"Anscheinend weder gewollt noch gekonnt -oder: Woanders is besser..."
Geschrieben am 26.07.2015 2015-07-26
"Gute, moderne Hotelküche; auditive Höchststrafe -oder: Es sing(k)t für Sie: Das Niveau..."
Geschrieben am 16.07.2015 2015-07-16 | Aktualisiert am 16.07.2015
Das “Veranda“ ist ein langgestreckter Saal in den Farben des CDs der Hotelkette. Diverse Orange- und Gelbtöne in pastellfarbener Abstufung herrschen vor. Etwas filigran wirkende Holzstühle mit Sitzpolster und Rückengeflecht an Banketttischen mit Windlicht, Tischwäsche, Wastelstreuer, einem frischen Blümchen und einem kleinen Aufsteller mit einer (Wein)-Empfehlung. An der Längsseite, gegenüber der Fensterfront verbreiteten die Reste des abendlichen Buffets ihren Abfütterungscharme. Hoffentlich kommt die Küche rechtzeitig aus dem Kantinenmodus.
Ziemlich zügig kam ein etwas gehetzt wirkender Kellner (3,4) und überreichte die Speisekarte, die Weinkarte musste natürlich erfragt werden. Dafür wurde, wie weitverbreitet, mit der Getränkebestellung gedrängelt. Das bestellte stille Wasser kam als Glashäger medium (0,75L á 5,50 Euronen) in nicht richtig kalt aber schnell an den Tisch. Eines der wenigen (drei von 20) mit oberflächlichen Verunreinigungen im aktuellen Test (06/2015) der Stiftung Warentest und damit eigentlich durchgefallen, allerdings wurden keine Gesamtnoten vergeben. Der Abfüller hat einen diametral entgegengesetzten Laborbericht auf seiner Homepage veröffentlicht. Im Juliheft von Test ist bisher keine Gegendarstellung abgedruckt. Auf unsere Weinbestellung (Freyburger Herrenberg, Weißburgunder Kabinett trocken, Weingut Deckert, Freyburg, Saale-Unstrut 0,75 L für 24,- Euronen) warteten wir eine ganze Weile. Stetiges Umherwuseln unseres Servicemenschen und klirrende Geräusche aus dem Hintergrund verwiesen auf eine umfassendere Suchaktion. Schließlich war man fündig geworden und präsentierte Stolz einen völlig anderen Jahrgang als in der Karte ausgelobt. Was soll ‘s, der war wenigstens kalt und es gab einen ausreichend dimensionierten Kühler mit dem auch beim Wasser temperaturmäßig nachgebessert werden konnte.
Recht zäh gestaltete sich dann die Bestellung der Hauptspeisen. Als Tagesofferte (Tafel im Eingangsbereich und zwar nur dort, auch keine Erwähnung durch den Service!) sollte es Steinbutt mit Basilikum-Risotto und Tomatensalat zum Preis von 22,90 Euronen geben. Daher wunderte es, dass Madames Bestellung des, in der regulären Karte zu einem geringeren Preis vermerkten, Steinbutts mit Kräuterbutter und ich glaube Speck-Kartoffelstampf rundheraus abgelehnt wurde. Ein Alternativvorschlag kam nicht. Erst auf meine insistierende Erwähnung des Tagesangebots wurde eingeräumt, dieses mit der anderen Beilage zu servieren. Okay, auch wenn der Preisunterschied demnach auf unterschiedlich große Portionsfische verweist, sollte der Service in der Lage sein eine kundenorientierte Transferleistung zu erbringen. Hier muss Gast wohl grundsätzlich sehr deutlich werden. Bei meiner Bestellung des Tagesgerichts wurden prompt auch die anderen Beilagen notiert. Erst die, wie ich meine, deutlichste Ansage das Risotto und den Tomatensalat nebst Butt nur zu nehmen, wenn die Küche den Fisch glasig braten kann, schien zu fruchten und wurde mit: „Das kann die Küche auf jeden Fall!“ vom Servicedarsteller bestätigt….
Überbrücken konnten wir die anschließende Wartezeit ausschließlich durch beobachten der übrigen Gäste da weder amuse noch Brot oder Ähnliches kredenzt wurden. Viele Personen waren ‘s nicht mehr. Insbesondere die zum Familienessen genötigten Herren der Schöpfung, fielen immer wieder durch ungesund wirkende Körperhaltungen und höchstwahrscheinlich von den aus der Lobby herüberschallenden, Fußballubertragungsbegleiterscheinungen induziertes Aufspringen auf. Schließlich wurde es den Muttis zu viel und die Kerle huldvoll entlassen. Etwas gruselig wirkte in dem Zusammenhang die Bitte eines geschätzt fünfjährigen Knirpses, ob er sich denn auch zurückziehen (originale Wortwahl) dürfe…. Schließlich kamen
| Die Vorspeisen |
Ragout fin vom Linumer Wiesenkalb 8,50 Euronen
zartes Ragout vom Linumer Wiesenkalb mit Waldpilzen, gratiniert mit Ostsee-Käse
Sehr schmackhafte Version des Würzfleischs, vergleichsweise aromatisch und gut gegart. Für Madame ausreichend, zweckmäßig, wirtschaftlich. Zu dem Preis hätten aber wenigstens ein paar Brotscheiben dabei sei können. Auch wenn es sich tatsächlich um die extensiv aufgezogenen Färsenkälber einer Kreuzung von Limousin und Gelbvieh handelt, sollte das drin sein.
