"Hier schmeckte uns der Sommer! In Thomas Mantheys mediterraner Genussbude passten Anspruch und Wirklichkeit gut zusammen"
Geschrieben am 10.09.2019 2019-09-10 | Aktualisiert am 10.09.2019
"Saucengrüße aus der Quetschflasche! – Angesagter Panasiate, der neben Sushi und Pho auch ein paar bemerkenswerte Hauptgerichte bereithält, aber sonst allen gängigen Fusionsklischees entspricht"
Geschrieben am 18.08.2019 2019-08-18 | Aktualisiert am 18.08.2019
"Ein Steakhouse - Sehr durchwachsen!"
Geschrieben am 10.07.2019 2019-07-10 | Aktualisiert am 10.07.2019
"Betriebsferien:Es sind vom 08.07.2019 bis einschließlich 14.07.2019 Betriebsferien!"
Geschrieben am 04.07.2019 2019-07-04
Die Stimmung war ausgezeichnet, denn allein schon der Spaziergang durch die Neustadter Altstadt, genauer gesagt durch die historische Hintergasse mit all ihren liebevoll restaurierten Fachwerkhäusern und idyllischen Innenhöfen, machte so richtig Lust auf ein sommerliches Abendmahl unter freiem Himmel.
Ganz am Ende der von Weinstuben und diversen anderen Gasthäusern gesäumten Futtermeile befand sich das Ziel unserer kulinarischen Schicksalsgemeinschaft an diesem warmen Donnerstagabend kurz vor Beginn der großen Ferien, das von Küchenchef Thomas Manthey betriebene Esszimmer.
Seinen überaus lauschigen Außenbereich verdankt es einem baumbestandenen Platz mit entspannendem Brunnengeplätscher, der auch von der schräg gegenüber untergebrachten Edelbulettenbude namens „Brunos Burger & Lieblingsgerichte“ gastronomisch genutzt wird. Ein wirklich herrliches Fleckchen Genusspfalz, das zu einem spontanen Gläschen Wein genauso einlädt wie zu einer mediterranen Gaumenorgie.
Wir hatten letzteres im Sinn und im Vorfeld für vier hungrige „Schlemmerboys“ reserviert. Der Tisch direkt neben der Eingangstür war uns genehm und der agile Florian Reiß, der an diesem Abend zusammen mit einer jungen Dame aus Irland den Service schmiss, brachte uns umgehend die Speiselektüre des Hauses.
Lange war es her, dass ich bei Chefkoch Manthey zu Gast war. Damals war sein Esszimmer noch im Ritterhof zu Burrweiler – heute kocht hier Ex-Kannen-Koch Florian Winter groß auf – untergebracht. Er hat sich mit seinem Umzug in die Neustädter Hintergasse bewusst verkleinert. Seiner kulinarischen Marschroute ist er jedoch treu geblieben. Der 48jährige Kölner setzt weiterhin auf eine international ausgerichtete, weltoffene Küche mit deutlich ausgeprägtem mediterranem Akzent.
Manthey ist ganz schön rumgekommen in der Gastro. Nach seiner Zeit in Wien („Fabios“ und „Da Moritz“) und einem kurzen Gastspiel in „Netts Restaurant“ (heute „Moro“) in Neustadt-Gimmeldingen eröffnete er vor rund 5 Jahren sein erstes eigenes Restaurant, das „Esszimmer in der Weingalerie“ am Ortsausgang des beschaulichen Weindörfchens Hainfeld. Übrigens genau dort, wo sich heute die Pfälzer Genussfraktion (PGF) als regional operierende Verköstigungskörperschaft um die kulinarischen Interessen ihrer Gäste kümmert.
Nun hat Manthey die Pfälzer Weinprovinz hinter sich gelassen und es sich in den Räumlichkeiten des früheren „Fontana“ gemütlich gemacht. Anfangs noch zusammen mit seiner Partnerin Silke Ulrich, die den Service in herzlich-kompetenter Art und Weise leitete. An unserem Besuchsabend war Frau Ulrich jedoch nicht anwesend. Auch beim Blick auf die Homepage tauchte ihr Name nicht mehr auf. Anscheinend haben sich da die Wege getrennt. Genauer nachfragen wollte ich natürlich nicht.
