"Nicht nur nordish by nature!"
Geschrieben am 21.04.2018 2018-04-21 | Aktualisiert am 21.04.2018
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5 Städte - 4 Abendessen - 3 Teams
Meine Reisewoche neigte sich überraschend schnell ihrem Ende zu: Da der Termin in Ludwigslust abgesagt wurde (und damit auch das Abendessen im Hotel de Weimar) entpuppte sich mein Besuch im Sternerestaurant über Regensburgs Dächern als Abschiedsvorstellung.
Die hätte ich im historischen Goliathhaus auch im noch höher beheimateten Theater geben können, aber ich stieg doch schon im 5. Stock aus dem kleinen Fahrstuhl. Sogleich wurde ich - heute wieder als lonesome cowboy unterwegs - von einer jungen Dame sympathisch empfangen. Auch der Kontakt am Telefon war schon sehr freundlich gewesen, als ich mich der Reservierungszeit versicherte. Man kann ja mal durcheinander kommen.
Auch zum Tisch wurde ich begleitet, der - und das ist für Einzelgäste höchst selten - der üblichen Phrase „besonders schön“ tatsächlich entsprach. Am Fenster mittig mit bombastischem Blick auf die beleuchteten Türme des hochgotischen Doms.
Noch toller wäre nur ein Tisch auf dem schmalen Balkon gewesen - und auch das nur bei 15 Grad wärmeren Temperaturen. So war ich schon sehr zufrieden.
Erst recht, als ich zum ersten Mal in der diesjährigen Abstinenz-Periode mit einem Prisecco von Jörg Geiger starten konnte.
Die auf Champagner-Temperatur gereichte Cuvée Nr. 11 hat durch einen hohen Apfelanteil und Eichenblätter wenig Süße und eignet sich als herb-frischer Aperitif. 5,5€ standen dafür auf der Rechnung. Die Flasche Wasser zum Essen kostete 6,8€.
Die jungen Menschen im Service - bis auf eine Ausnahme Damen - waren auf natürliche Art freundlich, engagiert und gleichzeitig gelassen und auf der Höhe in puncto Produktwissen und Manieren von Garderobe bis Krümelschiene. Auch Extrawünsche wurden gern aufgenommen (und von der Küche erfüllt). Die Zuordnung der Tische schien nicht in Stein gemeißelt, mindestens drei verschiedene Gesichter lächelten mich an, einmal wohl auch jemand aus der Küche (Vorsorglich, um mal zu schauen, wer da so viele Fragen stellt?). Im Verlauf des Abends blieb auch Zeit für ein Schwätzchen. Dass ich standhaft einer Weinbegleitung entsagte, enttäuschte die nette Dame sehr. Das Bedauern war beidseitig.
Der quadratische Raum atmet strenges skandinavisches Ambiente
Ausschließlich helle Naturtöne in grau, braun und weiß. Die blass-rosa Tulpe auf dem Tisch war schon der kräftigste Farbtupfer. Auch die Tischdecken aus ungebleichtem Leinenstoff, immerhin durch pfiffige Aussparungen der Tischplatte geführt.
Einzige „Extravaganz“ die etwas erhöht liegenden, schön beleuchteten Vierernischen an zwei Seiten des Raums. Insgesamt war es recht schummrig, die Fotos sind nachbearbeitet. Um für die Speisen überhaupt eine hinreichende Beleuchtung zu erhalten, vergriff ich mich beherzt am stylischen Lichtkubus, der eigentlich nur eine geheimnisvolle leuchtende Spalte freigeben sollte. Ansonsten nur noch ein Wasserglas, eine eher kleine Serviette und ein Gäbelchen für das Amuse auf dem Tisch. Die grob bezogenen Sitzschalen der Stühle waren ausreichend bequem. Die Musik auch, zugänglicher Blues, Swing und Smooth Jazz.
Wohl aufgrund des schwedischen Namens des Restaurants, der „Großstadt“ verheißt, Anton Schmaus’ Station in Stockholm und schließlich der Gestaltung der Räumlichkeiten hatte ich mich auf beste einheimische, aber bewusst „einfache“ Produkte ohne raffinierte Kombinationen eingestellt - nordic cuisine eben. Nicht unbedingt meine bevorzugte Küchenrichtung.
