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Das gastronomische Angebot beschränkt sich dort eher auf Dönerbuden und Pizza-Take-Aways, so jedenfalls mein Eindruck, als wir von unserer Bleibe in Richtung Bahnhof unterwegs waren. Bahnhof deshalb, weil wir uns am ersten Abend auf den Weg nach Saarbrücken machten. Dort hatten wir bereits einen Tisch für Zwei im Restaurant Indochine in der Klausenerstraße reserviert.
Die 5 mal 5 Sterne vom „Saarbabo“ mit der Kennziffer 47533 am Ende waren Anreiz genug, dem Asia-Schuppen unsere Aufwartung zu machen. Zumal wir ein ganz besonderes Verhältnis zu „Indochine“ haben – ist es doch auch der Name unserer französischen Lieblingsband.
Danke an dieser Stelle an den guten Simba, der mir noch weitere kulinarische Alternativen in seinem Gastro-Revier nannte und mir das Lokal als besonders gute Adresse für vietnamesische Küche empfahl. In diesem Punkt gebe ich ihm auch nach dem Besuch uneingeschränkt Recht, denn alles was wir auf unseren Tellern landete, war und schmeckte sehr fein. Nur bis es eben soweit war…
Wir erledigten die kurze Strecke vom Saarbrücker Hauptbahnhof in die Klausenerstraße in knapp 10 Minuten zu Fuß. Dort angekommen, wurden wir von der Servicechefin, Frau Nguyen, freundlich in Empfang genommen. Wir wählten einen der Tische im Inneren, da draußen auf der Terrasse viel los war und uns die angenehme Ruhe des Gastraums mehr zusagte. Auch waren wir zu diesem Zeitpunkt die einzigen Gäste, die nicht unter freiem Himmel zu speisen gedachten. Im Laufe des Abends kamen allerdings noch ein paar „Drinnen-Esser“ hinzu.
Ehrlich gesagt, von außen betrachtet würde man die gediegene Atmosphäre in Inneren nicht unbedingt vermuten. Das von reichlich grüner Hecke eingefasste Anwesen mit der gezackten Fassade wirkte auf den ersten Blick recht spartanisch.
Außenansicht
Das, was man durch die nahezu durchgängige Fensterfront erkennen konnte, vermittelte jedoch einen durchaus einladenden Eindruck und der sollte sich drinnen auch bestätigen. Wir nahmen direkt vor einem der hohen Fenster Platz und ließen das Interieur auf uns wirken.
Gastraum-Impression 1
Das seit 2013 von der Familie Nguyen betriebene Restaurant – vorher residierte hier der Saarbrücker Nobelitaliener „Roma“ – zeichnete sich durch eine zwar etwas in die Jahre gekommene, aber dennoch geschmackvolle Einrichtung aus. Dunkles Holz wechselte sich bei den Stühlen (und Wandbänken) mit hellen, bequemen Polstern stimmig ab. Mit weißem Leinen auf schwarzlackierten Bistrotischen setzte sich dieser „Yin-und-Yang-Stil“ auch beim Mobiliar angemessen fort. Kleine, in der Decke verbaute Spots und drei prächtige Kronleuchter sorgten für eine aparte Beleuchtung, die wir als atmosphärisch wahrnahmen. Nur der etwas derb wirkende, dunkle Fliesenboden wollte sich nicht so recht ins gepflegt wirkende Gesamtbild einfügen.
Gastraum-Impression 2
Auch übertrieb man es nicht mit fernöstlichen Devotionalien. Die schon von Simba erwähnten Schwarzweiß-Fotografien aus der Zeit der französischen Kolonisation hafteten noch immer an der Wand.
Kultiviertes Ambiente
Auf Hochglanz polierte Wein- und Wassergläser, hochwertiges Besteck und gefaltete Stoffservietten mit aufgesticktem Logo machten uns schnell klar, dass wir hier nicht bei einem x-beliebigen Panasiaten gelandet waren.
Madame Nguyen wurde an diesem Abend von einer jungen, kaum Deutsch sprechenden Servicekraft unterstützt. Die junge Dame agierte noch sehr unsicher. Ihr fehlte es schlichtweg an Erfahrung und Aufmerksamkeit, so dass bereits geleerte Flaschen für den Rest des Abends auf unserem Tisch verweilten. Uns störte das nicht, aber bei Gästen mit höherer Serviceambition kann so etwas auch zu Unmut führen.
