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Draußen vor dem Tore
Schon von außen versprüht das äußerst idyllisch, direkt am Waldrand gelegene Restaurant mit angeschlossenem Gästehaus einen ganz besonderen Charme, dem man sich nur schwer entziehen kann. Wie man sich wohl auf der lauschigen Terrasse vor dem alten Sandsteingebäude an einem warmen Sommerabend fühlen mag, wenn der Blick auf die Lichter der sich vor einem erstreckenden Rheinebene fällt…? Eine Frage, die ich mir im Rahmen unserer letzten „Clubsitzung“ Anfang Dezember beim Betreten des Anwesens stellte und deren Beantwortung ich mir für den Sommer 2022 fest vorgenommen habe.
Schon zu ihren Gimmeldinger Zeiten hatte ich einen Besuch beim kongenialen Gastronomenpaar Friedrich/Mix auf meiner kulinarischen To-Do-Liste vermerkt. Dazu kam es leider nie. Das große Angebot an guten Einkehradressen im Raum Neustadt führte mich zwar ins Moro nach Gimmeldingen, in die Eselsburg nach Mußbach, ins Esszimmer in der Neustadter Altstadt und auch in die im gleichen Ortsteil Haardt gelegene Quetschekuche Stubb ein paar Straßen weiter bzw. drunter, doch in die Spinne verschlug es mich bisher noch nie. Und das, obwohl ich nun wahrlich kein Arachnophobiker bin.
Nach den letzten, eher von gutbürgerlich-deftiger Hausmannskost geprägten Zusammenkünften unseres Gaumenquartetts (Bauer’s Stuben in Venningen, Carls Wirtshaus in Karlsruhe), war es mir gewissermaßen ein Anliegen, die drei anderen Genusshelden mal in etwas gehobenere – jedoch nicht abgehobene – kulinarische Bahnen zu lenken.
Da bei uns jedes Clubmitglied abwechselnd den Ort des gemeinsamen Verzehrs bestimmten darf und nun der Schreiber dieser Zeilen an der Reihe war bzw. über die Entscheidungsgewalt verfügte, rief ich knapp zwei Wochen vor dem anvisierten Termin in der Spinne an. Ein erster freundlicher Plausch mit der sympathischen Chefin am Telefon machte die Reservierung für vier Personen perfekt. Meine Vorfreude war riesig. Bei den drei übrigen Kulinarkumpanen herrschte dagegen großes Rätselraten.
Der mittlerweile auch auf diesem Portal angemeldete „Futtersucher“ (in Sachen adäquater Kinderverköstigung, Anm.) hatte einen guten Riecher, als er erfuhr, dass wir in Richtung Neustadt unterwegs sein würden. Der ausgebuffte Pfalzkenner hatte doch tatsächlich die Spinne als mögliche Einkehradresse auf dem Radar. Seinen prophezeienden Worten sollten Taten folgen.
Der Einzige in unserer Runde, der stets auf Alkohol verzichtet – hat ihm noch nie geschmeckt (!) –, hatte sich freiwillig zum Fahrer erklärt. Von Wörth aus ging es dann über Böbingen nach Neustadt-Haardt, dessen Steillage für durchdrehende Reifen beim Ergattern des letzten Parkplatzes vor dem Anwesen sorgte.
Ein paar Stufen ging es noch hinauf, dann betraten wir die Räumlichkeiten der Spinne. Bald war Frau Mix zur Stelle und begrüßte uns in ihrer herzlichen Art. Sie kontrollierte unsere Impfnachweise, fragte nach unseren Jacken und Mänteln und führte uns an einem recht "grünen Nebenzimmer" vorbei
Das grüne Nebenzimmer
durch den stimmig dekorierten Gastraum
Impression aus dem vorderen Gastraum
in ein wunderschön eingerichtetes Sandsteingewölbe, das jede Menge Atmosphäre verströmte.
Unser Genussgewölbe
Die in elegantem Weiß erstrahlenden Tische, das indirekt angestrahlte, freigelegte Mauerwerk, die mit hochkarätigen, bereits ausgetrunkenen „Flaschenzeugen“ dekorierten Nischen
Längst ausgetrunkene Schätze als Deko
und die von einer Lichtleiste baumelnden Kugelleuchten prägten diesen Ort gediegener Behaglichkeit.
