlich erhofften vollmundigen Geschmack.
Das Gläschen Riesling Auslese des Bioland-Weinguts Stortz-Nicolaus aus Diedesfeld (Pfalz, klar) war aber recht angenehm (7€). Keineswegs Château Bahndamm, wie der live zugeschaltete Kollege noch unkte...
Auch ohne Kaffee gab es noch eine Kokospraline und ein schönes Grapefruitgelee als süße Rausschmeißer.
Petits fours: Kokospraline Grapefruitgelee
Fazit:
Lecker war’s, etwas kühl war’s, zu teuer war’s.
Ambiente und etwas auch der Service standen schon im Widerspruch zu den prächtigen Küchen-Kreationen, die zumindest manchmal mehr versprachen, als sie halten konnten.
Daher zwar eine grundsätzliche Empfehlung, aber meine persönliche erste Wahl in Nürnberg wird das Koch und Kellner nicht.
Und noch stand ja z. B. das Würzhaus auf der to-do-Liste...