"Es dampft, es raucht - und ja: hier schmeckt es auch!"
Geschrieben am 10.07.2021 2021-07-10 | Aktualisiert am 10.07.2021
"Trendiges Asia-Fusion-Restaurant mit dem wohl besten Sushi-Angebot der Pfalz"
Geschrieben am 18.11.2017 2017-11-18 | Aktualisiert am 18.11.2017
Der Geburtstag meiner Lieblingsnichte war zwar schon eine Weile her, aber ich hatte die damals ausgesprochene Einladung zum Abendessen nicht vergessen. Ganz im Gegenteil, ich freute mich auf einen kulinarisch abwechslungsreichen Abend mit der angehenden Hebamme, die ein gutes Essen mindestens genauso sehr zu schätzen weiß wie ihr diesbezüglich recht aufgeschlossener Onkel.
Knapp eine Woche nach der Wiedereröffnung der Innengastronomie Anfang Juni wurde flugs via Facebook ein Tisch für Zwei reserviert. Meine Nichte kannte bisher nur den Landauer Ableger der Koza-Gang (wie sich die Betreiber selbst auf diversen sozialen Plattformen gerne nennen) und war entsprechend gespannt, was da im pfälzischen Konsumforscher-Eldorado Haßloch auf sie zukommen würde.
Mit den Impfpässen in der Tasche ging es hinein in das putzige Backsteinhäuschen, wo uns schon am Eingang eine ganze Horde winkender Maneki-nekos begrüßte.
Außenansicht
Die goldenen Winkekatzen sollen ja bekanntlich Wohlstand und Reichtum anziehen. Heben sie dann auch noch wie hier die linke Pfote, rufen sie Kundschaft bzw. Gäste herbei. Kein Wunder, dass an die 50 Exemplare dieses japanischen Glücksbringers direkt nach der Eingangstür auf Besucher warteten.
Der Empfang fiel freundlich konfus aus. Irgendwie schienen wir unter falschem Namen im Reservierbuch eingetragen worden zu sein. Egal, die angegebene Uhrzeit stimmte mit der erschienenen Personenanzahl überein – immerhin. Den Platz direkt nach der Eingangstür lehnte ich dennoch dankend ab.
Man führte uns in den kleineren, von einem Durchgang abgetrennten Gastraum weiter hinten, der lediglich vier Tische beherbergte. Ausgerechnet an dem Tisch, den man uns zugedacht hatte, waren die Lichtverhältnisse derart bescheiden, dass ich uns einen besser beleuchteten erbat. Meine Absicht, ein paar brauchbare Fotos für einen neuen Koza-Report zu schießen, legte ich dabei offen. Die Ankündigung meines Bestrebens sollte später noch ein paar überraschende Folgen haben.
Die Speisenkarte ließ sich mittels QR-Code auf dem Smartphone nachlesen. Gut, dass die junge Dame am Tisch dies postwendend übernahm. Am Nachbartisch wurden später sogar „echte“ Nachschlagewerke in Form der hier üblichen Klemmbretter verteilt. Es muss ja nicht nur digital sein.
Während meine Nichte die seit meiner letzten Einkehr (mit Frau und Mutter) kaum veränderte Sushi-Sashimi-Streetfood-Auswahl durchstöberte, hatte ich genug Zeit, um das komplett renovierte Innere der liebenswerten Maki-Höhle zu bestaunen. Früher gefiel mir die nüchterne Einrichtung, die ganz zeitgemäß zwischen angesagter Industrieästhetik und ländlicher Rustikalität oszillierte. Ganz so grau wie damals ging es jedenfalls nicht mehr zu. Allein das farbenfrohe Wandgemälde zu meiner Linken brachte Leben in die Bude.
Auch das Mobiliar hatte sich „nachsitzlich“ zum Positiven verändert. Die alten Holzstühle wurden durch einfache, aber wesentlich bequemere Sitzgelegenheiten ersetzt. Helle Holzplatten zierten die Bistrotische, an denen jeweils vier Personen Platz nehmen konnten. Für größere Gruppen ließen sich diese problemlos zusammenschieben. Alles sehr funktional, aber doch mit Charme und Flair.