Ambiente pur!
Herr Friedrich klärte uns später bei einem netten Gespräch am Tisch darüber auf, dass hier früher die Dynamitstangen für die Sprengungen im nahegelegenen Steinbruch lagerten. Dass wir uns dies ja hätten denken können, da wir vorher selbst die ein oder andere Gaumenexplosion verspüren durften, teilten wir im umgehend mit. Es freute ihn sichtlich und er plauderte noch eine ganze Weile mit uns über die bereits geltenden, sich bald abändernden, aber hoffentlich nicht so lange andauernden Regeln in Pandemiezeiten.
Dass hier die Platzabstände vorbildlich eingehalten wurden, das Restaurant mit Luftfilter ausgestattet war, die Tische nur einmal pro Abend vergeben wurden, das komplette Team der Spinne durchgeimpft war und die 2G+-Regel mit Selbstverständlichkeit eingehalten wurde, sei an dieser Stelle mal erwähnt. Doch selbst die Umsatzeinbußen, die aufgrund des eingeschränkten Platzangebots zwangsläufig sind, schlugen sich nicht auf die Stimmung des Küchenchefs nieder. Ganz im Gegenteil. Er wirkte sehr aufgeräumt und in sich ruhend. So sah jedenfalls kein Gastronom aus, der sich vor der Zukunft allzu große Sorgen machte.
Zurück zum Tisch bzw. den Tischen. In unserem gemütlichen Nebenraum standen gleich deren drei in weißes Leinen gehüllte Exemplare in einer Reihe. Gäste, die sich zur Wandseite niederließen, saßen auf einer komplett den Raum durchziehenden, bequem gepolsterten Wandbank. Ihre Gegenüber durften es sich auf nicht minder komfortablen Polsterstühlen bequem machen. Als wir in den Raum geleitet wurden, waren die ersten beiden Tische bereits besetzt. Zwei Pärchen ließen es sich sichtlich gut gehen. Die letzten freien Plätze wurden dann von uns eingenommen.
Frau Mix, die wohlgemerkt alleine den Service wuppte, hatte im Hauptgastraum einige Tische zu versorgen. Außerdem hatte sie noch das ein oder andere Telefonat zu führen, weshalb sie uns erst mal ein wenig Zeit zum Ankommen ließ. Zum Aperitif durfte es gerne etwas Perlendes sein. Ich fragte höflich nach, ob man denn den rubinroten Sanbittèr - anstatt wie üblich mit Mineralwasser - auch mit Winzersekt aufgießen könne. Kein Problem signalisierte mir unsere Gastgeberin.
Wenig später standen drei gutgekühlte, fruchtig-bittere Sanbittèr-Seccos (0,25l für 7 Euro) vor den durstigen Aperitiflingen.
Rubinroter Sanbittèr-Secco
Unser Fahrer ließ sich lieber reines Mineralwasser einschenken. Am Ende kamen wir auf insgesamt vier Flaschen mit sprudelnder Taunusquelle, die mit ihren jeweils 5,80 Euro pro Flasche für ein Lokal von dieser Qualität äußerst kundenfreundlich kalkuliert waren.
Schampusschamanen wären wohl routiniert zum Gläschen Veuve Pelletier Brut übergegangen, während sich Sherryschurken eher am Palo Cortado Reserva von Lustau gütlich getan hätten. Selbst die gemeine Sektdrossel hatte die Wahl zwischen einem waschechten „Kremäng“ de Loire, der zwei Jahre auf der Hefe lag, oder einem Riesling Sekt Brut von Weingut Ohler aus der Gimmeldinger Nachbarschaft. Bereits die kleine, aber fein zusammengestellte Auswahl an Aperitifen machte uns klar, dass hier mit Bedacht und fachkundigem „Schankverständnis“ zu Werk gegangen wurde. Eine Handschrift, die sich später bei der Lektüre der phänomenalen Weinkarte mehr als bestätigen sollte.
