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Was hatte ich mich auf dieses recht spontane Essen mit einem guten Freund gefreut: neben der menschlichen Komponente versprach es doch hoffentlich beglückende Einblicke in einen Ort, dessen kulinarische Reputation in etwa so verheißungsvoll ist, wie der Ausblick auf ein verlängertes Wellness-Wochenende in Duisburg-Marxloh: das Food-(Nicht!)-Mekka Lüdenscheid!
Das Wetter sollte es gut mit uns meinen an diesem Sonntag, mit strahlendblauem Himmel und angenehmen 25 Grad bei leichtem Wind kann man es schon aushalten. Und so geriet die etwa einstündige, landschaftlich traumhafte Anfahrt von Solingen über Remscheid Lennep, Radevormwald und Halver zu einer wunderschönen Landpartie - selbst Klassik Radio war ausnahmsweise in guter Form und lieferte passable musikalische Untermalung.
Country Roaaads....
Angesichts dieser in jeder Hinsicht erfreulichen Rahmenbedingungen fasste ich bereits vor Abfahrt den festen Entschluss, diesmal wieder ein paar Zeilen für GG in die Tastatur zu stümpern: Die durchaus verheißungsvolle Karte wurde gewälzt, ansprechende Menüfolgen erwogen, Träume von einem kleinen kulinarischen Feuerwerk am Sommersonntag entstanden; nur um schlussendlich jäh von einem goldgelb panierten Klumpen Kinderglück zertrümmert zu werden.
Dank der nimmermüden, wortakrobatischen Ergüsse unseres fleißigen Mitstreiters Marc (laut eigener Aussage in seiner Gegend von Gastronomen unter vorgehaltener Hand mittlerweile ehrfurchtsvoll „Die Klinge der Südpfalz“ genannt) habe ich zumindest einen plausibel klingenden Titel für das Phänomen: der „gutbürgerliche Redundanzesser“ scheint der Teil meiner Persönlichkeit zu sein, der für diese tourette-artigen kulinarischen Ausfallerscheinungen verantwortlich zeichnet.
Vielleicht kann unser ebenfalls nimmermüder Hannoveraner Allgemeinmediziner sogar einen passenden Code aus der GG-ICD Klassifikation liefern, sofern er es einmal aus dem Tesoro schaffen sollte?
Wie auch immer ist Lüdenscheid, wie angedeutet, in kulinarischer Hinsicht nicht unbedingt mit Bergisch Gladbach vergleichbar, die Suche auf dieser Seite offenbarte lediglich Imbissbuden und große weiße Flecken auf der Landkarte, bei den Marktbegleitern sah es leicht besser aus. Dort stieß ich letztlich auf das Hotel Restaurant Passmann, dessen Karte mich auf Anhieb ansprach.
Kritik
Parken ist angesichts einer großzügig dimensionierten Stellfläche neben dem Haus überhaupt kein Problem, an diesem Sonntagmittag war das Hotel-Restaurant nur spärlich besucht und somit ergatterte ich gar einen der drei Plätze direkt am Hintereingang, neben dem idyllischen kleinen Biergarten.
Außenansicht
Dort hatte es sich mein mit dem Motorrad angereister Freund bereits gemütlich gemacht, eine herzliche Umarmung und freudiges beidseitiges Schulterklopfen später ließ auch ich mich dort nieder und freute mich über die Kombination aus Wetter und Location.
Biergarten
Sicher, die an diesem sonnigen Tag von Milliarden Motorradfahrern und Wochenendausflüglern verstopften bergischen Straßen ließen auch die Passmann’sche Biergarten-Idylle nicht ganz unberührt, Lärm war zu vernehmen, das Haus schirmt aber gut ab und eine ungestörte Unterhaltung jederzeit möglich. Für eine derart zentrale Lage akzeptabel und das Plätschern des Baches, sowie die schönen, schattenspendenden Bäume entschädigten mehr als angemessen für gelegentliches Harley-Knattern.
Ich hatte am Vorabend einen Tisch per Mail reserviert und erhielt noch am Abend eine prompte Antwort von Frau Passmann, selbige Dame erschien nach einigen Minuten mit Karten bewehrt an unserem Tisch und begrüßte uns freundlich, wobei ich mich dafür entschuldigte, das wir nicht durch den Vordereingang gekommen waren um Ihr unsere Ankunft zu vergegenwärtigen - denn der Biergarten ist vom Haus etwas schwierig einzusehen.
Die Frage nach ersten Getränkewünschen wurde von mir mit der Gegenfrage nach alkoholfreien Aperitif-Optionen gekontert, was wiederum die Bestellung eines führerscheinfreundlichen Aperol Spritz (0,3l zu 6 Euro) zur Folge hatte.
