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Nun, Orangenbaumblätter wie in der Peter Fox’schen Kantate besungen lagen zwar nicht auf dem Weg zum Fischerwirt im oberbayerischen Schlehdorf, dennoch war die Route vom Walchensee ausgehend ein landschaftlicher Genuss sondergleichen – Bayern hat dem geneigten Auge in dieser Hinsicht einfach unendlich viel zu bieten.
Dazu sollte das Wetter allerdings halbwegs mitspielen, was es während unserer diesjährigen Sommerfrische in Garmisch-Partenkirchen zum Großteil auch tat, nachträglicher Dank gilt dem bayerischen Wettergott, auch dieser Tag sollte zunächst mit Sonnenschein beginnen.
Guten Morgen Garmisch!
Nun waren wir bereits das vierte Jahr in Folge in unserem liebgewonnenen Urlaubsdomizil und immer noch gibt es unzählige lohnenswerte Sehenswürdigkeiten in und um GAP, die wir bislang verpasst haben.
So auch der Walchensee, ein tiefer, klarer Gebirgssee mit türkisblauem Wasser, der aufgrund seiner tückischen Unterwasserströmungen Jahr für Jahr Opfer auch unter gut ausgebildeten Tauchern fordert, wie wir vor Ort erfuhren.
Tückische Unterwasserströmungen tangieren den Schreiber dieser Zeilen eher wenig, denn „flache Steine übers Wasser ditschen“ und „ins Wasser gefallene Stand-Up-Paddler Auslachen“ sind naturgemäß eher wenig lebensbedrohliche, See-nahe Freizeitaktivitäten.
Nach einer blauweiß-karierten Postkarten-Anfahrt von Garmisch über Wallgau an das Westufer des Sees offenbarte sich wieder einmal bayerische Geschäftstüchtigkeit.
Da Parken an der Uferstraße selbst unmöglich ist und sich zudem in der Nähe die Rekonstruktion eines kleinen Wikingerdorfes (eigentlich sind es Überbleibsel des in der Nähe gedrehten „Wiki“ Films von Bully Herbig) befindet, hat der Besitzer des gegenüberliegenden Ackers das bewährte Geschäftsmodell „Parkraum gegen Bezahlung“ für sich entdeckt.
Wikingerdorf
Für pauschale vier Euro durfte man sein Vehikel dort abstellen, meine gespielt empörte Frage an den Kassenhäuschen-Vorsteher, ob da die Übernachtung mit Frühstück schon enthalten sei, stieß wider Erwarten auf viel Humor, ich erntete lautes Lachen und ein anerkennendes „Na, des ned, aber oan Kaffee koanst ham wenns wuist!“.
Am See selber sollte es sich für kurze Zeit etwas bedecken, die Wolkenfelder lösten sich schnell wieder auf und es blieb trocken, Zeit innezuhalten und ein wenig Ruhe, Seeblick und dramatisch scheiternde Standup-Paddler zu genießen.
Blick auf den Walchensee
Da von Ruhe und Seeblick alleine allerdings niemand satt wird meldete sich nach einiger Zeit doch deutlich mein Magen und wir machten uns auf die anfänglich erwähnte, Serpentinen-bewehrte Fahrt nach Schlehdorf, die begleitenden Aussichten von oben auf den See sind derart postkartentauglich dass es fast schon kitschig wirkt.
Das Landgasthaus Fischerwirt am Kochelsee war eine Empfehlung von Obachts Schatzl, der als ADAC Motorrad-Tourguide die gesamte Gegend in- und auswendig kennt, inklusive verlässlicher kulinarischer Adressen versteht sich.
„Verlässliche, gute bayerische Kost auch abseits vom Fisch, ein mit Herzblut betriebenes Traditionslokal, sehr beliebt bei Touristen aber auch den Eingeborenen“ - so das Bild, das sich aufgrund Herrn Obachts Schilderungen vorab vom „Fischerwirt“ zeichnete.
Das Lokal ist bei Motorradfahrern tatsächlich beliebt, bei unserer Ankunft standen diverse Maschinen direkt vor dem Haus und an der Straße, wir parkten entspannt einige Meter weiter an einer Wiese, diesmal sogar eine ohne Kassenhäuschen.