Um unseren Entscheidungsprozess in Sachen Speisenwahl etwas „aufzuknuspern“, wurde uns eine Handvoll lilafarbener Kartoffelchips mit schön ausgeprägter Marmorierung auf einer Muschelschale gereicht. Violette Knabberei zum rubinroten Apero!? Welch farbenfroher Start in den Abend.
Lila Kartoffelchips
Die Palette an Speisen, die uns geboten wurde, überforderte nicht. Drei Vorspeisen, vier Hauptgänge, ein saisonales Menü im Zeichen der Gans (wahlweise in 3 oder 4 Gängen, aber nur tischweise serviert) sowie ein paar abschließende Verführer in Süß. Mehr war nicht und mehr musste auch gar nicht. Trotzdem war die Entscheidungsfindung kein Selbstläufer. Die gebratene Entenstopfleber mit Pfälzer Pflaume, Avocado, Arabica-Kaffee und Brioche (25 Euro) klang derart spannend, dass ich drauf und dran war, jene zu ordern.
Doch der Suppenkasper in mir setzte sich mal wieder durch. Das Petersilienwurzelsüppchen mit frisch darüber gehobeltem Trüffel (9 Euro) machte knapp das Rennen bei den Vorspeisen. Einer der Kollegen schloss sich meiner winterlichen Terrinenankündigung vorbehaltlos an. Er sollte sich später über seine allererste Trüffelerfahrung noch richtig freuen. Die beiden anderen Kollegen wollten unbedingt im Frischen fischen und entschieden sich vorweg für den marinierten Kabeljau mit bunter Beete und Meerrettichcreme (18 Euro).
Wenn es schon nicht die verlockend klingende Fischvorspeise sein sollte, dann doch wenigstens die von Frau Mix vorgetragene Schuppentierempfehlung des Tages. Ein auf der Haut gebratenes Filet vom Adlerfisch (32 Euro) setzte sich dabei mit Zweierlei vom Blumenkohl ins Benehmen und wurde mit einer kräftigen Pernod-Sauce verfeinert. Wer da nicht bedenkenlos zugreift, ist selbst schuld, zumal Jörg Friedrichs Fischgerichte auf den einschlägigen Portalen und in den regionalen Gastroführern immer wieder mit Lob überschüttet wurden. Ich bestellte also den „Catch of the Day“ und – wie sich später herausstellen sollte – tat ich sehr gut daran.
Meine Kollegen wollten es beim Hauptgang fleischiger angehen lassen. Gleich zweimal wurde nach Brust und Keule von der Oldenburger Freilandgans (34 Euro) mit allem rotkrautig maronierten Kartoffelkloß-Pipapo verlangt. Den zentralen Gang des Gänsemenüs konnte man nämlich auch à-la-carte erfragen. Außerdem kam unser Fahrer nicht umhin, vom Rinderfilet „Boeuf de Hohenlohe“ mit Maisvariation, Paprikacoulis und Rotweinjus (32 Euro) zu naschen. Wer mitgezählt hat, weiß nun, dass wir uns – bis auf den vegetarischen Hauptgang (Kürbisravioli) und die gebratene Entenstopfleber – das gesamte Speisenrepertoire von Maître Friedrich an den Tisch bringen lassen wollten. Gerade bei Erstbesuchen ist eine kulinarische Querschnittsgarantie kein Nachteil.
Eigentlich wollten wir uns aus der großen Auswahl an Flaschenweinen einen feinen Tropfen aussuchen. Da wir aber, was die Korrespondenz betraf, sowohl bei den Vorspeisen, als auch den Hauptgerichten weit auseinanderlagen, gingen wir dann doch lieber den Weg des glasweisen Ausschanks. Und so kam es, dass mir Frau Mix ein Achtel von der Cuvée „R“ vom VDP-Weingut Mosbacher aus Forst (5 Euro) kredenzte.
Die feine Cuvée aus Spätburgunder und Merlot hatte trotz ausreichendem Holzkontakt noch genug dunkle, von einem seidigen Tanningerüst getragene „Beerenkräfte“, um mit dem kraftvollen Suppengang auf Gaumenhöhe zu korrespondieren.
