"Schweriner Erzählungen I: Etwas enttäuschend."
Geschrieben am 06.06.2017 2017-06-06 | Aktualisiert am 06.06.2017
"Betreiberwechsel"
Geschrieben am 12.04.2017 2017-04-12
Montag: | Ruhetag |
Dienstag: | 11:30 - 24:00 Uhr |
Mittwoch: | 11:30 - 24:00 Uhr |
Donnerstag: | 11:30 - 24:00 Uhr |
Freitag: | 11:30 - 01:00 Uhr |
Samstag: | 11:30 - 01:00 Uhr |
Sonntag: | 11:30 - 23:00 Uhr |
Die Reize der Küche liegen manchmal noch im Verborgenen. Hier mein erster Bericht:
Schwerin, die nach Einwohnern kleinste deutsche Landeshauptstadt, ist trotz aller architektonischen Reize kulinarisch von blühenden Landschaften weit entfernt. Sternerestaurants sucht man vergebens (was im Norden leider so selten nicht ist) und auch sonst ist die Empfehlungs-Liste der Gastroführer auffallend kurz. Das Restaurant im Hotel Niederländischer Hof, nur wenige Schritte vom Hauptbahnhof am Pfaffenteich sehr schön gelegen, hat es immerhin in den Guide Michelin gebracht, wenn auch eher der Wintergarten gelobt, als die Küche besungen wird. Und auch der Feinschmecker zählt die ambitionierte regionale Küche mit einem "F" schon zu den "Besten für alle Tage".
Das mag hinkommen, wenn die Betonung auf dem zweiten Teil des Prädikats liegt.
Bei meinem Besuch mühten sich Service und Küche redlich, mit zum Teil auch anständigen Ergebnissen, aber doch unter dem eigenen Anspruch und erst recht unter dem einer Michelin-Empfehlung. Was zunächst einmal daran lag, dass ein Menüwechsel bevorstand und gleich mehrere Gerichte aus der an sich erfreulich übersichtlichen Karte nicht angeboten werden konnten. Zudem waren einige Weine ausgetrunken. Leider erfuhr ich das jedesmal erst nach getroffener (Ersatz-)Auswahl, etwas nervig. Das war allerdings auch die einzige Schwäche der weiblichen Fachkraft, die die insgesamt 7 Gäste an diesem Abend alleine gut betreuen konnte. Keine Besonderheiten, sie war präsent und freundlich und versuchte, trotz der Lücken der Karte meine Wünsche zu erfüllen. Solide.
Auch der Gastraum gefiel mir mit seiner gelungenen Mischung aus Altem (Eichenbüffet) und Neuen (Lichtkonzept). Nur die silberne Deko erinnerte noch stark an Weihnachten. Ich hatte einen schönen Tisch am Fenster. Das "Reserviert"-Herz aus Schiefer war ein hübsches Detail. Die künstlichen Schneeglöckchen sind nicht so meins. Die silbernen Salz- und Pfefferstreuer schon eher. Auf den Tischen zwei weiße Decken, die Hochlehner davor sogar mit weißen Hussen überzogen. Ein vollständiges Gedeck und gefaltete, gestärkte Servietten vervollständigten den leicht festlichen Eindruck, die altrosa gestrichenen Wände wirkten dagegen freundlich. Einladende leise Musik, Swing und Couplets der 20er bis 40er. Ja, hier kann man sich wohlfühlen; lediglich das in der Ecke stehende Frühstücks-Equipment erinnerte an die morgendliche Verwendung des Raums.
Bei einem gekühlten, zu spritigen weißen Port für sehr preiswerte 3,5€ vertiefte ich mich in die zwischen zwei orangenen Holzdeckeln gebundene Karte, die ebenso vom Logo des Hauses geziert wird, wie die Weingläser. Die corporate identity ist auch im übrigen Haus konsequent freundlich und für mich gelungen umgesetzt. Es bleibt aber ein Altbau, da knarrt und klemmt es eben (In meinem Fall übrigens die ganze Nacht die schlagende Fahnenleine vor dem Fenster.). Das ist Geschmacksache.
Nach dem angedeuteten Hin und Her stand schließlich die Bestellung:
Crême brulée von der Entenleber und Entenbrust mit Zwetschgen
Wild-Kraftbouillon mit Waldpilzen
Gebackenes Kassler auf Beeten
Welsfilet in Sesam gebraten
Rehrücken mit Quittenkompott
Käseauswahl
Die dafür in Rechnung gestellten 68€ ergeben ein sehr gutes PLV.
Aus der Küche kamen zunächst ein paar Scheiben Stangenbrot mit Körnern. Frisch zwar, aber völlig belanglose (Industrie?)Ware. Das war nach den vielen Fehlanzeigen gleich der nächste Hinweis, dass der Abend nicht zu den glücklichsten gehören würde. Die begleitende Oliven-Gemüse-Tapenade war mild, aber gefällig.
Als weiterer Appetithappen wurde ein Stück Galiamelone mit Serranoschinken serviert. Das war schon eher gelungen, weil beide Teile kräftig schmeckten und harmonierten; der hier eigentlich passende Balsamico verschlechterte das Ganze allerdings wieder durch zu aggressive Säure. Schade, ein Qualitätsproblem. Und die (blasse) Kirschtomate wurde mal wieder als geschmacklich sinnfreie Ergänzung missbraucht (@Peter3: Wenn du mit liest, herzlichen Gruß und: Du hattest ja so Recht!).