Herr Hoa Nguyen musste an diesem Abend seine Küche angeblich alleine „schmeißen“. Vielleicht sind ihm die Beiköche ausgefallen oder die Aushilfen waren alle krank. Jedenfalls hatte der zu den besten Küchenmeistern der Region – so stand es in einem der regionalen Gastro-Institutionen gewidmeten, hübsch bebilderten Buch, das stolz aufgeschlagen direkt am Eingang auslag – zählende Vietnamese einen massiven Personalmangel zu verzeichnen, wie uns seine Frau später am Tisch mitteilte.
Dass sich dies zeitlich jedoch so in die Länge ziehen würde, hätte uns die gute Dame gleich zu Beginn mitteilen können. So warteten zwei ausgehungerte Gäste aus der Pfalz zunächst einmal auf die Speisekarten und dann wiederum auf eine Gelegenheit, ihre kulinarischen Wünsche an Frau Nguyen bzw. ihre Aushilfe zu bringen.
Positiv formuliert: man ließ uns sehr viel Zeit, die Speisebüchlein ausgiebig zu studieren. Auf die Wochenkarte hatten es lediglich zwei Gerichte geschafft. Bilder bei Tripadvisor wiesen darauf hin, dass diese scheinbar schon eine ganze Weile als Zusatzgerichte empfohlen wurden. Thunfisch-Tatar à la Indochine mit Mango und Avocado (18,90 Euro) und ein gebackener Steinbutt für zwei Personen (85 Euro) kündeten von feiner Produktküche.
Daneben wurde ein siebengängiges „Deluxe-Menü“ angeboten (125 Euro). Dieses konnte jedoch auch in reduziertem Umfang geordert werden. Gleich vorweg: hätten wir uns für dieses entschieden, wären wir sicherlich erst am Folgetag aus dem Lokal gekommen und hätten mit dem Taxi zurück nach Völklingen fahren müssen, da zu solch später Uhrzeit dann doch keine Züge mehr verkehren.
Eine Seite weiter lachte uns die gemischte Vorspeisenplatte (25,90 Euro) für zwei Personen an. Darauf befanden sich allerlei Leckereien aus dem Meer, wie beispielsweise Tempura-Garnelen oder mit Weißpuder vom Klebreis verfeinertes Thunfisch-Sashimi. Aufgespießte, in Betelblätter gerollte Froschschenkel und Papaya-Pulpo-Salat klangen auch nicht gerade alltäglich. Unser Vorweggericht war damit beschlossene Sache. Und das obwohl Fischcremesuppe, Reispapierrollen (Nems) und eine mit Scheiben vom Charolais-Rind verfeinerte Pho als warme Starter gelistet waren.
Auch bei den Hauptspeisen war die Auswahl recht übersichtlich. Für Vegetarier gab es Reisbandnudeln mit Tofu und Wokgemüse. Fischfans durften sich an einer angeblich „sehr scharfen“ Edelfischpfanne, karamellisierten Seeteufel-Medaillons und Riesengarnelen im Tontopf sowie auf der Haut gebratenem Wolfsbarschfilet „Lyonais Style“ (natürlich ohne Fleischwurst!) erfreuen.
Auf den gemeinen Fleischverputzer warteten französisch inspirierte Kreuzüberkreationen. Barbarie-Entenbrust, Medaillons vom Angus Rind mit gebackenem Kalbsbries und Gewürfeltes aus der Hirschoberschale durchbrachen nachvollziehbar die 30-Euro-Marke bei den Hauptgerichten. Mit vier Desserts (Crème brulée, Profiteroles, Ingwer-Parfait und gebackener Eiscreme) endete die kulinarische One-Man-Show des Hoa Nguyen an diesem Abend.
Für meine Frau sollte es das vegetarische Reisbandnudelgericht (17,90 Euro) sein, während ich mich über die scharfe Edelfischpfanne mit Filetstreifen, Scampi und Jakobsmuscheln (28,90 Euro) hermachen wollte. Die etwas gehobeneren Preise weckten natürlich auch gewisse Erwartungen. Wir waren gespannt, was uns der gute Herr Nguyen auf die Teller zaubern würde.