Außenansicht
Es hatte um die 24 Grad an diesem Tag, wir fanden ein schönes Plätzchen auf der Terrasse unter einem der schattenspendenden Brauerei-Sonnenschirme - auf dem Foto im vorderen linken Bereich hinter der Mauer mit dem Fischerwirt-Schriftzug.
Der Service machte von Anfang an einen eingespielten, hochprofessionellen Eindruck, allesamt in Tracht gewandet, flott unterwegs und dabei nicht einen Hauch gestresst wirkend, gut gelaunt und freundlich, man entdeckte uns und eine gepflegte Dame im Dirndl reichte uns nach einer herzlichen Begrüßung die insbesondere im Bereich Dessert recht umfangreichen Karten.
Nach der anstrengenden See-Erkundung verlangte der geschundene Körper aber zunächst nach Flüssigkeit, ein alkoholfreies, führerscheinfreundliches Hefe-Weizen (4,00€) für mich und eine Rhabarberschorle (3,60€) für Madame wurden prompt bestens gekühlt geliefert und hernach unsere Bestellung aufgenommen.
Am Nebentisch waren vier einheimische Jungs um die Zwanzig dabei eine kleine „Jungherren-Runde“ abzuhalten und den vergangenen Abend Revue passieren zu lassen.
Und es zeigte sich etwas, das ich sehr sympathisch an diesem Landstrich finde, gelebte Tradition, gelebte Identifikation mit seiner Heimat und ihrer regionalen Besonderheiten, sei es sprachlich oder kulinarisch.
Die vier sprachen tiefen Dialekt, labten sich mit Freude an Pfannkuchensuppe, Krustenbraten und Co. was mir als Tourist nicht zum ersten Mal das gute Gefühl gab, dass diese Küche nicht nur deshalb angeboten wird, um Klischees zu bedienen, weil die Touristen es seit 1850 so erwarten.
So etwas ist in NRW bis auf entlegene Gegenden des Sauerlandes und nicht minder entlegenen Kölner Veedeln eigentlich undenkbar, Dialekte sind fast verschwunden in der Generation U20 und eine identitätsstiftende „Heimatküche“ ist oft nur noch in Spurenelementen vorhanden, sei es in den Haushalten als auch in der Gastronomie. Hier hat eben die 1978 eröffnete Stammpizzeria oft noch die größte Heimat-Dimension für viele Gäste.
Darüber nachdenkend brachte mich die just in diesem Moment servierte
| Vorspeise |
sehr willkommen aus dem Konzept.
Pfannkuchensuppe – 4,60€
Pfannkuchensuppe
In Bayern werde ich stets zum Hardcore-Suppenkasper. Ich liebe eine gut und mit viel Liebe gemachte bajuwarische Rinderbrühe über alles, leider ist der Aufwand vielen zu hoch und man greift zu Convenience-Hilfsmitteln.
Wenn man aber das Glück hatte, in sehr guten Traditionshäusern das ein oder andere Mal eine formidable „Benchmark-Brühe“ gekostet zu haben, ist man sein Leben lang verdorben, Suppen, die vormals als „naja, nix Besonderes aber ok“ durchgingen werden fortan mit Verachtung und Tütensuppen-Unterstellungen bedacht.
Das fängt schon bei der Optik an, sobald ich den Boden der Terrine sehen kann bin ich stets versucht dem Service mitzuteilen, das ich keinen Kamillentee bestellt habe und man mir doch bitte meine Suppe bringen möge.
Geruch und Aussehen der Fischerwirt Variante stellten mich zufrieden, etwas frischer Schnittlauch brachte etwas Farbe ins Spiel, der Geruch kräftig würzig und appetitanregend.
Ein erster Löffel machte Freude, ausreichend salzig und reichhaltig im Fundament, eine ehrliche Suppe mit einem guten Fond, mustergültig geklärt.
Die Pfannkuchenstreifen fluffig und wohlschmeckend in der idealen Dicke, um sie mit dem Löffel mundgerecht am Rand der Terrine teilen zu können.
