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Man merkt schon: Ich fühle mich hier wohl und genieße die Zeit. So auch bei diesem Besuch.
Man hatte mir schon einen Tisch im hinteren, etwas abgeschotteten Bereich gedeckt, an dem ich meine Ruhe für Fotos und ausgiebige Notizen hatte. Am fast wörtlichen Ende der Nahrungskette konnte ich zudem Beleuchtung und Frischluftzufuhr nach eigenem Gusto regeln, ohne Stress mit anderen Gästen zu riskieren. Ich war also voller Vorfreude; hatte ich doch einige „mollige“ Angebote in der kleinen Karte auf dem Klemmbrett entdeckt.
Leicht zu verschmerzen war so der empfohlene, aber deutlich zu süße Haus-Aperitif, den ich nach einem Schluck gegen einen Moscow Mule tauschte. Den hätte ich zwar gern pikant-würzig mit Ginger-Root-Beer statt süßem Ginger-Ale gehabt, aber freundlicherweise wurde auch nur ein Cocktail abgerechnet (7,5€). Die Flasche Wasser liegt bei 6,1€.
Zur Einstimmung kam ein reichlich bemessenes Brot-Trio auf den Tisch: Ciabatta, selbst gebackenes Focaccia, das mir am Besten gefiel und etwas Kräftiges in Kurkuma-Gelb mit Schinken. Der Sahne-Joghurt im Zaziki hätte auch AndiHa gefallen und darum war auch Gurke gar nicht schlimm. Das weitgehende Fehlen von Knoblauch schon eher. Dafür schmeckte das Olivenöl nicht weichgespült, sondern hatte knackige Bitternoten. Mit frischem Brot und etwas Salz nicht das Schlechteste.
Inzwischen hatte ich das aktuelle Weinangebot gesichtet und, wenn man dem Netz Glauben schenken darf, zackig vor einer der höchsten Lagen Italiens kapituliert: Feldmarschall von Fenner liegt auf über 1000 Meter und bringt einen ungewöhnlich mineralischen Müller-Thurgau mit deutlicher Muskatnote hervor, der perfekt zu meinem asiatisch angehauchten Einsteiger passen sollte. Ein bemerkenswerter Wein, der mich begeisterte und nichts mit dem blumigen Allerweltsschoppen zu tun hat, den mein lieber Vater in den 70ern, sorry, wegsoff. Außerdem fielen die aufgerufenen 58€ eindeutig in die Kategorie „Schnäppchen“. Leider die letzte Flasche, sonst hätte ich auch den zweiten Marschall zu Fall gebracht...
Auf dem Teller wurde der kühle Glasnudelsalat eindeutig von dem à la minute gebratenen Kalbsrücken dominiert, der in dicke Scheiben tranchiert und leicht warm noch gerade einen Hauch Rosa zeigte. Mir war es einen Tick zu weit, aber das ist klar Geschmacksache. Zweites Schwergewicht waren die Fruchtaromen von Mango, Ananas und Granatapfel, gegen die sich Koriander und Chili erst am Ende bemerkbar machen konnten. Sesam-Öl und schwarze Samen dienten als recht kräftige Verbinder, Zucchini-Spaghetti als Topping brachten noch etwas Textur ins Spiel bei einem Teller, der „alles“ bot: Frische, Knackigkeit, fruchtige Säure, ein „Maul voll Fleisch“ und am Ende schöne Schärfe. Ein Musterbeispiel für die Culinaria-Küche!
In einem Tumbler wurde nun weiße Tomatensuppe serviert, die leicht mit Sahne gebunden war und trotzdem durch kräftige Würzung, u.a. mit Piment d‘Espelette auffiel, während vom Ausgangsprodukt noch eine leichte Säure kündete. Das musste auch Wumms haben, um gegen die scharf angebratene Lammhack-Praline und einen etwas dick geratenen, aber noch knusprigen Parmesan-Chip mit kräftiger Kräuternote von Öl und einem kleinen Bouquet anzukommen. Auch der Feldmarschall im Glas musste etwas kämpfen, unterlag aber nicht! Passte alles, aber für einen zweiten Gang insgesamt doch sehr intensiv.
Demgemäß schaltete die Küche mit dem Zwischengericht etwas zurück. Allerdings auch nur einen Gang, denn die angebratenen Salsiccia-Scheiben zu den perfekt al dente gekochten Tagliaroni hatten durchaus Charakter. Mussten sie auch, denn durch den Stracciatella di bufala kam eine dämpfende Milchsäure-Note ins Spiel. Geschmolzene Kirschtomaten passen zu diesem Pastagericht ebenso perfekt wie etwas Grana Pardano und ein paar Tropfen Kräuteröl.