Die Preise für die Getränke ließen sich ebenfalls im leicht angehobenen, städtisch beeinflussten Normbereich verorten. Die 7 Euro pro Flasche Mineralwasser der Marke GMQ – abgekürzt für Gräfin Mariannen Quelle – waren schon stramm kalkuliert. Die 6,20 Euro für den banalen Elsass-Riesling fast schon eine Unverschämtheit, wenn man bedenkt, was für Weißweine in der Heimat fürs gleiche Geld (oder weniger) eingeschenkt werden. Egal, Deckungsbeiträge müssen sein, sonst überlebt keiner in der Gastronomie!
Wir hatten genug Zeit die Abläufe beim Service genauer zu verfolgen und es fiel uns auf, dass nur sehr sporadisch einzelne Gerichte die Küche verließen, um dann ich Richtung Außenterrasse getragen zu werden. Wir hatten keine Ahnung, wie viele Leute da draußen saßen, aber so wie es aussah, würden sich unsere knurrenden Mägen noch eine Weile gedulden müssen, bevor Handfestes Linderung versprach.
Zum Händewaschen verschlug es mich ins Souterrain, wo mich ein ebenfalls etwas antiquiert wirkender Nassraum empfing. Dem nicht genug, begrüßte mich der Sanitärbereich mit dem zeitgleichen Einsetzen dreier Pissoirspülungen. Solch einen rauschenden Willkommensgruß hätte ich gar nicht erwartet. Nun, wenigstens die Toiletten funktionierten hier auf Anhieb.
Ein Stockwerk höher tat sich nach wie vor nicht viel. Seit unserer Ankunft war eine gute Stunde vergangen und so langsam wurde es draußen dunkel. Schön, dass man uns zu dieser Zeit mit einem kleinen Amuse die weitere Wartezeit etwas verkürzte. Eine halbe Reispapierfrühlingsrolle – die Vietnamesen nennen sie „Nem“ – lag kross frittiert auf einem Kaffeeunterteller und war bedeutend schneller verputzt als serviert. Warum die Küche dafür allerdings eine geschlagene Stunde Zeit brauchte, ist mir bis heute ein Rätsel.
Das (späte) Amuse
Doch dann wurde der kulinarischen Skrupellosigkeit Tür und Tor geöffnet. Die junge Bedienung hatte uns fälschlicherweise einen kleinen Teller mit geröstetem Weißbrot und einer Sauce Rouille an den Tisch gebracht. Natürlich hatte ich vorher (mit einem Ohr) die Bestellung der Fischcrèmesuppe am Nachbartisch mitbekommen. Hungrige Gäste können so erbarmungslos sein! Denn ich ließ die junge Dame gewähren.
Noch ehe der Nachbartisch seine fehlende Bouillabaisse-Beilage bemerkt hatte, tunkte ich bereits – trotz mehrfacher Ermahnung meiner Frau – die krossen Brotscheiben in die Rouille und erfreute mich ganz ungeniert an der unverhofften Zwischenmahlzeit. Ganz ehrlich, ohne sie hätte ich die nächste halbe Stunde bis zur Vorspeise kaum überlebt. Merke: In der Not tunkt nicht nur der Teufel gern sein Brot…
Die Gäste ohne Rouille bekamen selbstverständlich bald Ersatz. Und natürlich bedauerte ich das schamlose Ausnutzen dieses „Bedienungsfehlers“ im Nachhinein. Aber wenn es um die blanke Sättigung geht, steht die Aufklärung kleinerer Service-Patzer eben nicht an allererster Stelle. Zumindest nicht nach so langem Warten auf feste Nahrung.
Etwa eineinhalb Stunden nach dem Bestellvorgang wurde uns endlich die gemischte Vorspeisenplatte serviert.
Im Vordergrund die Froschschenkel in Betelblätter gehüllt
Was sehr lange währte, wurde zugegebenermaßen auch sehr gut! In der Mitte des Porzellans markierte der zylinderförmig aufgetürmte Papaya-Pulpo-Salat den zentralen Blickfang.
