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Mein erster Besuch im top-gepflegten Hotel-Ensemble mit angeschlossener Gastronomie im weitläufigen, wunderbaren Park. „Schön, wirklich schön!“ war mein erster Gedanke. Das Innere der teilweise unter Denkmalsschutz stehenden Gebäude kann ebenfalls begeistern, so der historische Eiskeller und die Festsäle. Die Hotelzimmer fallen dagegen ein wenig ab, für das Niveau des Hauses etwas in die Jahre gekommen, eine Renovierung demnächst würde nicht schaden. Auch, dass die Zimmer zur Südseite keine Klimatisierung haben, versprach an diesem warmen August-Tag keine erquickliche Nachtruhe. Immerhin stand über den Flur die Tür zu einem großzügigen Raum auf der schattigen Rückseite offen. Eine kurze Inspektion ergab eine wesentlich erträglichere Temperatur, so dass ich kurzerhand telefonisch bei der Rezeption die Zustimmung zu meiner Zimmer-Eroberung einholte. Morgens wurde ich von Vogelzwitschern geweckt. Schön, eben.
Der hohe Speiseraum zeigt sein schönes Holzgebälk
war aber nicht eingedeckt. Ebensowenig die Süd-Veranda. Stattdessen ging es in den Wintergarten, der mit einer schnöden Metallkonstruktion an die seitliche Außenseite des Gebäudes angebaut worden ist. Die Kombi aus rötlichen Verblender-Außenmauern, polierten Steinfußboden, Rattanstühlen mit dicken Sitzpolstern und den klassisch eingedeckten Tischen fand ich etwas unharmonisch
Unentschieden zwischen Fine-Dining und Außengastronomie. Aber das ist ganz Geschmackssache, gepflegte Atmosphäre auf jeden Fall mit ausreichenden Sitzabständen. Nur sehr laut und hallend. Im Übrigen entschädigt wieder der Blick, hier u.a. auf eine hohe Pergola und weitere, sattgrüne Rasenflächen
Dass hier gleich zweimal in einer Dekade ein „Jahrhundert-Hochwasser“ einen halben Meter hoch stand, ist nur durch die Verankerungen für die neue Schutzwand zu erahnen. Als später noch eine gute Freundin aus dem nahen Biederitz erschien, knabberten wir die Käseplatte auf der sich anschließenden Außenterrasse.
Der Service hatte sich gegen Gartenlokal und für „Erstes Haus am Platze“ entschieden. Mehrere erfahrene und professionell servierende Herren agierten steif und unpersönlich. Herzlichkeit Fehlanzeige. Angetan mit Oberhemd, Langbinder, Weste und Schürze. Alles in allem so, wie das früher (vielleicht!) erwartet wurde, wenn zum runden Geburtstag die Patriarchin den Familien-Clan „ausführte“. Heute will das doch niemand mehr; ich jedenfalls nicht. Die Restaurant-Leiterin war denn auch zugewandter.
Bei leicht sphärischen Klängen stöberte ich durch die Karte. Menüs wurden nur tischweise und ab 2 Personen angeboten. Ging aber trotzdem auch für einzelne Herren, trotz ordentlicher Belegung des vom Guide Michelin empfohlenen Restaurants.
Der übliche weiße Port von Rozes (6,4€) war leider nicht gekühlt, erster kleiner Minuspunkt.
Meine Wahl:
- Carpaccio vom geräucherten Thun, Basilikum-Olivenöl und geröstete Pinienkerne
- Essenz von der Tomate mit Orecchiette
- Medaillons vom Seeteufel mit Safransauce, Ratatouille und Tagliatelle
- Onglet mit Dornfelder-Sauce, mediterranes Gemüse und Thymian-Kartoffelgratin
- Französische und italienische Rohmilchkäse
Immerhin keine Speisekarten-Rätsel, man hat eine Vorstellung, was einen erwartet. Es wurden 82€ berechnet.
Die Weinkarte ist eher übersichtlich, enthielt aber auch einige halbe Flaschen, wie fein. Weniger, dass der angebotene Sauvignon nicht mehr verfügbar war. Statt von Gerard Millet wurde ein sehr geradliniger Sancerre von Bernard Reverdy eingeschenkt. Mit 39€ für 0,375l kein Schnäppchen.
Der kulinarische Abend begann mit heißem, knusprigem Kartoffel-Mais-Brot
mal eine schöne Abwechslung und nicht zu trocken. Dazu gab es einen sehr Dill-lastigen Kräuterquark und gesalzene Butter, leider sehr hart. Beide unter Mini-Cloches serviert.
Die Küche grüßte dann farbenfreudig:
Räucherlachs-Frischkäse-Tatar, Apfelchutney und Rote-Bete-Hummus, schließlich noch einen Kartoffelchip.