Ansicht vorderer Gastraum
Die hohe Decke hatte man mit üppiger Kunstflora abgehängt. Dies wirkte zusammen mit der wärmeren Beleuchtung doch um einiges gemütlicher als früher. Ein adäquater Rahmen für den kulinarischen Einklang von Ästhetik und Alltag.
Ansicht hinterer Gastraum
Über unserem Tisch baumelte eine schmale Stableuchte von der Decke und sorgte für ausreichende Erhellung. Hinter der wertigen Wandbank, auf der es sich meine Begleiterin bequem gemacht hatte, wurde die Wand auf indirekte Art und Weise beleuchtet. Dies alles schaffte eine angenehme Atmosphäre, die zum allgemeinen Wohlbefinden beitrug.
Wohlfühlatmo garantiert
Die anfängliche Konfusion am Empfang war längst vergessen, denn die jungen Damen vom Service agierten umsichtig und mit zugewandter Lockerheit. Zum Besteck- bzw. Stäbchenkörbchen, der obligatorischen Sojabuddel und dem Windlicht im Lampionformat gesellten bald zwei hausgemachte Drinks auf unserem Tisch dazu.
Mein Homemade Ice Tea (5,80 Euro) auf Kumquatbasis hatte ordentlich Zitrone und frische Minzblätter abbekommen, was die recht vordergründige Süße etwas auffrischte.
Homemade Ice Tea
Bei dem primär aus Russian Wildberry und Mineralwasser bestehenden „Revive“ (6 Euro) meiner Nichte wurde nicht mit dunklen Beeren gespart.
A drink to "Revive"
In der Summe waren das zwei fruchtige Durstlöscher, die keines Alkohols bedurften, aber meiner Ansicht nach ruhig etwas weniger süß hätten ausfallen dürfen. Italienisches Bergwasser namens „Aqua Morelli“ sprudelte für urbane 5,20 Euro aus der azurblauen Flasche.
Aus der reichhaltigen, online nachlesbaren (https://koza-restaurant.de/food-menu) Palette an Speisen panasiatischer Provenienz wählten wir die Edamame (5,40 Euro), die Dumplings („Steamz“, 7,90 Euro) sowie die mit Tempura-Garnelen, Reisnudeln und Salat gefüllt Sommerrollen („Diamond Rolls“, 6,40 Euro), ehe wir uns zum Hauptgang den legendären „Invader“ – eine überaus großzügig portionierte Sushi-Sashimi-Mix-Platte für zwei ambitionierte Rohfischvernichter – einverleiben wollten. Letzterer kostete übrigens genau wie vor drei Jahren seine 56 Euronen. Für das Gebotene ein durchaus realer Preis, der erfreulicherweise stabil blieb. In der heutigen Zeit und den gegebenen Umständen ist das ja keine Selbstverständlichkeit.
Unser Hunger würde nach den rund 50 (!) Preziosen aus Reis, Algen und rohem Fisch, die der „Invader“ bereithielt, sicher der Vergangenheit angehören, zumal ein paar Starters ja auch noch mit von der Partie waren.
Auf einer aus dem Nebelmeer ragenden Bambusinsel wurden die auf Wildkräutersalat gebetteten, zierlichen Reismehlteigtaschen mit locker-leichter Garnelenfüllung serviert. Ohne Frage: ein echter Hingucker.
Misty Island Dim Sum Experience
Für Leute wie mich, die diese Art der effektvollen Inszenierung gar nicht bräuchten, um ein paar saftige Dim Sum zu genießen, aber auch irgendwie entbehrlich. Aber der Effekt hat ja schon so manches Mittel geheiligt.
Nun gut, auch die Edamame fanden zur gleichen Zeit den Weg auf unseren Tisch.
Edamame = eiweißreiches vorab!