Der erste Gang mit Licht und Schatten. Die Entenbrust reichlich, rosa gebraten, nicht zu fett. Ihre Begleiter fein: Angeschmorte Zwetschgen mit deutlicher Note nach Nelke, das unter dem Fleisch versteckte Apfel-Birnen-Chutney brachte schöne säuerliche Frucht mit und Orangensenf angenehme Schärfe. Krasses Gegenteil die überflämmte Leberterrine, die kaum an Ente erinnerte, aber vor allem furchtbar mehlig bis sandig daher kam. Die kalte, harte, zu dicke Zuckerkruste konnte nichts retten, es sei denn die platte Süße sollte alles zudecken.
Fehlte was? Nein! Die Kirschtomate lag im ordentlichen, kleinen Beilagensalat...
Weiter ging's mit einer sehr heißen Wildbouillon, die mich mit dem ersten Löffel durstig machte. Ob es an dem reichlichen Salz lag oder vielleicht doch an einer Verwendung von Geschmacksverstärker? Auch die Pilze rissen nichts, Konsistenz wie Gummi und kein Geschmack. Wie gut, dass neben den Julienne als Einlage wenigstens die Kirschtomaten (!!!) für Wiedersehensfreude sorgten... Über den kulinarischen Sinn der Kombi Wild/Pilze mit Tomate grübelte ich gar nicht mehr, sondern hoffte nur noch, dass die Küche nicht auf diesem desaströsen Niveau verweilen möge, das überdies à la carte mit 12,9€ auch wahnwitzig überteuert gewesen wäre.
Ich nehm's vorweg, der nächste Teller war der Beste des Abends und auch die weiteren Gänge waren dann passabel.
Als Zwischengericht schmeckten mir die gut parierten Kasslerwürfel, die in einem leichten, Tempura ähnlichem Teig knusprig ausgebacken waren. Das war handwerklich gut gemacht und passte mit der Rustikalität gut zu den gehobelten gelben und roten Beten. Mozzarella, Rauke, Frisée und ja sicher, auch hier die unvermeidlichen kleinen roten Racker bildeten ein angenehm säuerliches Potpourri. Nur: Wie gern hätte ich statt Rauke und Tomate mal regionalen Löwenzahn und Sauerampfer... Sehr gut das Kräuter-Meerrettich-Dressing, ein schlau ausgedachter, pikanter Begleiter zum Kassler, wie zum Gemüse.
Nachdem Seeteufel und Flussbarsch ja "aus" waren, schwenkte ich beim Fischgang notgedrungen auf Welsfilet um. Das weiche Fleisch ist mir meist zu fade und bei den Bildern aus vietnamesischen Zuchttümpeln dreht sich mir der Magen um. Aber die Bedienung schwor Eide auf die regionale Herkunft und die Kruste von schwarzem und weißem Sesam sorgte für nussige Aromen. Das Kartoffel-Kohlrabi-Ragout war geschmacklich wahrnehmbar und vom Garpunkt angenehm. Die Chips von Pastinake und roter Bete hatten Crunch und mit etwas Kerbelpesto hielt auch dieser Gang eine positive kulinarische Überraschung bereit.
Erfreulich auch die unangekündigten Erfrischung in Form eines Cassis-Sorbets mit knusprigem Segel. Mit dem angegossenen Prosecco wurde hier das Thema Kir Royal gut umgesetzt.
Der Fleischgang war überzeugend. Rosa gegarter, zarter Rehrücken mit einem Topping von überwiegend Walnüssen und einer leichten Sauce. Dazu als winterliche Beilagen Pastinake, gebutterter Rosenkohl und flowery sprouts, die Gemüse-Senkrechtstarter der letzten Saison. Das Quittenkompott schmeckte mir etwas zu stark nach Nelke, war aber nicht alltäglich. Nur die ansonsten gute Kartoffelnocke hatte beim Ausbacken zu viel Fett gezogen.
Der Chef (?) kam an den Tisch und erläuterte für Mecklenburg regelrecht gesprächig den Teller. Das war sympathisch.
Zum Käse gab's leider nur das Industriebrot vom Anfang. Comté, Reblochon, Munster, Ziegenfrischkäse und Camembert waren nicht weltbewegend, aber mehr, als ich erwartet hatte und recht ansprechend präsentiert.
In den Tiefen der Bar wurde als Begleitung ein Likörwein der Württemberger Genossenschaft Dürrenzimmern gefunden, der mit viel dunkler Frucht und soviel Süße aufwartete, dass ich mit einem zweiten Gläschen den Abend beschloss. Was ich wohl nicht getan hätte, wenn ich den Preis von 10,9€ gewusst hätte. Das ist überzogen und passt so gar nicht in das sonstige Preisgefüge.
Fazit:
Vielleicht war es wirklich nur ein schlechter Tag. Wogegen die teilweise alltägliche Produktqualität spricht. Bei Fisch und Fleisch konnte man ahnen, was der Küche die am Beginn genannten Empfehlungen eingebracht hatte, ohne, dass selbst diese Teller die Erwähnung aktuell erzwungen hätten. Da scheint mir eher das relative Niveau vor Ort bewertet worden zu sein. Bislang konnte man sich im Niederländischen Hof wohl getrost auf den Lorbeeren des "1. Haus am Platze" ausruhen. Aber wehe, es erhebt sich ein Konkurrent mit wirklichem kulinarischen Anspruch! (Bericht folgt...)