Ein Blick ins Menü beruhigte mich schon: Seeteufel, Mangalitza Schwein und Mandarinen dürfte man auf den Karten „brutal-regionaler“ Restaurants kaum finden.
Heimatlich geriet der Auftakt aber schon, als die Küche Variationen von Bete schickte.
Angerichtet auf einer hübschen, aber etwas plumpen halben Ringelbete gab es u.a. einen gekochten roten Quader, eine leicht scharfe Crême und einen Halbmond (natürlich gelb;-)) mit Ponzu und Dukka. Hier war erstmals Schmaus‘ Anspruch zu erkennen, nordische Produkte mit asiatischen Aromen zu kombinieren. Hat auch gut funktioniert. Weiter auf dem Teller ein Muffin mit Merrettich, der mit der Zeit sehr süß wurde. Aus dem Gemüserahmen fiel ein Kalbstartar auf schönem Rote Bete Cracker mit einer ebenfalls pikanten Crême.
Alles gut gemacht.
Ich wählte aus dem Menü
Lachs von Carpier
Königskrabbe
Meeresfrüchte
Seeteufel
Blumenkohl
Mangalitza-Schwein
Diese 6-Gang-Variante schlug mit 125€ zzgl. 7€ Aufpreis zu Buche, Wagyu und Dessert ließ ich aus, leider kein Käse auf der Karte. Auf dem Weg zu den Toiletten kommt man durch die Weinbar, die das Großstadt-Thema in ganz anderer Weise aufnimmt
Beim Gespräch mit dem jungen Barmann blätterte ich sehnsüchtig durch die Weinkarte - und siehe da, hier waren Rohmilchkäse von Affineur Waltmann aus Erlangen begleitend im Angebot. Auch dieser Wunsch wurde erfüllt und mit 16€ berechnet. Insgesamt ein faires PLV.
Ohne weiteres Amuse ging es mit dem ersten Gang los.
Und wie so oft setzte die Küche ein Ausrufezeichen an den Beginn. Klare nordische Optik und Bestandteile.
Der Lachs aus der katalanischen Edel-Räucherei qualitativ vorzüglich, auch wenn ich fettere Schnitte bevorzuge. Mit reichlich Imperialkaviar, cremigem frischem Sauerrahm-Eis und gelungenen Haselnuss-Streuseln ein pures Vergnügen. Heimlicher Star des Tellers jedoch die Lauchterrine.
Perfekt weich, aber ohne den leichtesten Hauch von Matschigkeit, unaufdringlich, aber eindeutig. Ein unterschätztes, oft tot gekochtes Kraut, das hier meisterhaft als Paradebeispiel für „grün“ präsentiert wurde.
Zweiter Teller Königskrabbe in der Begleitung von Zitrusfrüchten in verschiedenen Texturen.
Blutorange, Limette, Orange, Pomelo und bittere Kumquat waren zu erkennen. Zum Einbinden der Säure Buttermilch, für mich überraschend gut. Das Schalentier war in Nussbutter confiert und hatte dadurch eine sehr luftige Konsistenz, wie aufgeblasen. Fremdartig, meinen Geschmack traf das nicht.
Erst jetzt wurde ein warmes, sehr dunkel gebackenes Brot mit leckeren Kräutern der Provence im Teig angeboten. Begleitet wurde es von Pesto, Zwiebel-Feigen-Kompott (Yummie!) und gesalzener Butter.
Mir war allerdings die Kruste beim Backen zu dick geraten, das war dann schon fast Zwieback-Gefühl.
Der folgende Gang kam unscheinbar in einer Schüssel im storstad-Stil daher.
Man könnte ihn wie folgt beschreiben: Unter einem weißen Schaum verschiedene Muscheln in einer Brühe.
