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Die Kochkünste von Laurin Kux hatte Carsten1972 schon häufiger hoch gelobt, und da wir bei dem sehr sympathischen Chefkoch vermutlich noch nie gegessen hatten („Vermutlich“, weil wir vor Ewigkeiten mal im Hamburger Jellyfish waren, aber das eben vermutlich vor Kux‘ Zeit dort.), kam der Vorschlag eines gemeinsamen Abendessens im Brust oder Keule sehr gelegen. Nach einem Spaziergang von 25 Minuten waren wir angesichts des doch sehr warmen und schwülen Wetters froh, dass sich die Crew entschieden hatte, nicht das durchaus sehenswerte Souterrain zu bespielen,
sondern den Abendservice komplett auf den beiden Terrassen stattfinden zu lassen. Hinter einer großen Hecke, die das Eckhaus von der sowieso recht ruhigen Wohnstraße abschirmte, wehte zudem immer ein leichtes Lüftchen. Sehr angenehm, ebenso wie die verschiedenen Aperitife, die uns die überaus freundliche, junge Sommelière Kiana Lücken anbot, die gemeinsam mit dem Chef vom ländlich gelegenen Ferment ins gehobene Münsteraner Kreuzviertel gewechselt hatte. Mein Ruinart Rosé war perfekt gekühlt und - seltsam, das lobend erwähnen zu müssen - prickelte vorbildlich.
Apropos vorbildlich, der junge Service verdiente dasselbe Prädikat: Toll anzusehen, wie engagiert hier eine junge, bestens ausgebildete Crew mit Herzblut und guter Laune agierte. Sehr erfreulich, dass auch Azubis aus der Küche mit dem Chef gemeinsam auftragen und, während er sich freundlich, aber aufmerksam zurücknimmt, die Speisen ansagen. Den einzigen kleinen Hänger gab es, als erst bei der Bestellung mitgeteilt wurde, dass heute kein Käse verfügbar sei. Angesichts des vernünftig zurückhaltenden Angebots von zwei Sechs-Gang-Menüs hätte man das auch schon beim Überreichen der Karte erwähnen können, um den Käsefreund (aka Borgfelder) nicht so brutal aus seiner Vorfreude zu reißen;-). Mein Hinweis wischte Frau Lücken für eine Zehntelsekunde das freundliche Lächeln aus dem Gesicht. Das war mir dann doch unangenehm, und ich gab mir im Folgenden Mühe, ein vorbildlicher Gast zu sein. Also, wie immer. Natürlich. So oder so, die Höchstnote in Sachen Gastfreundschaft ist absolut verdient.
Zu viert ließen wir uns zwei fruchtig-herbe Hausaperitife, ein Glas tadellose Pfälzer Flaschengärung und ein frisches westfälisches Pils schmecken und schauten noch einmal in die im Netz schon Vorfreude schürende Karte.
Im BoK werden zwei Menüs angeboten, eines davon vegetarisch. Rein vegan ist nicht im Angebot. Die Preise haben - wie vielerorts - stark angezogen: Der Einstieg sind 4 Gänge für 120€; bis zu 3 weitere zu jeweils 17€ sind möglich. Damit liegt das volle Menü bei 171€ und das ist für einen 1*er schon eine Ansage. Richtig heftig aber das Wasser, 7,5€ für die Halb(!)-Literflasche macht 10,75€ für die üblichen 0,75l. Das ist der höchste Betrag, den ich nach meiner Erinnerung jemals gezahlt habe. Bei allem Verständnis für Quersubventionierung: Wenn die Speisen schon gut kalkuliert sind und jeder Gast am Tisch (mindestens) eine Flasche Wein trinkt, ist irgendwann mal gut.
Die Weinauswahl selbst gestalteten wir individualisiert: Während meine Frau mit ihrem leichtfüßigen Sauvignon Blanc von Phillip Kuhn nicht nur der Temperaturen wegen glücklich war, hatten es die Grafschafter Gourmets auf einen kräftigen Aligoté aus der Familie der Burgunder-Trauben abgesehen. Ich hielt ausnahmsweise nicht mit und kostete einen speziellen Saarburger Rausch der Familie Geltz, der durch Diabas genannten Feuerstein-Boden ein spezielles Aroma erhält. Spannend! Beim Chardonnay des burgenländischen Weinguts Schloss Halbturn war ich wieder dabei.
Dann ging es auch schon zügig los:
Die Küche grüßte mit drei Kleinigkeiten auf der Tellerfahne: Der Croustillant mit der farbenfrohen Liebstöckel-Sphäre polarisierte erwartungsgemäß, eine Zwiebel-Tarte schmeckte allen und mein Favorit war die Aalsülze.
Auch die Brotauswahl machte Freude: Sowohl das kräftige Sauerteigbrot mit Fenchelsamen und Kümmel als auch das eher selten gereichte Laugenbrioche entpuppten sich eigenständige, sehr leckere Backwaren.
Eine Shiso-Räucherforellen-Mousse mit frischer Zitronenmajonäse und scheinbar einfachen, aber perfekt passenden, rustikalen Bohnenaromen beendete den Reigen der Amuses. (Foto gibt‘s bei Carsten;-)
„Wirklich“ los ging es dann mit einem handgeschnittenen Rindertatar auf präsentem Blumenkohlstampf, darauf eine Lage fein geschnittener fermentierter Karfiol, der nach meinem Eindruck den Siegeszug des Sellerie in der Hochküche etwas gestoppt hat. Gekrönt wurde das leckere Türmchen mit einer Nocke Kaviar, pikanter Senfpannacotta und Senf-Chips, die auch texturell ein Gewinn waren. Am Tisch kam noch ein Sud von fermentiertem Kohlrabi hinzu, dem Brokkoli die satte Farbe verlieh. Es freute mich, dass die weiteren Komponenten statt der beim Tatar häufigen Säuerlichkeit eher eine leicht bittere Note mitbrachten.