Eine gute, wenn auch nicht sehr gute Vertreterin ihrer Art, die Intensität und Brillanz der obig angesprochenen „Benchmark-Exemplare“ erreichte sie nicht, aber im Mittelfeld der zweiten Bundesliga versteht man sich ja schließlich auch aufs Fußballspielen, kein Grund zur Klage also.
| Hauptgerichte |
Zwiebelrostbraten – 19,80€
Weißwürste mit Brezn – 6,60€
Mein medium-rare bestellter Zwiebelrostbraten mit Jus und betont hausgemachten Röstzwiebeln und Butterspätzle wurde mir auf Wunsch mit Pommes Frites serviert, Nudeln als Fleischbeilage mag ich eigentlich fast ausschließlich bei Dingen wie Piccata Milanese oder einer Tagliata mit Spaghetti AOP.
Der Duft des Gerichtes machte nicht minder Appetit wie die Optik, die Zwiebeln sahen fantastisch aus und das Fleisch besaß eine schöne Bräunung – nichts ist schlimmer wie blasse Steaks finde ich.
Zwiebelrostbraten
Dazu reichte man einen mit seinem milden Joghurtdressing und landläufigen Zutaten geschmacklich eher unauffälligen, mit seiner bemerkenswerten Frische aber alles wieder wettmachenden Beilagensalat, der angesichts des nun nicht gerade fettarmen Gerichts auch sehr willkommen war.
Beilagensalat
Ein beherzter Mittelschnitt offenbarte einen optimal getroffenen Garpunkt, zarte Struktur und eine (wie sich herausstellte nicht nur) an dieser Stelle sehnenfreie Beschaffenheit.
Das Fleisch aus regionaler Herkunft wusste zu überzeugen, ich schnitt es in dünne Tranchen, pefferte grob aus der Mühle nach und zog ein Scheibchen nach dem anderen durch den Jus, gabelte noch ein Zwiebelchen mit auf, genoss und musste nicht einen Hauch abschneiden, derart gut pariert war mein Steak.
Den Jus hätte ich mir - ähnlich wie die Suppe – noch etwas kräftiger gewünscht, dennoch war er mit seiner dezenten Kümmelnote ein guter Tunk-Begleiter für Fleisch und die goldgelbe, duftende Sättigungsbeilage.
Zufrieden vor mich hinkauend blickte ich derweil auf Madames gewagte Auswahl, Weißwürstchen nach 12 Uhr in Oberbayern, ein No-Go! Nur gut, dass keine aufgebrachten Einwohner mit Fackeln und Mistgabeln zur Lynch-Justiz übergehen wollten! Diese Rolle übernahm dann prompt Herr Obacht! per WhatsApp als selbsternannter letzter Verfechter authentischer Bayerischer Lebensart. Meine ständige Begleitung liebt Weißwürste und zeigte sich sehr zufrieden mit ihrem kleinen, in der Löwenterrine servierten Imbiss.
Weißwürste
| Dessert |
Apfelstrudel mit Vanillesauce – 5,60€
Apfelstrudel mit Vanillesauce
Die Angebote einer normalen Dessertkarte lassen mich meist recht kalt, ich bin ja eher der Fall für hochreife, gerne affnierte Rohmilch-Leckereien aus Frankreich. Im Alpenraum ist das eine andere Geschichte, ich liebe Kaiserschmarrn und Mehlspeisen im Allgemeinen sehr und die Germknödel auf den Hütten in den Skiurlauben meiner Kindheit bleiben unvergessen.
Die Aussicht auf einen hausgemachten Apfelstrudel mit einer schönen Vanillesauce ließ mich den Füllstand des Magens komplett ignorieren, vorfreudig bestellte ich bei Lederhosen-Ludwig, dem Kollegen von Dirndl-Doris:
„Wohlan, merkwürdig redender Mann mit schrillem Beinkleid, möge er mir feinste Backwaren servieren, gefüllt mit prächtiger Frucht vom Obstbaume an samtiger Soße von bester Vanille!“ „Wos meinens der Herr?“ „Ah bringst mir oan Apfelstrudl bittschön?“ „Freilich, kommt sofort!“
Der Strudel duftete tatsächlich sehr ansprechend, leider entpuppte sich das Dessert dann als das kleine Lowlight des bayerischen Menüs.
