"Saucier des Grauens"
Geschrieben am 04.05.2022 2022-05-04 | Aktualisiert am 04.05.2022
Montag: | Ruhetag |
Dienstag: | Ruhetag |
Mittwoch: | Ruhetag |
Donnerstag: | 13:00 - 18:00 Uhr |
Freitag: | 13:00 - 18:00 Uhr |
Samstag: | 11:00 - 18:00 Uhr |
Sonntag: | 11:00 - 18:00 Uhr |
"Wegen Umbau geschlossen"
Geschrieben am 12.02.2022 2022-02-12
"Umzug an den Augustaplatz"
Geschrieben am 05.02.2022 2022-02-05
Dann kam Corona, und die Sache wurde nicht besser.
Und als sich letztes Jahr schließlich Calvin zu unserer Familie gesellte, hatten wir die Hoffnung schon beinahe aufgegeben, denn Hunde haben dort keinen Zutritt (offene Küche!), ganz gleich, ob sie fusseln oder nicht.
Aber dann bot sich doch endlich eine Gelegenheit. Meine liebe Schwester hatte mir nämlich zum letztjährigen runden Geburtstag einen großzügigen Gutschein fürs Festspielhaus geschenkt, gekoppelt mit dem Angebot, derweil den Hund zu hüten und dafür extra aus Freiburg anzureisen. Selbst während eines eventuell damit verbundenen Dinners wollte sie noch die Stellung halten. Schwestern schenkt der liebe Gott, das weiß man seit dem Kinderbuchklassiker, der (Zufall?) ein Jahr nach ihrer Geburt erschienen war.
So spazierten wir denn frohgemut, Sol Gabetta und Simon Rattles Londoner Symphoniker in unseren Gehörgängen leise nachhallend, die paar Meter ins schräg gegenüberliegende Hotel Roomers, dessen Erdgeschoss das Moriki zu einem nicht kleinen Teil ausfüllt. An dieser Stelle lege ich allen Leserinnen und Lesern MarcOs Bewertung ans Herz, in der er das Restaurant ausführlich und mit viel Hintergrundwissen beschrieben hat; seitdem hat sich, zumindest was das Erscheinungsbild angeht, nicht viel geändert.
Neu hinzugekommen sind möglicherweise Wonderwoman und Superman, auf die der Blick als erstes fällt, wenn man durch den Hoteleingang tritt, und hinter denen man links in die Toilette abbiegt,
vielleicht auch die Kuckucksuhrparade auf dem Weg von Hotellobby zum Restaurant. Da ahnt auch der weniger ortskundige Wanderer, dass es in den Schwarzwald nur ein paar kurvige Höhenmeter sind.
Auf angenehme Lautstärke gedimmte Technomusik empfing uns – der musikalische Kontrast zum Konzert hätte nicht größer sein können, aber man ist ja vielseitig empfänglich. Wir liefen an einer Theke vorbei, hinter der zwei Sushiköche ihrer Arbeit nachgingen, an der man aber leider nicht sitzen kann, um ihnen dabei zuzuschauen. Da hätte man sich die offene Küche eigentlich sparen und Hunden den Zutritt erlauben können.
Lustigerweise wurden wir offenbar an den selben Platz geführt, an dem MarcO und seine charmante Begleitung damals gesessen hatten, heute in Zweiertischen arrangiert. Und zwar so eng gestellt, dass ich meinen Hintermann bitten musste, kurz mal vorzurücken, damit ich in meinen Sessel rutschen konnte. Dieser wiederum war so tief, dass wir uns später gezwungen sahen, unser Essen in Gottesanbeterinnenhaltung einzunehmen. Hier hat man wohl versucht, einen Kompromiss zwischen Restaurant und Lounge zu finden, der beiden Bestimmungen nicht ganz gerecht wird. Später wurde auch der Tisch direkt neben unserem besetzt, was für die Privatsphäre nicht gut war, dafür durften wir aber Zeuge werden, wie jemand seine Sushi mit Messer und Gabel verspeiste. Das bekommt man nicht alle Tage geboten.
Noch immer von hoher Beschwingtheit getragen, starteten wir in den Abend mit einem uns unbekannten Getränk, einem Sparkling Sake ‘Nene‘ von Gokyo, für champagnerwürdige 18 Euro den Zehntelliter. Serviert wurde er in einem Tonkrüglein, getrunken aus einem Näpflein, wie man es eben von Sake kennt, dessen raue Oberfläche aber nicht gut für die sparkliness ist. Geschmeckt hat er wie mäßig süße Traubenlimo, und von Alkohol war wenig zu spüren. Ganze 4,5% waren es, wie ich später herausfand, das ist für etwas, was den Namen Sake trägt, mehr als bescheiden. Unbescheiden dagegen der selbst für Baden-Badener Verhältnisse üppige Preisfaktor 10. Mit einem der namenlosen Gläschen Winzersekt zu 11 Euro wären wir in jeder Hinsicht besser gefahren.
Auch beim Wasser langt man kräftig zu – 9,50 Euro für die Flasche Aqua Monaco, das auch nur wie Wasser schmeckt, dürfte unser bisheriger Rekordpreis für Designerwasser gewesen sein. Und wir sollten noch eine Menge davon brauchen...
Übertrieben hungrig waren wir nicht, hatte es mittags doch Spargeln nach Art des Hauses gegeben, mit reichlich Schinken und noch reichlicherer holländischer Sauce. So beschränkten wir uns auf Vorspeise und Hauptgericht.