Meine Begleitung begnügte sich mit einer Apfelschorle, deren 0,3 Liter sich mit 3,50 Euro auf der Rechnung niederschlugen.
Die Standard-Karte wurde mit einer kleinen, saisonalen Spargelkarte ergänzt und ich empfinde die Ausrichtung als äußerst passend und ansprechend.
Keine primitive SchniPoSa Küche, keine Bergische Ausflugs-Rentnerküche mit dem notorischen „Putenschnitzel Bombay“ aber auch keine Verrenkungen eines überambitionierten Küchenchefs, der den Tim Raue von Lüdenscheid mimt.
Vielmehr wird hier die Rauhaardackel-Fraktion genauso bedient, wie der Gerne-Esser, der hier im Rahmen einer Familienfeier gestrandet ist oder die mitgeschleppte, vegetarische Teenie-Tochter.
Ein kleiner Auszug:
Vorspeisen
Wildfang Rotgarnele Pankomantel | Currymarinade| Meclinsalate
Spargelsalat | Crème Fraîche | Rauchschinken Chips
Jacobsmuschel Carpaccio | Champagner Creme Fraiche | Forellenkaviar
Hauptgänge
Kalbsrücken Wiener Schnitzel | Bratkartoffeln | Salat
Schwäbischer Zwiebelrostbraten| Spätzle| Gartensalat
Gegrillte Lamm-Haxe eigener Jus |Zwiebelkartoffel | Gemüse
Steinbeisserfilet | Yuzu Zitronen Schaum |Kartoffelmus
Brust vom Bauernhuhn | Champagner Velouté | Gemüsebukett | Reis
Ziegenfrischkäse| Birnenschnitz | Walnuss | Gemüsespaghetti
Dessert
Crème Brûlée | Tahitivanille
Zitronensorbet | Limoncello | Prosecco oder Wodka
Diverse Eissorten, hausgemacht
Wir hatten uns viel zu erzählen und somit zog sich Auswahl der Speisen etwas hin. Und dann sollte es passieren: Als ich das Cordon Bleu erspähte, war ich im Autopiloten-Modus, sollen Yuzu und Jakobsmuschel-Carpaccio heute andere Gaumen beglücken, man reiche mir bitte geschmolzenen Käse im Schnitzelmantel!
Und davor eine hierzu maximal unpassende Krustentiersuppe, zumindest von der bin ich im infantilen kulinarischen Betriebsmodus nicht abgerückt, mein Freund sollte sich ebenfalls für die Suppe und hernach für ein Gericht von der Spargelkarte entscheiden.
Bei der Aufgabe unserer Bestellung orderte ich sogleich eine Flasche Mineralwasser, die wohltemperierte 0,75 Liter Flasche Selters classic wurde prompt im mit grobem Crushed Eis gefüllten Kühler serviert und mit fairen 5,90 Euro berechnet.
| Brot |
Ich habe mich endgültig dazu durchgerungen, Brot mit Pamp nicht mehr mit „Amuse“ zu übertiteln, sofern Brot und Pamp dies nicht durch heroische Einzelleistungen rechtfertigen würden.
Wobei der Begriff „Pamp“ hier etwas gemein wäre, mit dem gedankenlosen Mystery-Quark aus der Dehoga Rezepte-Folterkammer hatte die hier gereichte, mild-aromatische, leicht mittel-östlich abgeschmeckte Crème gottseidank nicht viel gemein.
Zusammen mit in Scheiben geschnittenen Mohnbrötchen und einem körnerbewehrten Roggen-Mischbrot war das gut essbar, zu behaupten, auf der Zunge taten sich schillernde Feuerwerke der Aromen-Sensationen auf, würde der Sache allerdings auch nicht gerade gerecht werden.
| Vorspeisen |
2x Krustentiercrème mit Garnele – je 8,50 €
Krustentiercrème
Hurra, die Suppen kamen, und ich liebe Fisch-Suppen: egal ob Bouillabaisse, Bisque, Chowder oder eben ein geschäumtes Hummersüppchen; dazu ein passender kalter Weißwein, ein wenig Baguette, und der Tag ist mein Freund, wenn es denn gut war.
Rein optisch wurde hier sehr puristisch agiert, die gebratene Garnele(n) dekorativ mit etwas Grün am Rande eines tiefen Teller zu präsentieren wäre zwar auch nicht gerade eine kreative, neue Idee, m.E. jedoch visuell weniger trist als die hier gewählte Variante.