Jacobsmuschel trifft Spargel 11,90 Euronen
Spargelsalat mit gebratenen Jakobsmuscheln und Garnele
Entweder sind das die ausgemergeltsten Tiefseescallops die am Markt verfügbar waren oder man hat aus Sparsamkeitsgründen eine schöne Muschel halbiert. Für letzteres spricht auch ein, auf beiden (ja liebe Küche man kann Lebensmittel umdrehen, hilft aber nur bei hirntoter Klientel…) Schnittflächen vorhandener, Riss quer über die Gesamtoberfläche der Muschel. Diese war ebenso wie die Garnele leicht übergart. Stimmig dazu kräftige Spargelbrocken zusammen mit nicht enthäuteten Tomatenfetzen. Das Ganze eher getrennt als verbunden durch eine säuerliche Vinaigrette. Wiederum passend die etwas muffig anmutenden Rote-Beete-Sprossen mit Dillzweig. Schade, da ist man weit unter den Möglichkeiten geblieben. Wenigstens ist man sprachlich einiger Maßen genau, es handelte sich tatsächlich nur um ein Aufeinandertreffen und keinesfalls um ein Rendezvous.
Ein weiteres Mal durften wir lernen, dass die Erwartungshaltung besser nicht übertragen oder durch Speisenkartenprosa gebildet werden sollte. Allerdings hat man im Urlaub nicht immer Zeit für oder Lust auf umfangreiche Recherche. Das Kellner-Äquivalent ließ uns weitestgehend in Ruhe bzw. versuchte Wein nachzuschenken, war aber immer etwas zu spät. Was für die Gläser sicherlich deren Haltbarkeit verlängerte, ich lege den Flaschenhals beim Einschenken jedenfalls nicht auf dem Glasrand ab. Zwischendurch wurde es wohl auch ihm zu lang und er murmelte sowas wie: „Gleich geht ‘s weiter…“. Nun wie auch immer man hier Gleich definiert, man sollte zur landläufigen Zeitspanne mindestens 15 Minuten hinzurechnen. Dann brachte er
| Die Hauptspeisen |
Zweimal den eingangs erwähnten, gebratenen Steinbutt mit unterschiedlichen Beilagen. Leider mehliert und augenscheinlich im sehr tiefen Fett ausgebacken. Müßig zu erwähnen dass die Garstufe ‘glasig‘ wohl nicht vom Schlepper weitergegeben wurde oder von der Küche im Reich der Mythen und Sagen verortet wird. Wenigstens saftig hätte es aber sein dürfen. Nun, das galt leider lediglich für den, nahe der Gräte enthaltenen, Rogen-Anteil. Traurig, der arme Fisch, vergebens gestorben. Von den ‘Begleiterscheinungen‘ lassen sich mit Ausnahme des Risotto-Versuchs alle im Bereich ‘geht so‘ unterbringen. Der Tomatensalat wäre mit etwas Basilikum und weniger saurem Essig ein Genuss gewesen, die Dillbutter hätte, ebenso wie der Stampf, etwas mehr Würze vertragen können. So reichte es nur als Gleitmittel um den Fisch runter zu kriegen. Den zähen, grünen Matsch habe ich dann tatsächlich reklamiert, aber gleich gesagt, dass ich Nachbesserungsversuche ablehne. Der lustige Kellner-Mime schien bestürzt und bot an ein neues Risotto bereiten zu lassen…. Auch wenn ein Tellerträger nicht wirklich kochen können muss, sollte demjenigen jedoch klar sein, dass das den Zeitrahmen jedes Essens sprengen würde. Ich habe dann nicht mehr gefragt welchen Teil von ‘Nein‘ er nicht verstanden hat.
Um nicht in Gefahr zu geraten die Kücheninkompetenz in all ihren entsetzlichen Facetten kennenzulernen, verzichteten wir auf Desserts. Trotzdem wollten wir noch einen geschmacklichen Höhepunkt. Da bleibt hier anscheinend nur auf externe Kompetenz zu setzen. Also bestellten wir zwei Digestive aus dem Hause der Gutsbrennerei Schloss Zinzow GmbH & Co. KG. Das war endlich mal eine richtige Entscheidung und wurde mit zwei hocharomatischen Tropfen (Schwarze Johannisbeere à 5,50 und Himbeerbrand à 6,- Euronen) belohnt. Das Beste am heutigen Abendessen, insbesondere die Himbeere ist sehr zu empfehlen.
Beim Ordern der Rechnung bot der Gast-Arbeiter, als Kompensation für das misslungene Risotto, einen Café an, was wir angesichts der vorgerückten Stunde und in Erwartung eines gut abgehangenen GV-Produktes gerne ablehnten. Damit war der Einfallsreichtum auch erschöpft. Unterm Strich wurden wir dann 108,20 Euronen ärmer, was eindrucksvoll belegt, dass das ambitionierteste bei den Schweizern oft nur die Preisgestaltung darstellt.