Doch zuvor sollten uns ein paar Knabbereien die Wartezeit ein wenig verkürzen. Man reichte uns zwei Sorten vom hausgemachten Brot. Eines mit Oliven, was generell nicht so mein Fall ist, und ein unglaublich wohlschmeckendes Malzbrot. Dazu gesellten sich ein Schälchen gesalzene Butter und eines mit einem luftigen Kräuterdip.
Zwei Sorten Brot mit Salzbutter und Kräuterdip
Der erste kleine Hunger wurde quasi stullenweise des Tisches verbannt. Besonders das etwas dunklere Malzbrot fand bei uns großen Anklang. Seine süßlich duftende Krume war uns definitiv kein Korn im Auge, sondern ein fluffig-röstiges Beispiel für tadellos ausgeführte Backwerkskunst. Herr Friedrich war anscheinend ein echter Allrounder.
Unser Favorit: das Malzbrot
Bevor ich gleich zu den kleinen Aufmerksamkeiten aus der Küche komme, noch ein paar Worte zu dem von Frau Mix zusammengetragenen Kellerkompendium. Auch wenn wir aus besagten Gründen keine Flasche orderten, so blätterte ich mich durch eben jenes und kam aus dem Staunen nicht raus. Neben einem „gerüttelt Maß“ an Champagner – ich zählte ein gutes Dutzend Bouteillen (u.a. Roederer, Mött, Taittinger und Wöff) – und Winzersekt aus der Nahe und natürlich der Pfalz, machte man sich die Mühe, die gelisteten Weiß- und Rotweintrauben kapitelweise kurz vorzustellen.
Man konzentrierte sich auf des Pfälzers Lieblingsrebe, den Riesling, von welchem allein an die 40 (!) verschiedenen Positionen auf den gemeinen Weißweinzombie einprasselten. Die GGs (Großen Gewächse) gar nicht mitgezählt. Aber auch neben dem „König der Weißweine“ gab es viel Spannendes zu entdecken. Ein Chenin Blanc vom benachbarten Weingut Zeter (Neustadt-Haardt), ein Auxerrois aus dem Holzfass vom Weingut Schwaab aus Maikammer und ein Grauburgunder „sur lie“ (= auf der Hefe) vom VDP-Winzer Georg Mosbacher aus Forst, um nur einige der außergewöhnlichen Trouvaillen hier mal zu nennen.
Auch für Freunde des roten Rebsaftes war bestens gesorgt. Die kräftig-würzige Cabernet Sauvignon / Merlot Cuvée „S“ vom Weingut Bernhart aus Schweigen wurde für faire 48 Euro angeboten. Ein Wein, für den man schon im Laden gute 22 Euro locker machen muss. Der aber jeden Cent wert ist, wie eine vorweihnachtliche Flaschenleerung letztens ergab.
Dass man hier noch den 2011er Heiligenberg Syrah vom 2014 leider verstorbenen Ausnahmewinzer Joachim Hollerith aus Maikammer im Keller hat, überrascht sicherlich nicht nur Verehrer des dichten roten Stoffes. Aber auch andere Prachtstücke, wie beispielsweise den mächtig-konzentrierten Aalto aus der Ribera del Duero oder den saftigen Châteauneuf-du-Pape von Château Mont-Redon, findet man nicht allzu oft auf deutschen Weinkarten. Und zu solch konsumentenfreundlichen Preisen schon dreimal nicht.
Soviel Weinsimpelei musste an dieser Stelle mal sein. Keine Frage, diese Flaschenweinfibel war ein wahres Fest für jeden Rebsaftaficionado. Ich kenne Leute aus Bremen und Rheine, die würden da wohl beherzt zugreifen. Und niemand könnte es ihnen verübeln…
Zurück zu den Amuses. Die steckten allesamt in den Löchern sogenannter Seepocken. Diese an zusammengeklebte Muscheln erinnernden Meeresgebilde haben nicht nur in Aquarien ihre Daseinsberichtigung, auch zur Präsentation kleiner Speisen eignen sie sich hervorragend.