Letzterer stand zu lange in den feuchten Bestandteilen und war fast durchgängig pappig. Das passiert nicht nur in Der Saison, ändert aber nichts. Ansonsten war die Kreation gut überlegt und auch gut gemacht. Milchprodukt milderte die Salzigkeit des Räucherfischs, der Apfel gibt Süße, Säure und etwas Biss und im sehr cremigen Hummus war die Erdigkeit der Rübe noch klar auszumachen. Ein sanfter, harmonischer Einstieg; vielleicht war der fehlenden Crunch der Kartoffelscheibe ja gewollt...
Der aufgeschnittene geräucherte Thunfisch
war erstaunlich saftig und verfügte über ein angenehmes Raucharoma. Von angekündigten Basilikum war im Öl eher wenig zu bemerken, allerdings gab es auch nur eine sparsame Menge. Der Wildkräutersalat mit Pinienkernen war ok, wenngleich ich Rauke nicht für sonderlich wild halte.
Weiter ging es mit der Suppe.
Die klare Essenz kam sehr heiß an den Tisch und hatte erst im Abgang eine Ahnung von Tomate. Ansonsten eine (sehr) salzige Brühe. Die selbst gemachten „Öhrchen“-Nudeln hatten eine leichten Teig, waren aber geschmacklich wie farblich brutal langweilig. Aromatisierung, z.B. mit getrockneter Tomate oder noch besser Basilikum hätte da sicher eine Verbesserung bedeutet. Kein Grund den Teller „schön leer zu essen“, außer man hat Hunger oder friert. Nun, es sollten ja noch ein paar Gänge folgen und sonderlich kalt war mir im August auch nicht. Ich bestellte daher noch eine geeiste Gurkensuppe mit Balsamico-Perlen, was gleich vernünftig gewesen wäre, mein Fehler. Die Konsistenz war recht dicklich
doch viele Kräuter ergaben mit der Gurke erfreuliche Geschmacksnuancen. Den Essig suchte ich zunächst vergebens. Die Zugabe war in der Küche vergessen worden und auch dem Service war das nicht aufgefallen. Schade. Die erst auf Nachfrage nachgelieferten Perlen
setzten dann mit ihrer zurückhaltenden Säure schöne Akzente.
Der Fischgang wartete mit einer Überraschung auf, denn die zwei recht kleinen Seeteufel-Medaillons waren auf Zitronengras-Stängel gespießt worden.
Sie hatten Röstaromen und waren nicht tot gebraten, sondern noch recht saftig. Auch in Ordnung.
Die Gemüse der Ratatouille waren sehr klein geschnitten und hatten kaum bemerkbaren Eigengeschmack, es dominierten Zwiebeln und zu viel salzige schwarze Olive.
Die Tagliatelle schließlich kamen ordentlich gegart und hatten ein sattes Gelb vom Safran. Mehr davon aber auch nicht.
Vor dem Fleischgang eine cremige Erfrischung in Form von zwei Kugeln Sorbet mit frischer Minze
Während der Sanddorn unerwartet mild blieb, gefiel mir bei der anderen eine leichte fruchtige Bitterkeit. Könnte roter Genever gewesen sein.
Das aufgeschnitten präsentierte Onglet war sehr gut
Zart und strukturiert, kräftige Röstnote. Die reduzierte Jus litt - nicht als erstes Produkt des Abends - unter ihrer kräftigen Salzigkeit.
Und auch bei diesem Gang fielen die Beilagen ab.
Das Gratin war zwar exakt gegart
aber seinerseits zu wenig gewürzt. Insbesondere gegen die Sauce war dann von der leichten Thymian-Note nichts mehr zu schmecken. Das mediterrane Gemüse unterschied sich zwar in der Zusammensetzung leicht von der Ratatouille zuvor. Geschmacklich nichts sagend blieb es. Schade, das Fleisch hätte ausdrucksstärkerer Mitspieler verdient gehabt.
Mit dem Tawny Port auch von Rozes (10,8€) kam zum Abschluss ein Käsegang, der solide und ohne Ausfälle war
Hübsch angerichtet. Nussbrot hat geschmeckt. Nicht falsch, aber arg konventionell die Begleitung durch Weintrauben, Walnüsse, Grissini und fürs Auge Erdbeeren.
Das kann auch das Fazit sein.
Die Saison liefert ein ordentliches Programm ohne Höhepunkte, vermutlich für ein Publikum, das Überraschungen eher weniger schätzt. Gute Produkte stehen neben vernachlässigten Beilagen, auch das ein Evergreen der gehobenen Hotel-Gastronomie. (Weshalb die Ausnahmen umso lobenswerter sind!) Die Leistung rechtfertigt die Preise nicht.
Wer hier einkehrt, macht zwar nichts falsch. Die Alternativen Hadrys und Selma&Rudolph sind aber kulinarisch eine Klasse besser und erst recht preislich angemessener.