Aus der Rubrik fancy starters wählte meine Frau seabream & truffle (7 Scheiben Dorade, Schnittlauch, Yuzu-Trüffel-Sauce, 20 Euro). Ihre hohen Erwartungen wurden nicht enttäuscht, der Fisch war wunderbar frisch und das Trüffelöl im Yuzu-Dressing nicht zu dominant. Ich durfte ein Scheibchen probieren und wäre neidisch gewesen, wenn ich mit meiner Vorspeise nicht ebenso glücklich gewesen wäre.
Mein tuna tartar imperial (Gelbflossenthunfisch, Imperial Kaviar, Crème fraîche, Sojasauce, Sesamöl, Nori, 24 Euro) pickte ich mit den Stäbchen einzeln auf, um die wunderbar marinierten, festen Stückchen so langsam wie möglich zu genießen. Vom milden Kaviar hätte es gerne etwas mehr sein können, um richtig schön dekadent gewesen zu sein. Rätselhaft allerdings die Funktion der Noriblättchen – sollte ich mir vielleicht mit dem Tatar ein Röllchen drehen? Der Kellner, der den Teller später abräumte, konnte mir auch nicht helfen.
So hätte es weitergehen können, tat es aber nicht. Meine nach langer Konzert- und Restaurantabstinenz in Feierlaune befindliche Frau entschied sich für den lobster imperial (Hummerschwanz, Nussbutter, Imperial Kaviar Gold, Ponzu, Honig-Kresse, Reis, 50 Euro). Doch zum Feiern gab es wenig: Der Hummerschwanz war nur ein Schwänzchen (das Foto täuscht etwas, der Teller war nicht besonders groß), wenn auch ein delikates, zartes und noch leicht glasiges. Die Ponzusauce aber war bis zur Ungenießbarkeit versalzen. Dagegen kam das Hümmerchen nicht an, und der feine Kaviar erst recht nicht. Vielleicht wird im Moriki ja zu wenig asiatischstämmiges Personal beschäftigt, gesehen haben wir jedenfalls nur einen an der Sushitheke, denn ein japanischer Koch hätte das so nicht aus der Küche gelassen, davon bin ich überzeugt.
Etwas, aber nicht viel besser erging es mir mit meinen bbq lamb chops (Lammkotelettes, chinesische Five-Spice-BBQ-Sauce, Pak Choi, Reis). Die Chops waren zwar über jede Kritik erhaben, ganz zartes Fleisch, außen leicht gebräunt und innen noch schön rosa - dummerweise hatte ich es versäumt, den appetitlichen Anschnitt zu fotografieren. Das Pak Choi dagegen war höchstens für Sekunden gegart (gedämpft?), jedenfalls noch roh. Das Lamm hätte es zu Lebzeiten sicher gerne verzehrt, ich ließ es lieber liegen. Und dann die Tunke... Sie war fast so versalzen wie beim Hummer und schmeckte, als wäre jemandem die Sojasauce ausgerutscht, dabei liebe ich Five-Spice über alles! Nur eine weitere Flasche Münchner Schickeriawasser konnte den Aminosäureschock in Grenzen halten. Erinnert hat mich das Geschmackserlebnis an manche asiatischen Wochen in der Betriebskantine, wo die Köche gemeint hatten, man müsste nur reichlich Sojasauce drüberkippen, fertig ist die Nudelpfanne “Asia“. Lang ist’s her...
Die Schale, in der die Chops serviert wurden, war zwar hübsch, aber für den Zweck nur mäßig geeignet. Der Rand war so hoch, dass das Besteck beim Ablegen immer in die Sauce rutschte, und beim Schneiden war er auch im Weg, erst recht bei der komischen Armhaltung, zu der die tiefen Sessel uns zwangen.
Sehr erfreut war ich dann aber doch aber über die Reaktion des Kellners, dem ich von dem Hauptgerichte-Debakel berichtete. Er schien in keiner Weise überrascht (was immer das wieder bedeutet), und siehe da, auf unserer Rechnung tauchte der Hummer nicht auf. Was wir nicht genossen hätten, bräuchten wir auch nicht zu bezahlen, meinte er. Eine äußerst noble Geste, mit der wir im Leben nicht gerechnet hätten. So hätte sich der Service volle 5 Punkte verdient, wenn das Team zuvor etwas zugewandter operiert hätte.
Deutlich darunter rangiert die sehr heterogene Küchenleistung: Sparkling Sake 1, Vorspeisen je 5, Hummer 2, Lamm 3, macht im Mittel 3.
Das Preis-Leistungs-Verhältnis wäre auch ohne die angesprochenen Mängel nicht günstig gewesen, aber so ist es schlicht eine Katastrophe (2). Daran tragen natürlich auch die vielen zahlungskräftigen Gäste bei, die in Baden-Baden herumlaufen und ihre offiziellen oder inoffiziellen Reichtümer unter die Leute bringen.
In den äußerst originell designten Toiletten hingegen war die Sauberkeit makellos, soweit man das bei dem dunklen Interieur und der schummrigen Beleuchtung beurteilen kann (4).
Das Ambiente schließlich litt unter der Enge, der unbequemen Sitzposition und dem Geschirr, das optisch besticht, aber beim Essen im Weg ist (3).
Fazit: Wir werden es wohl bei diesem Besuch belassen, und wenn nicht, dann wie seinerzeit MarcO mehr in Richtung Sushi tendieren. Die kann man zwar auch versemmeln, aber wenigstens hat da der Saucier seine Finger nicht im Spiel.