Burges des Monats August
Karamellisierte Ananas
hausgemachte Koriander Mayo
frische Limette
rote Zwiebeln
Salat
Weizenbun
"„Nik scharf, nik gut? Von wegen!“ – Neuer Thai in der Neckarstadt-West, der trotz kleiner Auswahl, einen hohen Teilfaktor garantierte und unseren Geschmackshorizont erweiterte"
Geschrieben am 03.08.2019 2019-08-03
In den Räumlichkeiten des ehemaligen Flora, einer gutbürgerlichen Beiz, die ihr Gaststättendasein vor dem Einzug des SOI 39 noch einige Zeit als Ristorante fristete, ist seit einem halben Jahr die Thailänderin Visnee Lips mit ihrem Team beheimatet. Im gleichen Anwesen residiert übrigens auch seit vielen Jahren der Gesangverein Flora 1872 e.V. Mannheim. Sicherlich kein Zufall, dass deren Chorprobe an einem Ruhetag stattfindet. Dass in seinem „Vereinsheim“ nun thailändisches Street Food kredenzt wird, ist mindestens genauso verwunderlich wie sein eigenwilliger Name oder der enorme Aufwand, der betrieben wurde, um das Lokal komplett umzugestalten.
Vergleicht man alte Aufnahmen (sind noch auf TA einsehbar) des Gastraumes mit dem neu konzipierten Interieur des SOI 39, fragt man sich, ob das tatsächlich der gleiche Ort des Geschehens ist. Hinter der altehrwürdigen Sandsteinfassade verbirgt sich nämlich ein unglaublich lässig eingerichtetes Thai-Restaurant, dessen Ambiente sich irgendwo zwischen Retro und Heimatliebe einordnen lässt. Wie geschickt hier alte Elemente der früheren Gastwirtschaft in das neue Design integriert wurden, lässt sich beispielsweise an den zum Großteil erhaltenen Holzvertäfelungen aus alten Gasthaustagen erkennen.
Dort wo sich früher der Ausschanktresen befand, wurde eine offene Küche installiert. Eingerahmt von Holzregalen mit Unmengen von Geschirr, Kochutensilien und anderen Devotionalien asiatischer Provenienz kocht dort die Mutter von Visnee Lips nach alten Familienrezepten. Man sitzt recht unbequem auf sperrigen Holzstühlen, deren Komfort sich auf ein dünnes Polsterkissen beschränkt. Für das absolute Street-Food-Feeling stehen Holzbänke bzw. Hocker aus Plastik zur Verfügung. Selbst die recht unprätentiös wirkenden, blanken Holztische unterscheiden sich von ihrer Machart und ihrem Aussehen. „Bloß kein einheitlicher Stil, bitte!“, verkündet jeder Winkel des mit ganz viel Detailliebe ausstaffierten Gastraums.
Neben der thailändischen Königsfamilie ist es die eigene Geschichte, der mit gerahmten Bildern gehuldigt wird. Quietschbunte Plastikhauben schützen die darunter wartenden Scharfmacher (Soßen zum Nachwürzen) vor insektenartigen Einflüssen. Das Besteck befindet sich zusammen mit ein paar Servietten in einer Blechdose. Ansonsten tut der farblich zur Schutzhaube abgestimmte Serviettenspender (natürlich auch aus Kunststoff) gute Dienste. Ein paar tiefe Teller komplettieren die ansonsten recht schlichte Tischlandschaft.
Man steht auf hellem Fliesenboden, der sich gut von der grünen Wellblechverkleidung des Theken- und Küchenbereichs absetzt. Die aus Holzquadraten bestehende, aufgehängte Zellrasterdecke vermittelt ein Gefühl von Geräumigkeit und wirkt sich positiv auf die Akustik im Raum aus. Daneben baumelt hier so einiges von der Decke. So fallen einem die klobigen Kugelleuchten über dem Ausschanktresen sofort ins Auge.
Weiter hinten, im ehemaligen Raucherzimmer, dessen raumtrennende Holztürkonstruktion man erhalten hat, deutet nur das Schild mit der Aufschrift „Nebenzimmer“ auf seine frühere Bestimmung hin. Heute ist dieser Raum, der mit viel Topfgrün und trendigen Hängeleuchten ausgestattet wurde, Teil des offenen Gesamtkonzepts und wird mit fünf zusätzlichen Tischen genutzt.