Ca. 30 Sitzplätze umfasste der übersichtlich angelegte Außenbereich. Drinnen dürften es kaum mehr sein. Im geschmackvoll möblierten, mit Zweier- und Vierertischen eingerichteten Gastraum dominierte helles Holz (Tische und Parkettboden). Bequem gepolsterte Freischwinger komplettierten die vom weißen Tuch befreiten Ess(zimmer)plätze. Die mit Platzsets, Stoffservietten, Zweifachbesteck und Wassergläsern ausgestatteten Tische wirkten recht unprätentiös. „Casual“ und trotzdem „fine“ würde hier als Beschreibung gut passen.
An der Stirnseite des Raumes fiel mir die großformatige Schiefertafel mit dem recht umfangreichen Angebot an offen ausgeschenkten Weinen ins Auge. Neben mehr oder minder bekannten Weingütern aus der Mittelhaardt (z.B. Reichsrat von Buhl und Hofgut Markus Schädler) und der Südpfalz (z.B. Gies-Düppel und Weingut Wilhelmshof), listete diese auch ein paar bemerkenswerte italienische Tropfen. Ein sardischer Vermentino oder ein Barbera aus dem Piemont bekommt man bei uns nicht so häufig offen aus- bzw. eingeschenkt. Und das zu Viertelpreisen zwischen 7 und 8 Euro. Absolut fair, denn guter Stoff kostet schließlich.
Beim Blick auf die Aperitif-Auswahl entdeckte ich einen alkoholfreien Sommerdrink namens „Herbe Orange“, bei dem Crodino – nach wie vor mein heimlicher Favorit in Sachen liquider Appetitanregung – mit Orangensaft und Eiswürfel gemixt wurde. Ich fragte nach, ob man den gelb-orangenen Italo-Klassiker auch mit Prosecco auffüllen könnte. Mit 6,80 Euro für 0,2l war ich dabei. Man berechnete mir einfach den gleichen Preis, den auch der gelistete Aperol-Spritz gekostet hätte.
Als weiterer Apero fungierte ein alkoholfreier Traubenbitzler, bei dem man weißen Traubensaft mit Limette, Mineralwasser und gefrorenen Trauben zu einem erfrischenden Sommerdrink mischte (4,50 Euro für 0,25l). Der Kollege gegenüber bestellte ganz konservativ einen halben Liter Riesling-Schorle (4,50 Euro). Für den durstigen Pfälzer sicherlich das Erfrischungsgetränk schlechthin. Apropos Erfrischung. Natürlich landete auch bald die erste von insgesamt fünf Flaschen Mineralwasser (4,90 Euro für 0,75l) auf dem Tisch.
Wie jeden Donnerstagabend stand ein 5-gängiges Tastingmenü auf dem Speisezettel. Für 39 Euro konnte man sich nach dem Motto „klein und fein“ einmal quer durch die Küche von Thomas Manthey futtern. Dem verlockenden Angebot von fünf kleinen Überraschungsgängen konnte der kulinarisch aufgeschlossene Kollege neben mir nicht widerstehen.
Der Mann mit der Rieslingschorle ging lieber auf Nummer sicher und wählte das Esszimmer Menü in der 4-Gang-Variante (58 Euro), das mit Carpaccio vom Oktopus und Garnelentartar, Gazpacho andaluz, Filet vom Adlerfisch und sizilianischen Cannolli die Neustadter Hintergasse in mediterrane Hafennähe rücken sollte.
Dem Dritten im Bunde war es nach frischem Grünzeug zumute, was ihm als Vorspeise einen mit Balsamico-Dressing angemachten Blattsalat mit gegrilltem Gemüse und süß-sauer eingelegten Tropea-Zwiebeln (9,50 Euro) einbrachte. Beim Hauptgang wagte er sich an das 220 Gramm leichte Rückensteak vom Iberico-Schwein (24,50 Euro), das vom Big Green Egg Holzkohlegrill kam und mit Pommes frites geliefert werden sollte.
