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Was fiel auf? Die Küche wagte etwas mehr. Der Chef ist erkennbar noch nicht am Ende seines kreativen Weges angelangt. Dabei muss das Publikum natürlich immer mitgenommen werden, und dies scheint (vor Corona) gelungen zu sein. Am Dienstagabend genossen wohl 20 Gäste das Essen genauso, wie den Ausblick über die Lichter der Stadt.
Im Service neue Gesichter. Die junge Frau hat erkennbar Erfahrung in der Gastro, ihr Kollege kam über die Aushilfe in einem Weinhandel dazu und berät nun auch bei der Auswahl. Der empfohlene sortenreine, alkoholfreie Trauben-Secco traf meinen Geschmack so gar nicht, viel zu süß. Aber das ist ja kein Mangel in der Beratung und immerhin hab ich so mal roten Muscat getrunken. Für die engagierte Leistung motivierende 4 Sterne.
Was hat mir über den Dächern von Magdeburg an diesem Abend wieder so gut geschmeckt?
Wie stets der fluffige Muffin, der mit Olivenöl und dem über Nacht abgetropften Quark kam, der schön mit Kürbiskern-Öl und -Crumble aufgepeppt war.
Als Amuse schickte Chef Mette einen sogar leicht knusprigen Tortilla-Würfel mit fruchtiger Tomatenfüllung, Aioli-Schaum und frittierte Kapernblüte. Ein neues Niveau.
Der erste Gang mal wieder (und mal wieder gut!) Saibling. Das Tatar fein geschnitten und im Ring angerichtet, darüber knackige Gurke und eine Nocke Wasabi-Eis mit ordentlich Wumms!
Ganz stark diesmal der Pumpernickel-Crunch, mit hohem Wiedererkennungseffekt: Malzig-süß, knusprig und durch kandierten Ingwer fruchtig-scharf!
So muss ein frischer Menü-Auftakt schmecken!
Der nächste Gang schien mir ein Versuch, das Magdeburger Publikum weiter in eine „moderne“ Richtung mitzunehmen. Modern im Sinne einer Durchbrechung von Geschmacksgewohnheiten. Rote Bete, Granny Smith, Joghurt und Walnüsse waren die Protagonisten, deren kleinteilige Präsentation zwar nicht zum Sattessen war, aber viele Kombinationen, auch in den Texturen ermöglichte.
Nicht alles funktionierte aus meiner Sicht perfekt: Der Apfel blieb hinter der Milchsäure des Joghurts unauffällig. Die Walnuss war mir im Biss zu ähnlich mit der Knolle. Vielleicht wäre eine weichere und süße Frucht aus beiden Gründen noch stärker gewesen. So oder so hatten wir gleich ein Gesprächsthema, als sich der wie immer sympathische Inhaber nach getaner Arbeit zu mir setzte.
Auf den folgenden, vegetarischen Teller war ich besonders gespannt, denn Pom Pom blanc hatte ich bisher noch nicht bewusst gegessen.
Der große, helle Pilz hat eine eigentümliche Struktur; ich fand sie blättrig, fast fedrig. Er war in Scheibe angebraten und hatte einen überraschend starken umami-Geschmack. Leicht bittere Blumenkohlcrème und ein Stundeneigelb waren die erwarteten süffigen Mitspieler. Trüffelraspel hätte ich nicht gebraucht. Gute neue Erfahrung.
Ich blieb vegetarisch und freute mich über eine farbenfrohe Kombination aus leicht-lockerer angebratener Polenta, mit Tomatenconcassée gefüllten Zucchini und viel würzigem Parmesan.
Da changierten Süße, Säure und Salzigkeit und durch die berühmten Röstaromen fiel der Gang kräftiger aus als gedacht. Auch die roten Paradiesäpfel machten am Gaumen schon erstaunlich viel her; besonders gefiel mir das angenehm fruchtig-säuerliche Gel. Die Käse-Chips verloren in der Feuchtigkeit leider schnell ihren Crunch und wurden zäh. Dadurch vermisste ich mit der Zeit etwas die „Bissigkeit“. Auch etwas Schärfe hätte sicher nicht geschadet, aber das ist ein Dauerthema und auch immer ein Wagnis.
Als Hauptgang „schwamm“ eine saftige Tranche Red Snapper vorbei, deren kräftig braune Röstung wunderbar von einem Butterschaum umschmeichelt wurde.
Hier sorgten knackige Kerne der Jerusalem-Bohne für den gerade noch vermissten Biss. Auf den vorgesehenen Serrano, der dem Gericht den sprichwörtlichen „Kick“ gegeben hätte, verzichtete ich - wie alle Jahre wieder.
Leichter fiel da der Ausfall des Desserts, denn drei schöne Käse von Kober wurden nicht nur von eingelegten Feigen und einem sehr guten, selbst gemachten Feigen-Senf begleitet, sondern von Brioche in Muffin-Form.
Wie gesagt, es geht weiter und zwar nach vorn: High-level, eben! (Einer muss sein...)
Für 6 Gänge bezahlte ich die weiterhin sehr günstigen 74€. Die sprudelnden Fruchtsäfte kosteten zwischen 6€ und 7€, das Clausthaler 2,6€.
Es ist eine wahre Freude, die Entwicklung hier zu verfolgen und ich hoffe sehr, dass Familie Mette die Zwangsschließung einigermaßen unbeschadet überstanden hat.