Geschmacklich gab es an der zimtig-sattfruchtigen Füllung nicht viel auszusetzen, nicht zu süß, der Apfel mit angenehmer Säure, prima. Alleine die Konsistenz des Teiges war hier der Kritikpunkt, pappig und fest kam dieser daher und nicht luftig und locker, schon beinahe mehr Kuchen als Strudel im Mundgefühl.
Der größte Schwachpunkt jedoch die Sauce. Ich hatte schon visuell meine Bedenken, blass und ohne ein Anzeichen von Vanillemark. Das sollte sich auf der Zunge fortsetzen: blass, flach und nur wenig vanillig, es schmeckte ein wenig wie geschmolzenes Rahm-Eis.
Dennoch glaube ich hier eben genau deshalb nicht an Convenience, fertige Vanillesaucen haben eine penetrante künstliche Vanillenote und wegen der Emulgatoren und Co. auch eine andere Konsistenz als diese hier servierte, trotzdem im Ergebnis enttäuschend.
Spätestens jetzt war meine Konfektionsgröße in ernster Gefahr, leicht verträumt spielte ich mit dem Deko-Minzblättchen und fühlte mich ein wenig wie mein großes Vorbild aus dem Monty Python Universum, the one and only Mr. Creosote:
Mein gefühltes Ich nach dem Essen
Comedy kredenzte kurz vor dem Bezahlen noch ein Berliner Wohnwagenfahrer, nachdem er die Anwesenden mehr als fünf Minuten mit laufendem Motor (und einer laufend aufheulenden Lüftung desselben) direkt vor der Terrasse genervt hat, wollte er hernach besonders dynamisch auf die Hauptstraße abbiegen.
Dumm nur, das ein Hymer Wohnmobil kein Smart ist und dank der Höhe des Fahrzeuges auch alltägliche Verkehrsschilder nach Aufmerksamkeit verlangen.
Der Anblick, wie er mit Sonnenbrille und ultra-coolem „Ich bin der König der Landstraße ihr Zwerge“-Gesichtsausdruck abbog und dabei mit Getöse mit dem Aufbau heftigst an dem Vorfahrt-achten Schild entlangschrammte und es verbog war ein Bild für die Götter.
Anhalten war ihm offensichtlich zu peinlich, eine Berliner Lackierwerkstatt wird sich sicher bald über Arbeit freuen.
Ich bezahlte mit der EC Karte und wurde freundlich gebeten, dies an der Theke zu erledigen, die Reichweite im Biergarten sei problematisch.
Nicht minder freundlich die Verabschiedung, tiefenentspannt trotteten wir zum Vehikel und machten uns auf den Rückweg nach Garmisch.
Fazit
Hier passt einfach vieles und Kritik sehe ich leicht in der persönlichen Einordnung von Suppe und Jus, spürbar allerding im Dessert. Deshalb in Summe immer noch sehr gute vier Sterne für die Küche und damit eine Empfehlung.
Der Service bei 4,5 Sternen, freundlich, präsent, professionell, auch wenn man ihm dabei anmerkt, dass hier viel Tourismus herrscht.
Das Ambiente ok, leider kein Seeblick von der Terrasse wie erhofft, 3,5 Sterne für zünftige, saubere Gemütlichkeit an der Landstraße.
Die Sauberkeit, auch auf den Toiletten, gab keinerlei Anlass zur Beanstandung, 5 Sterne.
Preisleistung sehe ich im Vergleich mit ähnlichen Häusern der Region bei 4 Sternen, und damit als gut an.
Ich würde hier jederzeit wieder einkehren wenn ein Besuch am Walchensee anstehen würde, eine Anfahrt aus München bspw. wäre mir das Lokal aber sicher nicht wert, eben solide obere Wirtshaus-Mittelklasse.