Ein bildschöner Teller! Auch das dry-aged-Fleisch hatte einen deutlichen Eigengeschmack. Indes: Der großzügig portionierte (und damit erst kulinarisch sinnvolle) Kaviar hatte brutal viel Salz; das war schon sehr dominant und musste vorsichtig auf die Happen verteilt werden.
Auch beim folgenden Krustentier freute sich als erstes das Auge. Der nicht zu brachial und vor allem nicht zu lang geflämmte Carabinero konnte sein feines Aroma noch deutlich in Szene setzen, das die Küche mit einem frisch-aromatischen Dreiklang aus Fenchel, Dill und Gurke kombinierte. Das gelang überraschend gut, besonders gefiel mir der Temperaturkontrast zum Dill-Sorbet. Aber auch der Schaum von fermentierten Gurken hätte vielleicht den einen oder anderen Verächter des grünen Kürbisgewächses positiv überrascht.
Interessante, gelungene Kombi aus nordischen und südlichen Aromen.
Es ging weiter mit einem vegetarischen Teller, der auf den ersten Blick Pasta verhieß. Tatsächlich waren die Ravioli aus dünnen Kohlrabischnitten geformt, mit einem Kräuterpesto gefüllt und dann sanft pochiert worden. Das war handwerklich toll gearbeitet und am Gaumen überzeugend. Weniger gefielen mir nur die gröberen Scheiben des eingelegten Gemüses. Umso besser jedoch die Begleitung mit Texturen grüner und schwarzer Olive, die eine sehr angenehme Salzigkeit beisteuerten, herben Mandeln und einer Sauce mit Rapsöl, die auch eine süße Nuance hatte.
Wieder sehr fein abgestimmte Geschmacksrichtungen und daher ein rundherum überzeugender fleischfreier Gang.
Der zweite Fischgang fiel etwas aus der bisherigen Reihe der vielstimmigen Kompositionen heraus. „Chef im Ring“ war hier eine durchgegarte Tranche leinen-geangelten Rotbarsches, die kross auf der Haut gebraten wurde. (Zumindest im 2. Versuch - bei lappig gewordener Fischhaut versteht der Bremer wenig Spaß. Lobenswert ist, dass es keine Diskussion gab.)
Im Nachgespräch „verteidigte“ Laurin Kux engagiert und trotzdem sehr sympathisch seine Wahl. An der es qualitativ auch nichts auszusetzen gab! Ich finde halt Rotbarsch kulinarisch wenig spannend und die Zubereitung im BoK überzeugte mich nicht vom Gegenteil. Überraschend übrigens Mitte Juli die Begleitung mit Variationen von weißem(!) Spargel, bei der Küche wieder ablieferte. Auch die leicht gebundene Nage machte Freude. Wirklich begeistern konnte mich das gesondert gereichte Tartelette mit einer Spargel-Pannacotta und phantastischen Nordseekrabben, deren separater Panzer getrocknet einen wunderbaren Knusper erzeugte.
Mit der folgenden Ballontine vom westfälischen (Kikok-)Huhn bewies die Küche, dass sie neben dem Fermentieren (und vielem anderen) auch klassische französische Zubereitungen beherrscht. Auch hier erhielt das nicht nur durch die Füllung wunderbar saftige Fleisch durch Abflämmen Röstaromen. Statt erwartbarer Frucht- oder Currymitspieler setzte man neben dem Geflügel-Fonds auf ein eigenständiges Mangold-Kokos-Chutney und eine umami-pralle Champignon-Crème.
Erneut bestens gelungen.
Der Herr mir gegenüber orderte dazu einen St. Laurent; ich schwächelte und bin ja auch kein so großer Rotweinverehrer. Wie gut, dass es den seltenen Burgunder auch in der halben Flasche gab. Applaus, Applaus!
Während sich die Süße Fan einem üppigen Gedicht aus Karamell, Original Beans Schokolade und Erdbeeren hingab,
weinte ich dem fehlenden Käse nach. So etwa eine Sekunde lang, bis das zweite, „modernere“ Dessert Augen und Gaumen erfreute.
Ein leichter Grießpudding kombiniert mit karamellisierter Melone, Kokosmousse und Piña Colada in verschiedenen Texturen und Temperaturen schaffte ein erfreuliches Süße-Säure-Spiel, das - ganz nach meinem Geschmack - durch ein Estragonöl zusätzlich kickte. Wenn schon Dessert… Nein, Scherz: Toller Abschluss des Menüs und überhaupt eines durchweg hochklassigen Abends auf der Terrasse im Kreuzviertel. Bei den von Carsten schön ins Bild gesetzten klassischen süßen Kleinigkeiten, die nach den leisen Aahs! und Mmmhs! neben mir hervorragend gewesen sein müssen, blieb ich schließlich abstinent. Wer platzt schon gerne?
Die Küche von Laurin Kux überzeugte durch optisch wunderschöne, vielfältige Kompositionen, die durchaus überraschen können, aber niemals überfordern.
Nach einer herzlichen Verabschiedung durch das Team und dem schon erwähnten Plausch mit dem Chef trennten sich gut gelaunt die Wege der beiden Schlemmerpaare. Wobei wir natürlich nicht wissen, ob auch in Richtung Rheine eine schnuckelige kleine Weinbar lag, die uns noch etwas aufhielt…