Sei‘s drum, die Suppe roch appetitlich nach maritimem Fond, Safran und einem Hauch Anis, der Löffel förderte glasig sautierte, sauber entdarmte, mundgerechte Garnelen-Stücke aus der Tiefe der Terrine.
Der erste Löffel beglückte durchaus, die in der Nase vernommenen Aromen fanden sich auch auf dem Gaumen wieder, die Textur war samtig, die Garnelen waren optimal gegart und fügten sich mit ihrem leicht süßlichen Eigengeschmack gut in das Gericht ein, diese waren weit entfernt von asiatischer Billigware aus Antibiotika verseuchten Brackwasser-Tümpeln.
Eine gute Suppe, keine Frage, allerdings hätte ich gerne mehr geschmackliche Intensität und Komplexität verspürt, ein erster Löffel einer solchen Suppe muss den Gaumen beglücken und den Esser mit geschlossenen Augen nach Südfrankreich versetzen, das war hier nicht ganz der Fall.
Meine persönliche Messlatte in dieser Hinsicht: „Christophers Fischsuppe“ aus der besternten Post in Odenthal, da hörte man nach dem ersten Löffel beinahe Möwenschreien und das Tuckern der Motoren der Fischkutter im Hafen, grandios.
Mein Gegenüber war auch zufrieden, was würde ein überschätzter bayrischer Fernsehkoch sagen: „Mei, schlecht war’s ned!“
| Hauptspeisen |
Cordon Bleu mit Pommes Frites und Salat – 16,90 €
Spargel mit hausgemachter Hollandaise und Mandelschnitzel – 18,50 €
Nach einer angenehmen Wartezeit wurden die Hauptgerichte serviert, die Art und Weise, wie sich die frisch aufgeschlagene Hollandaise appetitlich um den Spargel schmiegte, machte mich einen kurzen Moment etwas neidisch, auch wenn sich des Deutschen liebstes Gemüse für meine Begriffe etwas zu sehr bog und somit Schnabeltassen-Konsistenz argwöhnen ließ.
Spargel mit hausgemachter Hollandaise und Mandelschnitzel
Dem war dem Vernehmen nach aber mitnichten so, mit großer Zufriedenheit verputzte mein Freund sein Gericht, nicht ohne mehrfach zu erwähnen, wie wohlschmeckend er das Gebotene empfindet.
Purismus bei der Anrichtung scheint im Haus eine Tugend zu sein, wie auch bei der Suppe verzichtete man auch bei meinem „Blauen Band“ auf jegliche Garnitur, blendet man aus, das hier keine frittierte Convenience serviert wurde, hätte der Teller auch aus einer Kantine stammen können.
Cordon Bleu
Nun ist „das Auge isst mit“ sicher eine der größten Food-Plattitüden überhaupt, jedoch mit einem wahren Kern, trotzdem plädiere ich unter dem Strich immer noch für „form follows function“. Will heißen: Was nutzt die hübscheste Anrichtung, wenn es nicht schmeckt?
Trotzdem hätte man sich hier mit einer kleinen, wenn auch meinetwegen langweiligen Garnitur keinen Zacken aus der Krone gebrochen…
Positiv dagegen wieder die olfaktorischen Eindrücke, perfekt frittierte, heiße Pommes Frites mit einem appetitlichen Duft von frischem Fett, das innere Kind jubilierte.
Einem beherzten Mittelschnitt durch den Protagonisten folgte eine kleine Food-Porn-Episode: Aus dem saftig gebratenen Schweinerücken quoll eine verheißungsvolle Käse-Welle, begleitet vom passenden Geruchsteppich.
Cheesy Goodness...
Großartig! Der Käse mild-würzig, kein zu strenger Bergkäse (wobei ich auch das gerne mag), das Fleisch saftig und zart mit gutem Eigengeschmack, der Schinken steuerte die kräftigsten Aromen bei, ein sehr guter, hoch-aromatischer Kochschinken.
Auch wenn die Panierung etwas langweilig war und man mit Panko oder Cornflakes texturell und visuell sicher mehr hätte erreichen können, und auch wenn ich ein Cordon Bleu zuhause stets mit Kalbfleisch zubereite: Das war ein köstliches Essen, Punkt aus.
Der Beilagensalat konnte in erster Linie mit der Frische der Zutaten und seiner Zusammenstellung punkten. Neben Pflücksalat auch Feldsalat und ein wunderbar nussig schmeckender Rucola.
(Ich war kürzlich beruflich in Venetien und da fiel mir erst wieder auf, was im hiesigen Handel im Vergleich mit der dort verkosteten Ware für ein fürchterliches Kaninchenfutter als Rucola angeboten wird.)