Amuses in der Seepocke
In unserem Falle war das eine mit Auberginenpüree gefüllte Filoteigflöte (=Cornet), die von einem cremigen Avocado-Dip getoppt wurde, sowie ein herrlich nach Orient schmeckendes Falafelbällchen, das auf einem kleinen Holzspieß steckte.
Ideal zum Aus-der-Hand-essen oder auf Deutsch gesagt: lecker Fingerfood zum Reingrooven. Besonders das luftige Auberginenhörnchen ist mir positiv in Erinnerung geblieben. Eine dezente Säure (wahrscheinlich von der Zitrone) machte diese hervorragend abgeschmeckte Miniatur zu einem ersten kleinen Gaumenerlebnis.
Auberginenpüree in der Filoteigflöte
Ein klarer Fingerzeig in Richtung Mut zur Säure, wie ich ihn aus der französischen Küche kennen und schätzen gelernt habe. Na, das ging ja gleich mal gut los.
In unserer Zeitkapsel namens „Gewölbekeller“ war die Stimmung bestens. Zumindest an unserem Tisch. Das mit reichlich Hautevolee-Gehabe ausgestattete Pärchen am Nachbartisch rümpfte bei der redlichen Cuvée Gaudenz vom Weingut Knipser aus Laumersheim die etwas zu hochragende Weinnase. Solche „gehaltlosen Weine“ würde man höchstens zum Kochen verwenden.
Gut, dass wenigstens meine Rotwein-Cuvée vom unqualifizierten Geschwätz der „Expertin“ vom Nebentisch nicht sauer wurde. Egal, wir ließen uns die gute Laune nicht vermiesen. Dafür war dieses Clubtreffen vor Weihnachten im Kreis der vier Wörther Foodfellas einfach zu gelungen.
Vorhang auf für unsere Vorspeisen. Erdig-würzig duftete mir das Petersilientraumsüppchen entgegen. Aromatisch dicht, aber wunderbar dünnflüssig abgebunden. Jeder einzelne Löffel war mir ein Fest. Ein unglaublich tiefgründig schmeckendes Terrinenerlebnis, deren Verfeinerung durch die Trüffelspäne den letzten Kick am Gaumen bedeutete. Suppenchef Friedrich hatte in der Küche ganze Pürierarbeit geleistet, keine Frage.
Petersilientraumsüppchen mit Trüffel
Neben mir türmte sich der vorher bei 50 Grad Sous-vide gegarte Kabeljau des Kollegen. Säure (Marinade), Frische (Ringelbeete, Kräuter) und erdige Würze (Pilze) trafen hier auf einen butterzarten Meeresbewohner. Eine alle Ingredienzien aromatisch umarmende, nicht zu scharf geratene Meerrettichcreme lauerte im Inneren der lauwarm servierten Fischvorspeise, die schon rein optisch eine gewisse französische Leichtigkeit ausstrahlte.
Filigranbau vom Kabeljau
Zweifellos ein Gang bei dem Jörg Friedrichs „Haardt Cuisine“ seinem französischen Vorbild die Honneurs machte. Meine Kollegen waren begeistert von ihrem tadellos zubereiteten Vorweggericht, das auch meinen Geschmack getroffen hätte.
Nochmal der marinierte Kabeljau
Noch vor dem Hauptgang bat ich Frau Mix, mir einen geeigneten Weißwein auszusuchen. So kam ich zu einem Achtel 2020er Sauvignon Blanc Fumé (4,50 Euro) vom Weingut Mosbacher aus Forst. Kein grasgrüner Sauvignonstandard, sondern ein eher cremiger, von reifen Aromen geprägter Vertreter seiner Zunft.
Mein Weißwein zum Fisch
Gut eingebundenes Holz – auch Mosbacher vertraut auf französische Eiche – und eine samtige Textur am Gaumen ließen mich meine kleine Weinreise an die Pfälzer Loire antreten. Beste Bedingungen also für die baldige Ankunft des Adlerfischs.