Die gedämpften japanischen Sojabohnen wurden standesgemäß mit ein wenig Meersalz und einem vollmundigen Soja-Schalotten-Dip gereicht. Der passte hervorragend zu dem eher geschmacksneutralen Trend Food aus Fernost. Bei der Menge hatte ich nicht die Bohne einer Ahnung, wie wir das alles schaffen sollten.
Erwähnte ich eigentlich die japanischen Bohnen am Zweig?
Nun waren die Mädels vom Service – bitte nicht falsch verstehen – so richtig heiß gelaufen. Sie lieferten plötzlich Vorspeisen, die wir gar nicht bestellt hatten und die noch nicht einmal auf der Speisenkarte zu finden waren. Zur Aufklärung dieser überraschenden Aktion: der Rezensent und seine Begleitung „mussten“ quasi als Probanden herhalten und durften sich noch zusätzlich einen mit reichlich Trüffelwürze versehenen Spinatsalat sowie eine Bambusschale voll himmlisch krosser Hühnerfetzen „aufs Haus“ schmecken lassen.
Himmlich krosse Hühnerfetzen!
Da wurde nach dem Verzehr mehrfach nach unserer Meinung gefragt, mit der wir selbstverständlich nicht hinterm Berg hielten.
Beide Zusatzgerichte waren extrem schmackige Vertreter ihrer Art. Beim Spinatsalat, der mit geröstetem Sesam und einer brutal würzigen Trüffelöl-Soja-Vinaigrette angemacht war, wurde hart an der noch zumutbaren Umami-Obergrenze operiert.
Spinatsalat
Die erfreulich fettarmen Chicken-Nuggets wurden als knuspriges Fingerfood genossen. Noch mehr Laune bereitete uns das Tunken in den dazu gereichten Miso-Dip. Mit den Händen futtern kann so schön sein. Sollten die Knusperteile den Weg auf die Standard-Karte finden, sie wären willkommenes „Straßenfutter“ vorweg.
Der Beweis: Streetfood schmeckt auch drinnen!
Apropos Streetfood für die Seele: da waren ja noch die mit frittierter Knuspergarnele gefüllten und mit süßlicher Unagi-Sauce verzierten Sommerrollen, die ebenfalls gefuttert werden wollten.
Richtig frische Sache...äh Rollen!
Zufrieden tunkten wir diese saftig-frischen Rollzylinder in eine leichte Chili-Limetten-Vinaigrette. Frischer Koriander und gerösteter Sesam ergänzten die mit Salat, Reisnudeln und Tempuragarnelen gefüllte Köstlichkeit aus der Küche Vietnams stimmig.
Shine on you crazy diamond roll!
Ehrlich gesagt, waren sie unser heimlicher Favorit dieses im Grunde viel zu umfangreichen „Startersets“, dessen ungeplante, jedoch sehr großzügige Erweiterung unseren Appetit schon vor der gigantischen Sushi-Platte ziemlich zügelte.
Egal, entschlossen wollten wir dem „Eindringling“ aus rohem Fisch, Nori und Reis die Stirn bieten. Meiner Bitte, sein Eintreffen zeitlich noch etwas hinauszuzögern, wurde gerne entsprochen. Der Vorspeisenreigen verlangte nach einer kleinen Verschnaufpause.
Als dann das unter reichlich Trockeneisnebel gesetzte „Bauwerk“ eintraf, staunte ich Reisklötze.
Sushi-Platte "à la Bespin" (Stadt in den Wolken)
Ich fühlte mich kurzzeitig wie Han Solo, kurz bevor man ihn auf Bespin in tiefgefrorene Karbonit-Ware verwandelte. Auf einer hellen Holzplatte hatte man doch tatsächlich versucht, den Drei-Schluchten-Damm am Jangste im Maßstab „Eins zu Reis“ nachzubilden.
Viel Rauch um Fisch!