Nur ich gab mal wieder den zweifelnden Entscheidungsneurotiker. Edelfisch-Ceviche mit Jakobsmuschel oder Tagliolini mit Riesengarnelen? Tagliata vom Roastbeef oder doch das mit sizilianischem Pesto bestrichene, halbrohe Thunfischsteak? Alles wäre im vor- und bestellbaren Bereich gewesen. Aber nix da! Die venezianische Fischsuppe (18 Euro) – eigentlich ein Hauptgang – wurde kurzerhand zur Vorspeise erklärt. Danach sollten es die mit frischen Pfifferlingen und Pancetta verfeinerten Trofie (16,50 Euro), eine hübsch gedrehte Pasta-Spezialität aus Ligurien, sein.
Draußen auf den gut gepolsterten Stühlen aus Polyrattan genossen wir die langsam untergehende Abendsonne, der auch unsere Markise nichts anhaben konnte. Kurz nach den Getränken grüßte die Küche mit einem kalten Gurkensüppchen, das so dezent nach dem von mir so ungeliebten Gemüse schmeckte, dass selbst ich die kleine Tasse geleert bekam. Eine erste, erfrischende Auftakthürde, die wir locker (an)nahmen.
Was duftete betörend nach Fenchel, Pernod, Schalen- sowie Schuppengetier und wartete darauf, aus dem tiefen Porzellan gelöffelt zu werden? Richtig, die frisch am Tisch angegossene, venezianische „Broeto“ aus der Manthey’schen Mittelmeerküche. Zugegeben, ein Prachtexemplar ihrer Art. Zart gekochte Stücke von Adlerfisch, Lachs und Seeteufel sowie ausgelöstes Miesmuschelfleisch machten dem hervorragend abgeschmeckten Meeresbrodem in puncto Einlage alle Ehre. Die trübe Brühe kam mit viel levantinischem Schmackes daher. Das dazu gereichte ligurische Fladenbrot war frisch geröstet und eignete sich gut zum Dippen in die nicht übertrieben „geknofelte“ Krustentier-Aioli. Ein erster Gang, der für reichlich Wohlbehagen am Gaumen sorgte und temporär sättigend wirkte. Würde ich jederzeit wieder bestellen!
Auch der Kollege gegenüber zeigte sich äußerst zufrieden mit seinem Oktopus-Garnelen-Carpaccio, das seinen viergängigen Menü-Reigen nicht minder mediterran eröffnete. Dem Tasting-Aspiranten neben mir wurde als erster Überraschungsgang Thunfischtataki im Miniformat auf knackigem Erbsengemüse serviert. Auch bei ihm ein durchaus spannender Auftakt, bei dem nicht geklotzt sondern geklekst wurde.
Nur der Vierte im Bunde war mit seinem Grünzeug etwas unzufrieden. Was sein Dressing an geschmacklicher Kante zu wenig hatte, hatten die Salatblätter an Sandkörnern zu viel vorzuweisen. Das geht sicher besser, was man bei einem Preis von knapp 10 Euro für den Vorspeisensalat auch erwarten kann. Kann aber andererseits auch mal passieren.
Danach ging es kulinarisch in Richtung Südspanien. Die in einem Glas servierte Gazpacho Andaluz kühlte die erhitzten Gaumen von gleich zwei schwitzenden Suppenkaspern am Tisch. Begleitet wurde der iberische Kaltschalen-Klassiker von einem Crostini mit Peperonata und Büffelmozzarella. So weit so stimmig. Ein Probierlöffel davon überzeugte auch den Schreiber dieser Zeilen. Aromatische Säure und subtile Frische in feinfühlig abgeschmeckter Balance. Manthey weiß eben, wie man die vermeintlich einfachen Gerichte gekonnt in Szene setzt.
Neben mir schaltete man mit orientalisch angehauchtem Wildlachs auf luftig-lockerem Couscous zufrieden einen Gang höher, während mir das Filet vom Adlerfisch mit Kapern-Limetten-Risotto, geschmortem Fenchel und Fischsuppen-Espuma meines Gegenübers neidvolle Blicke entlockte. Da konnte meine ligurische Pasta trotz ihrer formidablen Pfifferlingsqualität schon rein optisch nicht ganz mithalten.
Pancetta, Parmesan und Frühlingslauch verliehen meinen perfekt bissfest gekochten Trofie eine angenehme Würze, der man ruhig noch etwas mehr Pikantheit hätte zutrauen können. Das war zwar nichts wirklich Spektakuläres, aber dennoch ein sorgfältig zubereiteter Teigwarenteller, der sich mit guten Zutaten von italienischer Massenware deutlich abgrenzte.