„SOI“ ist übrigens der thailändische Name für eine kleine Gasse, die von der Hauptstraße abzweigt. In der namensgebenden „SOI 39“ wohnt übrigens die Tante aus Bangkok, welche von der Familie gerne als Zwischenstopp nach dem langen Flug aufgesucht wird, um dann in ihre Heimatstadt Buri Ram im Nordosten des Landes weiterzureisen. Das erklärt auch die Existenz des einem Straßenschild nachempfundenen Aufstellers mit dem Namen des Lokals, der nur eines von vielen an die thailändische Heimat erinnernden Einrichtungsaccessoires darstellt.
Die Servicedame, die uns an diesem frühen Abend bedient, kommt definitiv aus dem Land des Lächelns. Sie umsorgte uns mit einer Herzlichkeit, wie man sie in den meisten Teutonentempeln leider vermisst. Und auf Zack war sie auch. Das kleine Ringbuch mit den darin gelisteten Speisen und Getränken ließ nicht lange auf sich warten.
Erfreulich schlank präsentierte sich das Speisenprogramm. Hier wurden nicht undefinierbare Fleischfetzen vom Schwein, Huhn oder Rind bzw. TK-Garnelen und Auftau-Pangasius mit etwas Alibi-Gemüse versehen und dann in verschiedenen Curryfarben und Schärfegraden „zurechtgewokt“. Ganz im Gegenteil. Man startete mit einer kleinen Auswahl an Snacks, die allesamt schon mal sehr appetitlich klangen. Kleine Reispfannkuchen mit China-Schnittlauch-Füllung, knusprig frittierter Wasserspinat im Teigmantel und hausgemachte Thai-Würstchen habe ich so noch nicht auf den Speisezetteln der einschlägigen Thaibuden ausmachen können.
Auch die Auswahl an Hauptgerichten war sehr übersichtlich. Die auf heißer Platte servierten Reisnudeln („Pad Thai Mä Jeaw“), die es auf Wunsch auch in der Vegan-Variante gegeben hätte, klangen vielversprechend. Auch die im Feuertopf brodelnde Tom Yam Gung für zwei Personen und der lauwarme Hühnchensalat namens „Laab Gai“ hatten durchaus Bestellpotenzial. Ein Blick auf die Tagesempfehlung machte mir die Entscheidung leichter. Gebratenes Buntbarschfilet mit hausgemachter Süß-Sauer-Sauce, Frühlingszwiebeln und Reis (14,90 Euro) stand auf einer kleinen Schiefertafel neben der Eingangstür. Keine Frage, auf den Fisch fiel mein Votum.
Meine Verlobte entschied sich ganz klassisch für das einzige Currygericht auf der Karte. Ihr Panaeng Curry (11,50 Euro) aus der nordthailändischen Küche wurde mit geschmortem Rindfleisch, Thai-Basilikum, Peperoni- und Bergamotte-Streifen zubereitet. Die Portion Jasmin-Duftreis (2 Euro) musste zusätzlich bestellt werden. Vorweg sollten es ein paar asiatische Gaumenkitzler sein. Mit dem frittierten Wasserspinat „Morning Glory“ (6,50 Euro) und der Thaiwurst „Sai Krok Isan“ (6,90 Euro) wollten wir dem ersten Hunger begegnen.
Als Getränke wurden eine Flasche Mineralwasser „Alwa Classic“ (0,75l für 4,80 Euro), ein hausgemachter thailändischer Eistee (0,4l für 4 Euro) sowie eine Pfütze Riesling vom VDP-Weingut Meßmer aus der Pfalz (0,1l für 3 Euro) geordert. Zu diesem Weingut scheint die Inhaberin Visnee Lips einen guten Draht zu haben, da sie alle ihre Weine von dort bezieht. Das Weingut wird auf der Homepage als Partner genannt und sogar dessen Webseite wurde verlinkt. Da würde es mich nicht wundern, wenn beim nächsten Hoffest in Burrweiler plötzlich Street Food aus Thailand zu den VDP-Kreszenzen serviert wird.
Der auf Schwarzteebasis hergestellte Eistee hatte eine angenehm herbe Säure. Gut, dass man sich mit der Zugabe von Zucker etwas zurückgehalten hatte. Ein frischer Sommerdrink, der da gut gekühlt den Durst linderte. Auch über den trockenen Riesling konnte man nichts sagen. Nur dass mir die 3 Euro für gerade mal 10cl etwas stramm bepreist erschienen.