Wakame, Wasabi-Knet und Gari fanden als natürliche Beigaben genauso ihr Plätzchen auf der großangelegten Holztafel wie diverse, - Buddha sei Dank! - nicht zu dick aufgetragene Saucenbahnen bzw. -klekse aus der Quetschflasche. Es handelte sich dabei um einen leichten Mango Curry Dip und die gleiche süßliche Unagi-Tunke wie vorher bei den Sommerrollen.
Der re(is)inkarnierte Drei-Schluchten-Damm am Jangtse
Schade, dass man die gebackene, mit Thunfisch, Avocado und Frischkäse gefüllte Tempura Crunch-Roll etwas zu sehr mit Guacamole und Salsa Roja zukleistert hatte. Hier wäre weniger sicher mehr gewesen.
Crunchy Roll mit etwas zu viel Sauce
Weitere Nebendarsteller waren Röstzwiebeln, Daikon-Kresse und schwarzer Tobiko (Fischrogen). Ein Schnitz Limette hatte es sich zwischen Thunfisch-Sashimi und einer penibel aufgeschichteten Maki-Mauer bequem gemacht.
Die vier mit rohem Lachs und Thunfisch zubereiteten Nigiri grüßten als köstliche Vorboten in Sachen Reisveredelung, indem sie mit herrlich sanfter Rohfischhaube punkteten.
Lachs-Nigiri
Neben den vegetarischen, mit Gurke gefüllten Nori-Reis-Rollen, waren es die mit kross frittierter Lachshaut bestückten Maki, die in ihrer akkurat gerollten Einfachheit überzeugten. In ihrer kargen Finesse stellten sie einen gelungenen Kontrapunkt zu der etwas zu opulent erscheinenden Crunchy Roll dar.
Jemand hatte scheinbar doch die Absicht eine Mauer zu errichten...
Die acht Inside-Outs nannten sich „Alaska Roll“ und waren mit schottischem Lachs und Avocado gefüllt. Tobiko on Top ergänzte das fehlende Ying zum Yang.
Alaska-Roll mit Tobiko on Top
Beim Lachs-Sashimi nahm mir das überpräsente Trüffelöl etwas zu viel Geschmacksraum ein, aber das war in Anbetracht dieser handwerklich wie qualitativ beeindruckenden Kaltfischerfahrung ein verschmerzbarer Wermutstropfen. Zumal der rohe Thunfisch förmlich auf der Zunge schmolz.
Traumhaftes Thunfisch-Sashimi
Wir klemmten uns genüsslich die als „Chef’s Surprise“ angekündigte, von rohem Thunfisch überzogene Reiskost zwischen unsere Ess-Stengelchen und hatten damit unseren Inside-Out-Favoriten auf der Platte schnell ausgemacht. Da hatte der approbierte Sushi-Meister auf kreative Weise saftigen Lachs, cremig-weiche Avocado und knusprige Tempura-Garnele mit Hilfe seiner Bambusmatte zusammengerollt. Es ist halt doch der Reis, der stets vereint!
Die hübsch gerollte Überraschung des Sushi-Meisters
Geschafft haben wir dieses äußerst sättigende und auch optisch sehr gelungene Konstrukt aus rohem Fisch und klebrig-säuerlichen Reis natürlich nicht. Aber meine Nicht freute sich – ganz pandemiegewohnt – auf ihr sorgsam verpacktes Sushi-To-Go am nächsten Tag.
Die Geste der sympathischen Mädels vom Service auf dem Abschlussfoto konnte ich nicht so recht deuten, denn die Rechnung hatte ich zu diesem Zeitpunkt vollends beglichen.
Zwei Mädels vom Service
Egal, es war ein rundum gelungener Abend in Haßloch, der uns effektvoll in Szene gesetzte Kost aus Fernost auf äußerst sympathische Weise bescherte. Über kleinere Üppigkeiten von der Saucenkelle sahen wir locker hinweg. Das „Ur-Koza“ hat beim Interieur hinzugewonnen ohne an seinen schon damals raffinierten Sushikreationen nachzulassen. Und das alles zu Preisen, die uns klarmachten, dass nach Corona auch vor Corona bedeuten kann.