Dazu genoss ich einen strohgelben Vermentino aus Sardinien für 7,30 Euro das Viertel. Ein erfrischend leichter Essensbegleiter, der mit seinem zurückhaltenden Bouquet meinem Nudelteller nicht die Schau stahl, sondern ihn gefällig ergänzte. Das Viertel Barbera (7,80 Euro) von Castello del Poggio aus dem Piemont, das ich dem viel zu schnell verdunsteten Sardenwein etwas später folgenließ, präsentierte sich dagegen vollmundig und angenehm saftig. Zarte Tannine und rote Beerenfrüchte zeichneten sich für sein sattes Finish verantwortlich.
Schräg gegenüber genoss der Iberico-Vernichter sein saftiges Rückensteak, das mit sagenhaft krossen, herrlich delikat gewürzten Pommes aus der Tüte, einem kleinen Beilagensalat und hausgemachter Tomaten-BBQ-Sauce serviert wurde. Keine Ahnung, ob Frittenfreigeist Manthey dafür in einer belgischen Pommesbude promoviert hat oder ein besonderes Gehör für den „Gesang“ seiner in Fett brutzelnden Kartoffelstäbchen entwickelt hat. Das war dem Frittenversteher am Tisch auch völlig Schnuppe, da diese Kombi aus knuspriger Würzhülle und weichem Flaumkern ihm vortrefflich mundete. Auch sein Iberico-Steak konnte geschmacklich überzeugen. Lediglich beim Cut hätten es noch ein paar Gramm mehr sein dürfen.
Auch der Durchprobierer mit dem Hang zu Überraschungen war inzwischen bei seinem Hauptgang angelangt. Man hatte ihm kurz gebratenes, neuseeländisches Roastbeef auf toskanischem Brotsalat serviert und er war sowohl vom perfekt gebratenen Fleisch als auch vom schmackhaften Panzanella sehr angetan. Getrocknete Tomaten, Kapern und Taggiasca-Oliven lieferten herbe Würze, Paprika und Gurken ließen sommerliche Frische Einzug halten. Natürlich kam auch sein vierter Gang in einer kleineren Portion daher. Wie alle Gänge seines Ü-Menüs war auch dieser von der Menge her sehr stimmig portioniert.
Ein Manthey-Menü ist keine dahingetupfte Abfolge von Petitessen, sondern lässt einen in der Summe auch gut satt werden. Dabei fiel auf, dass bei der Anrichtung der Speisen auf überflüssigen Schnick-Schnack verzichtet wurde und die verschiedenen Komponenten auf dem Teller harmonisch ineinandergriffen – und das sowohl optisch als auch geschmacklich. Man merkt einfach, dass hier ein erfahrener Küchenchef am Herd agiert. Einer der weiß, wie gute italienische Küche funktioniert und welch beglückenden Einfluss sie auf seine Gäste haben kann.
Und so konnten wir gegen Ende des Abends auch seinen süßen Versuchungen nicht widerstehen. Mit Zitronencrème gefüllte, sizilianische Cannolli wurden mit Pfälzer Erdbeeren und Meringue (9 Euro) kombiniert. Mein aus hausgemachtem Vanilleeis und frisch gebrühtem Espresso bestehender Affogato al Café (7,50 Euro) – oftmals auch als „Kleiner Italiener“ bezeichnet – wurde mit „im Kaffee ertrunkenen“ Schokoperlen und weißem Schokoladenschaum veredelt. Der aus Walnüssen, Pistazien und Mandeln gebackene Schoko-Florentiner überzeugte als süßer Knuspertaler und rundete die italienische Kaffeespezialität angemessen ab.
Nach einem netten Plausch mit Serviceleiter Florian Reiß und dem Hinweis, dass man aufgrund der Probleme mit den Anwohnern – kennt man ja von etlichen Gastronomien mit Außenbereich – das gemütliche Sitzen unter freiem Himmel zeitlich einschränken müsste, verließen vier zufriedene und gut gesättigte Schlemmerboys das mediterranste Esszimmer von ganz Neustadt. Denn hier macht nicht nur das Essen glücklich. Auch das Draußensitzen war uns die reinste Freude. Möge das nächste Clubtreffen bald kommen.