Vorspeisenplatte für zwei (Ausgehungerte)
Scampi und Cocktailtomate grüßten vom Obergeschoss des delikaten Asia-Towers. Das Thunfisch-Sashimi ähnelte zwar aufgrund seiner Klebreis-Panade kleinen Backfischfilets kurz vor dem Bad in der Fritteuse, schmeckte aber deutlich besser.
Roher Thunfisch in Weißpuder vom Klebereis paniert
Hübscher anzusehen war der rohmarinierte Lachs, der zu einer Blume gerollt worden war und in einer 1-A-Qualität auf die Platte kam.
Marinierter Lachs mit Sesam
Zwei saftige, kurz vor dem Brutzeln durch Tempurateig gezogene Garnelen lagen versteckt unter den aufgespießten Froschschenkeln, die allesamt in Betelblätter gehüllt waren. Einzig ihr Geschmack ließ sich nicht so recht verorten. Ein Schnitz Limette, ein Klecks Meerrettichsauce mit salzig-jodigem Forellenrogen obendrauf und etwas Balsamico-Graffiti am Tellerrand komplettierten unser geschmackvoll arrangiertes Hors D’oeuvre.
Die Zeit bis zur Ankunft unserer beiden Hauptspeisen kam uns dann auch nicht mehr ganz so lange vor. Meine Fischpfanne stellte sich als veritables Fisch-Curry heraus. Das in Klammern angemerkte Prädikat „sehr scharf“ konnten meine Papillen jedoch nicht bestätigen. Aber pikant war es allemal. Das Gemüse – hauptsächlich Staudensellerie, Karotte und Brokkoli – lag auf den Punkt gegart in der Mini-Cocotte, aus der ich den aromatisch duftenden Fernostklassiker löffelte.
Die Edelfischpfanne aus der Cocotte
Reis, Reis, Baby....
Auch die Meeres- und Schalentiereinlage war vom Feinsten. Die Jakobsmuscheln spielten in puncto Größe und Qualität in der Top-Liga. Klar, die knapp 30 Euro mussten sich ja auch irgendwo in diesem vorzüglichen Kokossud versteckt haben.
Die junge Dame gegenüber verzehrte ihre gewokten Gemüse-Nudeln mit Inbrunst. Auch bei ihr toppten kleingehackte Erdnüsse und Röstzwiebeln das Hauptgericht. Eine klassische Asia-Pasta im besten Sinne, die ebenfalls vom idealen Gargrad ihres Gemüseanteils profitierte.
Gebratene Reisbandnudeln mit Tofu und Wokgemüse
Seit unserer Ankunft waren mittlerweile fast 3 Stunden vergangen. Stunden, in denen wir viel Zeit zum Quatschen, Lachen und letztlich auch Genießen hatten. Madame Nguyen entschuldigte sich für die lange Wartezeit aufs Essen gleich in doppelter Hinsicht.
Zuerst fand ein Tapioka-Mais-Dessert mit Kokosmilch als süße Gabe des Hauses den Weg auf unseren Tisch.
Tapioka-Mais-Kokos-Dessert (aufs Haus)
Und danach bot man uns noch einen Schnaps aufs Haus an. Zwei eisgekühlte Williams-Christ schufen klare Verhältnisse. Frau Nguyen hatte diesen selbst geschenkt bekommen und zeigte sich doch leicht überrascht, dass von der an den Tisch gebrachten Eierlikör-Flasche der Marke „Božkov“ solch ein hochprozentiger Inhalt ausging. Sachen gibt’s...
So klar ist kein Eierlikör! Schwör!
Als wir am Schluss auf unsere Rechnung einen kleinen Rabatt bekamen, setzte dies dem skurrilen Treiben beim Saarbrücker Nobelvietnamesen sogar noch ein etwas günstigeres Ende. Trotzdem empfanden wir gerade das Preis-Genuss-Verhältnis im Indochine als verbesserungswürdig. Die lange Wartezeit aufs Essen hat uns zwar nicht die Laune verdorben, war aber ein limitierender Faktor bei der Bewertung. Sollten wir irgendwann einmal wieder im Saarbrücker Stadtteil Malstatt vorbeischauen, um in den Genuss fernköstlicher Leckereien aus Indochina zu kommen, dann nur zusammen mit dem „Roten Khmer“ der Saarbrücker Gastrokritik. Den hätte man dort bestimmt schneller bedient. Geh ich jede Wette!