Die Vorspeisen waren ideal zum Teilen. Auf einem bunten Teller lagen sechs nahezu kugelförmige Thaiwürste. Die leicht säuerlich schmeckende, fermentierte Wurstspezialität aus den nordöstlichen Provinzen Thailands namens Sai Krok Isan war hausgemacht und wurde ganz traditionell zusammen mit Ingwerstückchen, einer Chilischote und rohen Kohlblättern serviert. Futterte man die mit feiner Knoblauchnote versehenen Wurstkugeln zusammen mit den gereichten Beigaben, ergab das ein durchaus stimmiges Geschmacksbild, das zwischen säuerlicher Würze und frischer Schärfe changierte. Da brauchte es auch keinen Dip-Saucen-Boost. Das schmeckte auch so richtig fein.
Der Thai-Wasserspinat mit dem wohlklingenden Namen „Morning Glory“ bestand in erster Linie aus einer knusprig frittierten Tempurahülle, die mit leicht triefender Fettunterstützung dennoch für glänzende Laune sorgte. Nach was genau nun der Thai-Wasserspinat eigentlich geschmeckt hat, kann ich nicht sagen. Die Knusperhülle ließ dies leider nicht zu. Mit der süß-sauren Sauce hat der Frittierspinat aber gut harmoniert. Außerdem war ja „Sharing is caring“ unser Motto, so dass sich der recht hohe Fettanteil des Gerichts auf zwei Personen verteilte.
Meine Vorliebe für panierten Fisch hatte sich scheinbar selbst in der Mannheimer Neckarstadt herumgesprochen. Genau in diesem Zustand wurde mir nämlich das saftige Buntbarschfilet serviert. Wie ein „Phönix aus der Pfanne“ badete dieser in einer wunderbar aromatischen Süß-Sauer-Sauce, die keine Spur nach der sonst üblichen Fertigplörre aus der Glasflasche schmeckte. Chili-, Karotten- und Frühlingslauchschnipsel komplettierten dieses verdammt süffige Fischgericht, das trotz seiner Einfachheit für so viel Gaumenspaß sorgte.
Auch das im Emaille-Topf dargebotene Panaeng Curry meiner Verlobten konnte geschmacklich komplett überzeugen. Sie attestierte der aromatischen Kokossauce eine wohltuende Chili-Schärfe. Ihrem fast schon unverschämt intensiven Duft nach Thaibasilikum konnte selbst ich mich nicht entziehen. Von Koriander und Galangawurzel wurde bei der Herstellung der Curry-Paste anscheinend regen Gebrauch gemacht. Für die leichte Limonenfrische war wohl der Abrieb der Kaffir-Limette verantwortlich.
Das war nicht einfach mal so schnell „dahingewokt“, sondern mit guten Basiszutaten und ohne den Einsatz von Verstärkern aus der Tüte ehrlich zubereitet. Selbst das geschmorte Rindfleisch, das hier gänzlich ohne Weichmacher auskam, hatte noch seinen typischen Geschmack. Hier wurde nichts bis zur Unkenntlichkeit niedergekocht und in einer pampigen Curry-Sauce ertränkt. Ganz im Gegenteil. Mit einem feinen Gespür für die richtige Würze wurde aus simplen Zutaten ein sehr delikater Thai-Klassiker gezaubert.
Bei nahezu jeder Google-Bewertung, die ich über das SOI 39 las, fiel der Begriff „authentisch“, wenn es um die Beschreibung der tailändischen Gerichte ging. Nun, ich war vor einigen Jahren selbst einmal in Thailand. Eine Garküche habe ich dort nie besucht, da mir das Essen auf der Straße weder besonders gemütlich noch hygienisch vertretbar (was wahrscheinlich Quatsch war…) erschien. Deshalb maße ich mir auch nicht an, dies zu beurteilen. Aber eine willkommene Abwechslung zu den üblichen Verdächtigen in Sachen Thaikost stellt dieses Street-Food-Lokal zweifellos dar. Und über den kulinarischen Gewinn, den diese importierten Essgewohnheiten mit sich bringen, kann man ohnehin nur dankbar sein. Mit einem Wort: bereichernd!