Beruhigung für den Gaumen in bekannten Gefilden, aber zum Sattessen schmackig und gut.
Hat da jemand schmackig geschrieben? Na, dann mal ran an die süße Paprika-Crème, die mit Chili-Öl das Surf‘n‘Turf von nicht zu scharfer Chorizo und einem gleichzeitig knusprigen wie fleischig-zarten Oktopus-Tentakel begleitete. Unfassbar gut! Dazu ordentliche Fondant-Kartoffeln, um die ganze Süffigkeit auch gesittet vom Teller zu wischen... Borgfelder Soulfood!
Jetzt aber ran an die 80er-Jahre-Erfrischung. Stäbchen kamen nicht, aber eine cremige Kugel Kürbis-Eis aus dem Pacojet. Im Geschmack nicht zu süß, das war schon mal gut. Eindeutig den Halloween-Erleuchter präsentierend, wenn auch etwas sehr „naked“. Ein wenig Öl oder Bruch von Kernen hätte nicht geschadet.
Beim Fleischgang musste auch der Spitzenmilitär kapitulieren. Bzw. hätte er müssen, wenn die Flasche nicht schon vor dem Kraken-Arm geleert gewesen wäre.
An schweren Roten herrscht hier kein Mangel, selbst Super-Toscaner sind vergleichsweise günstig im Angebot. Nichts für meiner Eltern einzigen Sohn. Aber ein Primitivo Es von Gianfranco Fino ist unter den Rebensäften aus der Manduria schon eine Ansage und auch hier waren 10 Euro für die großzügig nachgeschenkten 0,1l mehr als kundenfreundlich kalkuliert.
War da noch was? Klar, ein Lammrücken, der außen eine schöne Bräunung und innen rosa Fleisch zeigte, aber doch zarter hätte sein dürfen, zumindest für meine Beißerchen. Vielleicht setzte aber auch schon etwas Erschöpfung ein, so ein Menü verlangt den ganzen Schlemmer, besonders bei den hiesigen Portionen. (Tatsächlich wird im Culinaria in der Regel kein Menü angeboten; man wählt à la carte. Mein inständiges Bitten nach kleineren Portionen wird stets großzügig übergangen.)
Die Begleiter verschoben das Lamm in den Orient: Kichererbsen-Ragout mit Biss und daher nicht so mehlig; es war auch deutlich mit Koriandergrün und Minze gearbeitet worden. Schon sehr gut, aber die gebackene Mini-Aubergine war noch deutlich besser: saftig, weich aber nicht matschig und die Schale mal nicht hart, sondern knusprig und mit Röstnoten! Dazu ein quietschgrüner, toller Minzjoghurt und auch der sehr intensive Tomaten-Crumble gefiel mir ausnehmend gut. Hier stahlen die Nebendarsteller dem Fleisch tatsächlich etwas die Schau!
Mein kleines Abendessen endete mit einem Käsegang, der im Culinaria seit jeher unter den Vorspeisen zu finden ist.
Cremiger Ziegenkäse auf zwei heißen Crossini, die ihrem Namen Ehre machten, gekrönt von Roter Bete und eingelegtem Kürbis, versprach ein rustikales Vergnügen. War es auch, nur die marinierte Bete war recht weich und geschmacklich nicht „erdig“ genug. Dem Kürbis-Chutney fehlte etwas Säure. So blieb, nachdem sich der Brot-Crunch aufgelöst hatte, ein etwas zu einheitliches, natürlich angenehm-süßliches Mundgefühl zurück, weder salzig, noch säuerlich, erst recht nicht pikant. Hat geschmeckt und wäre vielleicht als Einstieg in den Abend tatsächlich besser gewesen, als nach den schon genossenen Krachern. Aber für meine Bestellung „gegen den Strom“ kann die Küche ja nichts.
Im Finale dieses äußerst angenehmen Abends gab es aber doch noch etwas Süßes, natürlich nur im Glas. Aber der marzipanige Adsum von Pecorari aus Sauvignon Blanc und Traminer war dann selbst mir zu viel. Schnell perlte ein spritziger Bracchetto d‘Aqui dunkelfruchtig im Glas und entließ mich als Abschiedsgeschenk des Hauses beschwingt in die Nacht. Wozu nicht nur die sympathische Crew und die beste Küchenleistung des Culinaria beigetragen hatten, sondern auch der Preis von gerade mal 79€ für sechs Gänge plus Brot und Erfrischung.
Etwas wehmütig verfolge ich derzeit die take-away-Offerten des Culinaria im Netz, die meist schnell wieder als ausverkauft gekennzeichnet werden. Absolut verständlich.