Der dann auch nicht mehr lange auf sich warten ließ. Die beiden mit krosser Haut und noch leicht glasigem Fleisch perfekt in Szene gesetzten Filets waren auf seidiges Blumenkohlpüree, etwas Blumenkohlbrunoise und eine mit Pernod verfeinerte Nage gebettet. Letztere war aus dem Fond der Karkassen gewonnen und präsentierte sich als wunderbar harmonisch ausbalancierte Fischsauce, die nach allen Regeln der Kochkunst, doch ohne jegliche Krawallhuberei daherkam.
Adlerfisch an Zweierlei vom Blumenkohl in köstlicher Nage
Ein lebensfroh leuchtender Teller voller Süffigkeit, bei dessen Nebendarstellern man allerdings keine Angst vor Kalorien haben sollte. Reiner Feinschmeckerspaß mit einem Protagonisten von herausragender Qualität. Französische Klassik mit Charakter.
Hatten sie es zuvor mit ihrem marinierten Kabeljau betont leichtfüßig angehen lassen, schlugen sie nun „gans“ andere Töne an. Beim heiligen Martin, war das eine opulente Gänsemahlzeit. Brust und Keule des Oldenburger Freilandviehs lagen, von knusprig glänzender Haut überzogen, neben zwei fluffigen, mit Butterbrösel getoppten Kartoffelknödeln. Maronen, Rotkraut und Gänsejus bildeten die alles andere als kleinlaute Entourage.
Gans schön mächtig!
Ein vorweihnachtlicher Winterküchenklassiker, dem es an nichts fehlte. Und außerdem eine echte „Pälzer Portion“, die sich resolut dem Magerwahn entgegenstemmte.
Knusperhaut meets Gänsejus...hmmmm!
Mit der logischen Folge, dass die beiden Geflügelgenossen gut zu kämpfen hatten. „Adieu, Mousse au Chocolat!“ hörte ich sie schon vor dem Dessert die Gaumensegel streichen.
Ein weiterer appetitanregender Hingucker war das mit diversen Maisdeklinationen servierte Edelstück vom Hohenloher Weiderind. Allein die vom roten Wein verdunkelte Jus hätte mich zum unverhohlenen Tellerauslecken angestiftet.
Boeuf de Hohenlohe - wie man sieht eine gänzende Idee
Natürlich wurde das Fleisch im gewünschten Gargrad geliefert. Polentaquader, Maisgemüse, Popcorn, Maispüree und gedämpfte Babymaiskolben bildeten einen süßlich-sättigenden Gegenpol zum tiefgründigen Beiguss.
Mais in Variationen zum Rind
Der Fleischversteher, der sich dieses Prachtexemplar einverleibte, schwelgte in bester Saucenlaune vor sich hin. Auch dieser Teller war eine technisch makellose Verneigung vor der klassischen Kochkunst und eine wahre „Entente cordiale“ aus Süße und Würze, die zudem mit einem harmonischen Spiel verschiedenster Maistexturen überzeugte. Kann man anders machen, aber kaum besser!
So ganz ohne etwas Süßes am Gaumen wollten wir uns dann aber doch nicht verabschieden. Während der werte Biertrinker zu meiner Rechten – er hatte sich doch klammheimlich einen halben Liter Leikeim Pils (4 Euro) einschenken lassen – lieber auf Hochprozentiges in Form eines Grappas („Antica Cuvée“ zu 6,90 Euro) zurückgriff,
Der Grappa des Kollegen
wurde mit zwei herrlich luftigen Nocken vom Kokossorbet (jeweils 3,50 Euro) das süße Finale eingeläutet.
Eine Nocke Kokossorbet als süßes Finale (man beachte das Spinnennetz...)
Für mich war das der perfekte Abschluss eines in jeglicher Hinsicht gelungenen Abends. Das sahen meine drei Genusskameraden übrigens ganz genauso, weshalb ich – und das mache ich recht selten – die volle Punktzahl in allen fünf GG-Kategorien vergebe. Den Weg „auf die Haardt“ zu Frau Mix und Herrn Friedrich werde ich im nächsten Jahr bestimmt noch einmal antreten. Wahrscheinlich im Sommer und mit zwei Mädels am Start.