Leicht enttäuschend das Dressing, statt einer kräftigen Vinaigrette in ausreichender Dosis, als Säurekonter gegen die Milde von Käse und Fleisch, eine eher belanglose, spärlich dosierte wie gewürzte, dünnflüssige Angelegenheit mit Anklängen von Himbeeressig.
| Dessert |
Zwei Kugeln hausgemachtes Eis – 4,40 €
(Für die Akten: Ich war schon satt, habe das Eis nur bestellt, damit die liebe Obacht! nicht wieder mit hochalpinem Spott kommentiert, ob der Tatsache, dass in ihrem Weltbild ein Essen ohne Dessert keine vollständige Mahlzeit darstellt.)
¡Hurra, decoración! Warum man allerdings auf das hausgemachte Nougat- und Erdbeer-Eis eine dieser industriellen Schokowaffeln warf, ließ mich zunächst einige Momente amüsiert zurück...
Ich bin ja eher ein Sorbet-Freund und mag sahniges Eis nicht so gerne, leider war das Blutorangen-Eis schon aus, das im Internet auf der Karte angepriesen wird.
Zur Waffel ist nicht viel zu sagen, das Eis jedoch schmeckte gut und tatsächlich hausgemacht, die Konsistenz ließ erahnen, dass hier eine gute Eismaschine ihren Dienst verrichtet, auch wenn ich auch hier mehr geschmackliche Intensität erwartet hätte.
Der von meinem Vis-a-vis als Nachtisch-Ersatz georderte Latte Macchiato wurde zufrieden geschlürft und kostete den Schreiber dieser Zeilen 3,10 Euro – ein fairer Preis.
Die Zeit verflog und gegen 15 Uhr bat ich um die Rechnung, eine Bezahlung per EC Karte ist im Biergarten etwas problematisch, da das Gerät hier an der Reichweiten-Grenze arbeitet, freundlich wurde ich von Frau Passmann gebeten, ihr in das Gebäude zu folgen, wobei ich einen Blick auf die Gasträume werfen konnte. Doch, nett, wenn auch etwas bieder und der Kachelboden im vorderen Raum schrecklich, aber Lüdenscheid ist nun auch nicht gerade ein Londoner Szene-Bezirk:
Saal
Vorderer Gastraum (mit dem schlimmsten aller möglichen 80er-Jahre-Sünden-Böden ever)
Die Verabschiedung von uns beiden erfolgte dann wieder unter freiem Himmel, wir fühlten uns gut und herzlich bedient und Frau Passmann war auch stets für eine kleine Plauderei zu haben.
Die Rückfahrt trat ich mit dem Gefühl an, neben einem bereichernden Gespräch zumindest „gut“ gegessen zu haben und das es hätte weitaus schlimmer kommen können, ein schöner Tag!
Fazit
Die Küche, ist was die Grundanlagen und die Qualität der Zutaten angeht, grundanständig und auch handwerklich ehrlich unterwegs. Allerdings ist in den Details, nicht nur optisch, sicher noch Luft nach oben. Das ist sicherlich auch der Erwartungshaltung geschuldet, die manche im Verhältnis „raffiniertere“ Option auf der Karte unweigerlich weckt. Trotzdem solide, leicht sonnige vier Sterne.
Der Service gut, (fast) immer präsent, auskunftsfreudig, einem Haus dieser Kategorie angemessen, Frau Passmann war allerdings alleine, bei mehr Gästen, die sich mitunter noch drinnen und draußen verteilt hätten, wäre es sicher schnell zu Engpässen gekommen. Auch hier vier Sterne.
Das Ambiente innen provinziell bieder, gefällt mir aber besser als „loungige“ urbane Einheitsästhetik (ich werde alt, wo ist mein Rauhaardackel? die Katzen müssen weichen!), das Gebäude von außen eher unattraktiv, Biergarten nett aber auch nicht gerade „une idylle tranquille“, insgesamt leicht strenge 3,5 Sterne.
Das Preisleistungs-Verhältnis empfand ich mit 76 Euro für das Gebotene bei 3,5 Sternen, u.a. begründet durch obige Kritikpunkte.
Wenn ich in der Gegend wäre, ich würde es nochmal probieren wenn es die Umstände ergeben, eine Stunde Anfahrt jedoch werde ich sicher nicht mehr in Kauf nehmen.
ABER: Jeder Hotelgast kann sich über diese Küche sehr freuen, bedenkt man die eher einfache Kategorie des Hauses - zumindest ich habe schon in bedeutend besseren Unterkünften schlechter speisen müssen.