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Welch Glück, den Waldhäuser Hof entdeckt zu haben! Der Weiler Waldhausen umfasste noch Ende des 19. Jahrhunderts fünf wohlhabende Bauernfamilien, woran sich bis zum heutigen Tag wohl wenig geändert hat. Das mehrfach umgebaute, erweiterte, veränderte Gebäude des Lokals liegt inmitten eines ländlichen Ambientes: Pferdekoppeln, Misthaufen, umherstreunende Kätzchen, Hofläden, ein Milchautomat zum Selbstzapfen. Am Wochenende ist die Hochebene Auslaufareal der akademischen Tübinger Bürgerschaft und man kann sich gut vorstellen, dass das Restaurant dann proppevoll ist. An einem schnöden Donnerstag gegen 14 Uhr sind wir die fast die einzigen Gäste. Draußen lockt eine überdachte Pergola mit schöner Außenterrasse sicherlich sommers zur schattigen Einkehr ein. Drinnen ist mit viel Grün und rustikalen Holztischen und gepflegten Accessoires und reinweiß getünchten Wänden ein einladendes Interieur geschaffen worden.
Nach einigen unangenehmen Erfahrungen mit dem Service anderer Lokale in den vergangenen Wochen, klappt es hier wirklich wie am Schnürchen: hier ist sofort ein freundlicher, aufmerksamer, unaufgeregter und entspannter Kellner mit der Karte zur Stelle, nimmt die Getränkebestellung auf und zeigt auf angenehme Weise, dass wir willkommen sind. Wir wählen erst mal 0,4 Liter Apfelschorle von den hiesigen Streuobstwiesen (4,00 Euro) – spritzig, erfrischend, fruchtig. Die 0,33-Liter-Flasche Cola (2,50 Euro) wird auf Wunsch gut temperiert geliefert, man muss sie sich nicht mal selbst stauchen. Obwohl ein überaus günstiger Mittagstisch lockt (heute: Linsen, Spätze, Saitenwürstel für 9,00 Euro / Kräuter-Kürbis-Risotto für 7,00 Euro) halten wir uns lieber an die Hauptkarte, respektive „Vesperkarte“. Wir wählen Wiener Schnitzel aus dem Rose-Kalbsrücken / Pommes Frites aus frischen Kartoffeln / Beilagensalat für stolze 23,80 Euro, sowie Überbackene Käserahmspätzle / Röstzwiebeln / Beilagensalat für sehr angemessene 11,50 Euro. Das Schnitzel ist megadünn und fein, in leichter Ei-Panade, dazu grandiose, vollmundige Fritten und ein sensationell frischer Beilagensalat, dessen Bestandteile garantiert nicht aus dem Eimer stammen. Hier schmeckt noch alles genauso, wie es soll: erdige, moderat süssliche Möhren, knackig-frische Gurken, leichter Friseesalat und latent scharfe Kresse, dazu ein hervorragendes Hausdressing. Nur schwäbischen Kartoffelsalat vermissen wir. Die Käserahmspätzle mit würzigen Röstzwiebeln wurden vermutlich unterm Salamander oder in der Backröhre kurz gebräunt und überbacken, was der sonst sahnigen Speise gute Knackigkeit und angenehme Röstaromen beschert.
Bei dem jetzt notwendigen Digestif werden wir ausführlich und detailliert beraten. Sicherlich wundervoll wären die Brände aus dem Hause Anhalt gewesen. Der Destilleur aus Kusterdingen (offenbar ein gelernter Jurist) hat von seinen Eltern das Brennrecht geerbt und kreiert nun superhochwertige Birnen-Digestife, in stylischen Flacons dargeboten, die ein edles Parfum dahinter vermuten ließen. Wunderschön anzusehen und allein das Hineinschnuppern macht uns schon selig – aber es war nicht geplant, heute ein kleines Vermögen fürs Mittagsmahl zu investieren. Daher wählen wir sehr bodenständig den bewähren Haselnussbrand von Theurer aus Unterjesingen (5,60 Euro). Schöne Nougataromen, fast ein bisschen süßlich, aber in der Harmonie sehr gut passend zum Espresso, den wir uns nun wirklich zum Abschluss bestellen.
Vom Service werden wir ganz herausragend und mit selbstverständlicher Aufmerksamkeit bedacht. Alle Fragen werden detailliert und mit Freude beantwortet. Hier scheint man jede Zutat, jedes verarbeitete Bestandteil einer Speise noch persönlich zu kennen. Bei manchen Gerichten hat das durchaus seinen (berechtigten) Preis. Der Waldhäuser Hof ist also kein Ort zum schnellen Schnabulieren, eher ein Lokal mit Anspruch und Genuss. Wie die Homepage verrät, finden hier auch Kochkurse, Weinproben und andere Events statt. Der Patron Bernd Genzel hat eine interessante Vita mit Stationen wie das hochdekorierte „Kerns Pastetchen“ in Stuttgart oder Jörg Minks „Schloss Solitude“. Bleibt zu hoffen, dass das eher bäuerliche, ländliche Umfeld der Tübinger Hochebene den entsprechenden Rahmen für zukünftige Erfolge bietet.
Noch ein ungewöhnliches Lob ganz zum Schluss: dieses Restaurant hat uns mit absoluter Ruhe beglückt: keine Musikkonserve vom Band, kein Radiogedudel, keine Nonstop-Gebrabbel vom Nebentisch. Was für eine Erholung!