Und würde damit um Lichtjahre daneben treffen, dieses grandiose Gericht und sein Geschmackserlebnis wieder zu geben! Die Bekrönung war einerseits ein wahrhaft luftiges Gebilde, gleich einem Badeschaum, fast ein Nichts. Andererseits eine Aromabombe. Auf der Basis derselben Ingredenzien wie auch immer gezaubert (Lang lebe die Molekularküche!), schmeckte das Gebilde wie eingeatmete XO Sauce, mit intensiver Jakobsmuschel, trotzdem fleischig und gut scharf. Dieses kleine Wunderwerk traf auf Miesmuscheln, Herzmuscheln und angeröstete Jakobsmuscheln von wirklich beeindruckender Qualität. Eingebunden wurde beides von Miso voll umami, akzentuiert von reichlich Estragon. Abschnitte von Tagliatelle waren nicht etwa Füllmaterial, sondern gleichberechtigte, zungenschmeichelnde Mitspieler wie auch die punktgenau gegarten Gemüsewürfel. Von nichts war zu wenig, von nichts war zu viel. Ein beeindruckend genau komponiertes Zusammenspiel ungemein nordischer Zutaten mit asiatischen Aromen. Dafür will Anton Schmaus stehen und hier ist es ihm perfekt gelungen. Bravo!
Da ich nach der Chilischärfe etwas Sorge hatte, den folgenden Gängen geschmacklich hinreichend folgen zu können, erbat und erhielt ich einen Papillenberuhiger.
Auch im Folgenden eine in der Anlage ähnliche Komposition, aber völlig anders im Geschmacksgefühl.
Ein - wiederum qualitativ fantastisches - Seeteufel-Medaillon war mit Kokosschaum, Zitronengras und Ingwer noch deutlicher asiatisch begleitet. Thaibasilikum als Öl auf den Schaum getropft.
Durch den kräftigen Einsatz des Ingwers eine wunderbar frische Schärfe auch hier. Ebenfalls pikant angemachter roher Rotkrautsalat und verschiedene Kräuter sorgten für kräftigen Biss. Deutlich zupackender, ebenso komplex, kaum schlechter. Beides 5-Sterne-Gänge, die mich tatsächlich glücklich und ein wenig aufgewühlt zurück ließen. Klingt pathetisch, war aber so.
Der folgende Teller sorgte für Beruhigung, ein Hinübergleiten in heitere Zufriedenheit. Eine mit Blumenkohl aromatisierte Eiweißwolke auf Karfiol-Maronen-Crême wurde mit geraspeltem Perigord-Trüffel serviert, der auch später nichts von seiner intensiven, aber nie penetranten Erdigkeit verlor.
Der Dritte im Bunde erschien nach dem Durchstoßen des luftigen Baisers: Pochiertes Eigelb, das sich malerisch ergoss.
Ein leichter Blumenkohlsud umplätscherte diesen perfekten Babybrei für Feinschmecker.
Wie zuletzt häufiger konnte der ohne Zweifel sehr gute Fleischgang
das bis dato fast perfekte Niveau nicht (völlig) halten.
Das Filet des fetten Schweins erwartungsgemäß zart, saftig und aromatisch, es hätte aber mehr Röstung vertragen können. Die kleine Nocke war aus Gezupftem von den Rippen mit Senf und Apfel zusammen gebaut, aber leider etwas trocken geworden. Für meinen Geschmack hätte mehr Schärfe auch nicht geschadet. Sehr elegant dagegen die tiefe Pflaumen-Calvadossauce als eigentlich erwartbarer, nichts desto trotz genialer Begleiter des entborsteten Viehs. Die Rosenkohl-Varianten fielen ab. Das Mus sehr glatt, auch im Geschmack eindimensional. Die Blätter mit Speck und Zwiebeln passten zwar in ihrer Rustikalität gut zu der darunter versteckten Scheibe krossen Bauchspecks, waren aber zu salzig. Die wenigen Zesten Meerrettich kamen nicht dagegen an. Ein winziger Schönheitsfleck auf der ansonsten weithin makellosen Leistung.
Schließlich die „ergaunerten“ Käse aus der Weinbar.
Fourme d‘Ambert, alter Mimolette, Ziegenfrischkäse mit eingelegten Cranberries und ein halbfester Kuhmilchkäse mit Bergkräutern, von kräftig bis mild, alle perfekt gereift. Dazu saftiges Früchtebrot und ein Quittenchutney mit Aprikose.
Richtig runder Abschluss!
Nach gut drei Stunden brach ich höchst zufrieden auf. Zuvor wurden petits fours angeboten, u.a. ein Schokoküchlein mit Zitronenkern und Haselnuss. Nach diesem fulminanten Menü fiel mir der Verzicht leicht.
Fazit: Sterneküche mit eigenem Profil ganz ohne Gel-Kleckse. Auf keinen Fall verpassen!